Immer mehr Gräueltaten in Butscha bekommen ein Gesicht
Yuriy (14): Russen haben meinen Vater erschossen, als wir Essen und Medikamente holten

Vom Massaker in Butscha dringen immer mehr schreckliche Details an die Öffentlichkeit. Der 14-jährige Yuriy musste offenbar mitansehen, wie sein Vater von russischen Soldaten kaltblütig erschossen wurde. Er selbst entging den Schüssen nur haarscharf. Es gibt zudem schlimme Befürchtungen: Womöglich sind die Gräueltaten von Butscha nur die Spitze des Eisbergs des russischen Kriegs in der Ukraine.
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Butscha: "Wir sagten ihnen, dass wir keine Waffen tragen"
Yuriy erzählt, dass er und sein Vater Ruslan am Vormittag des 17. März mit dem Fahrrad zu einer Hilfsstelle in Butscha fuhren. Vater und Sohn wollten demnach Medizin und Essen für ihre Familie besorgen. Strom, Gas oder fließendes Wasser gab es in dem Ort zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr.
Auf ihrem Weg seien Yuriy und Ruslan von russischen Soldaten aufgehalten worden, berichtet der 14-Jährige. Beide hätten sofort die Hände gehoben, zudem sollen sie weiße Schals getragen haben – ein Zeichen, dass sie unbewaffnete Zivilisten sind. „Wir sagten ihnen, dass wir keine Waffen tragen und von uns keine Gefahr ausgeht“, sagt Yuriy. Doch all die Bemühungen waren vergeblich.
Ukraine: Russische Soldaten erschossen Yuriys Vater offenbar kaltblütig

Yuriy zufolge eröffneten die Soldaten ohne Vorwarnung das Feuer auf seinen Vater, zwei Kugeln trafen Ruslan direkt in die Brust. Auch auf Yuriy wurde demnach geschossen, seine Hand und sein Arm wurden getroffen. Weitere Schüsse verfehlten seinen Kopf nur knapp und bohrten sich durch seine Kapuze.
„Ich hatte Panik“, berichtet Yuriy. „Ich lag dort mit meinem verwundeten Arm unter mir. Ich habe gesehen, dass meine Hand blutet.“ Erst als die Soldaten den Ort des Geschehens verließen, wagte der Junge es, aufzustehen und wegzulaufen, sagt er.
Ruslans Leiche konnte die Familie erst zwei Tage später nach Hause bringen. Sein Handy, sein Portemonnaie und sein Haustürschlüssel sollen ihm geklaut worden sein, ebenso wie sein weißer Schal, der ihn als Zivilist markierte.
Yuriys Schilderungen konnten bislang nicht vollständig verifiziert werden. Allerdings decken sich Fotos von Ruslans Leiche, die unserer Redaktion vorliegen, mit den Darstellungen seines Sohnes. Zudem konnten mittlerweile zahlreiche Morde in Butscha von unabhängiger Seite verifiziert werden, unter anderem mithilfe von Satellitenaufnahmen.
Kommentar zu den Kriegsverbrechen der russischen Armee: Ein Massaker mit Ansage
USA: Massaker in Butscha ist womöglich nur "die Spitze des Eisbergs"

Nach Einschätzung der USA könnten die Gräueltaten in dem Vorort von Kiew allerdings nur „die Spitze des Eisbergs“ sein. Es sei wahrscheinlich, dass russische Soldaten auch in anderen Teilen der Ukraine „Gräueltaten begangen“ hätten, sagte die Sprecherin von US-Präsident Joe Biden, Jen Psaki, am Dienstag. Zu einigen Gebieten in der Ukraine gibt es aktuell keinen öffentlichen Zugang.
Butscha kein Einzelfall? RTL-Reporterin zeigt Hinweise auf weitere Kriegsverbrechen
In Butscha wurden am Wochenende nach dem Rückzug der russischen Truppen Hunderte Leichen entdeckt. Die Ukraine und auch die US-Regierung machen russische Truppen für die vielen Toten in Butscha verantwortlich. Moskau bestreitet das. Mehrere Darstellungen Russlands konnten bislang allerdings durch unabhängige Medien widerlegt werden. (jda)
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