Minderjährige zur Prostitution gezwungen

"Loverboy"-Prozess in Wuppertal: Angeklagte lachen und winken vor Gericht

Auftakt im Loverboy-Prozess Frauen zur Prostitution gezwungen
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Frauen zur Prostitution gezwungen
Auftakt im Loverboy-Prozess

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"Auf mich haben die Angeklagten uneinsichtig gewirkt"

Was RTL-Reporter Jan Heikrodt vor dem Wuppertaler Landgericht zu hören bekommt, ist monströs. Dort müssen sich seit heute zwei Männer und ein Jugendlicher verantworten, weil sie Frauen und Minderjährige mit der sogenannten Loverboy-Masche in die Zwangsprostitution getrieben haben sollen. "Das jüngste Opfer ist 14 Jahre alt", so Staatsanwältin Christina Laibold. Doch von Reue fehlt bei den Angeklagten jede Spur. Im Gegenteil, berichtet Heikrodt im Video.

Ein perfides System

"Loverboy"-Prozess in Wuppertal
Rechtsanwalt Andreas Trode (l) unterhält sich mit seinem Mandanten, dem 22-jährigen Angeklagten.
dy, dpa, David Young

Zuhälterei, gewerbsmäßige Zwangsprostitution, gefährliche Körperverletzung und schwerer Raub in mehreren Fällen: Die Liste der Vorwürfe gegen einen 22-Jährigen, einen 31-Jährigen und einen 17-jährigen Komplizen ist lang. Die beiden Hauptangeklagten mit türkischer und deutscher Staatsbürgerschaft sollen seit Juli 2017 insgesamt sieben Frauen im Alter von 14 bis 22 Jahren wahre Liebe vorgegaukelt und sie damit zur Prostitution bewegt haben. "Für jede Frau war einer der Angeklagten die Bezugsperson, mit der er eine vermeintliche Beziehung führte und falsche Gefühle vorspiegelte", sagte Laibold. Der Jugendliche mazedonischer Herkunft diente als Lockvogel, für ihn gilt das Jugendstrafrecht.

"Werde dich erschießen, wenn du nicht weiter arbeitest"

Der 31-jährige Angeklagte im Verhandlungssaal des Wuppertaler Landgerichts.
Der 31-jährige Angeklagte im Verhandlungssaal des Wuppertaler Landgerichts. Vor ihm sitzen seine beiden Verteidiger.
dy, dpa, David Young

Wollten die Opfer nicht mehr anschaffen, wurden sie laut Anklage geschlagen, gewürgt, "mit einer Waffe bedroht, angespuckt" oder mit dem Tode bedroht. “Ich werde dich erschießen, wenn du nicht weiterarbeitest", soll einer der Angeklagten laut Staatsanwaltschaft einem Opfer gesagt haben. Oder: "Ich werde deine Tochter ficken, wenn du nicht tust, was ich sage." Einer Frau sei ein Kissen ins Gesicht gedrückt worden, so dass sie fast erstickte, sagte der 22 Jahre alte türkische Angeklagte aus. Einer 17-Jährigen wurde angedroht, sie werde ins Ausland verkauft. Dann wieder hätten die "Loverboys" ihnen Geschenke gemacht, sich entschuldigt oder ihnen finanzielle Probleme oder Krankheit vorgetäuscht, so dass die Frauen sich aus Mitleid weiter prostituierten, hieß es in der Anklage.

Auch nach Trennungen seien einige von ihnen zurückgekehrt. Eine 18-Jährige, die sich weigerte, anzuschaffen, musste einen Kredit über 16.000 Euro aufnehmen und das Geld den Angeklagten in bar geben. Das jüngste Opfer, eine 14-Jährige, überredeten die Angeklagten mit der Aussicht auf das große Geld zur Prostitution. Es blieb bei einem Mal.

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Sechs bis acht "Kunden" pro Tag

Die "Loverboys" warben Freier mit Internet-Anzeigen an, organisierten die Termine und überwachten den Vollzug, wenn die Frauen heimlich in die eigene Tasche arbeiten wollten. Die Opfer "mussten rund um die Uhr verfügbar sein, um die Kunden zu bedienen", sagte Staatsanwältin Laibold am ersten Prozesstag. Sie hatten pro Tag sechs bis acht "Kunden". Die älteren Frauen schafften ohne Pause in angemieteten Wohnungen oder Hotels von Dortmund über Wuppertal bis Düsseldorf an. "Halbe Stunde 60 Euro, eine Stunde 120 Euro." 600 bis 1.000 Euro verdienten die Frauen am Tag - bis zu 14.000 Euro im Monat.

"Insgesamt über 100.000 Euro haben die Frauen den Angeklagten eingebracht", heißt es in der Anklageschrift. Den Frauen täuschten die Angeklagten vor, das Geld für sie zu sparen. Tatsächlich aber gaben die Männer das Geld umgehend für teure Leihwagen und die Ausstattung ihrer Shisha-Bar in Wuppertal aus, in der auch neue Opfer angeworben wurden.

Das Urteil in dem Fall wird für Ende September erwartet. Den beiden Hauptangeklagten drohen Haftstrafen von bis zu zehn Jahren. Vor Gericht jedoch machten sie keinen besorgten oder gar reumütigen Eindruck, wie RTL-Gerichtsreporter Jan Heikrodt im Video berichtet.

Dunkelziffer bei "Loverboy"-Masche hoch

Im Juli war in Krefeld ein sogenannter Loverboy zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Experten gehen von einer hohen Dunkelziffer in dem Bereich aus. Die "Loverboy"-Masche wird in keiner polizeilichen Kriminalstatistik gesondert aufgeführt. Die Opfer erstatten Experten zufolge oft aus Angst und Scham keine Anzeige. Elterninitiativen fordern verstärkt Aufklärung über die Masche bereits in den Schulen.