Kreml-Kritiker Chodorkowski im Interview
"Putin kann nur mit der Armee gestürzt werden"

Der Kreml-Kritiker und frühere Oligarch Michail Chodorkowski sieht in Russland keinen unmittelbar bevorstehenden „regime change“. Es seien zwar „Erosionen im Mittelbau des Staatsapparates“ zu beobachten, „aber diese Bewegung, diese Erosion wird in naher Zukunft nicht zu einem regime change führen“, sagte Chodorkowski den Sendern RTL/ntv.
Chodorkowski fügte hinzu: „Es kann in Russland nur zu einem Aufstand kommen, wenn die Armee begreift, dass sie in der Ukraine verliert oder verloren hat. Dann wird Putin ein großes Problem mit der Armee haben. So war es bisher immer in der russischen Geschichte.“
Mit Blick auf Waffenlieferungen an die Ukraine, sagte Chodorkowski: „Die Ukraine wird keinen Widerstand leisten können ohne regelmäßige Waffenlieferungen. Putin weiß das, die Ukraine weiß das und ich hoffe sehr, dass auch die westlichen Entscheidungsträger das wissen und verstehen.“
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Wird Putin zu Atomwaffen greifen?
Auf die Frage, ob und in welchem Kontext Putin auch zu Atomwaffen greifen könnte, sagte der Kreml-Kritiker, dass es wichtig sei zu verstehen, dass Putin kein Selbstmörder sei. Putin würde diese nur unter der Prämisse einsetzen, dass ihm daraus keine Konsequenzen drohten.
Allerdings fügte Chodorkowski auch diese Warnung in Richtung der EU und des Westens hinzu: „Wenn Sie wollen, dass Putin NATO-Mitgliedsstaaten angreift, wenn Sie wollen, dass er Massenvernichtungswaffen einsetzt, dann provozieren Sie ihn am besten so, indem Sie einfach sagen: ‚Egal, was du tust, wir werden dieses Spiel nicht mitspielen, wir werden uns nicht einmischen, du kannst tun und lassen was du willst.‘“
So eine Einstellung des Westens könnte dazu führen, dass Putin „daraus den Schluss zieht, dass er Atomwaffen oder Massenvernichtungswaffen einsetzen kann und auch eine Bodeninvasion des Baltikums realisieren kann.“
Chodorkowski verglich die aktuelle Lage mit der Appeasement-Politik gegenüber Adolf Hitler vor dem zweiten Weltkrieg: „Diese Situation wiederholt sich gerade mit einer verblüffenden Ähnlichkeit.“
"Sanktionen gegen Oligarchen sind wichtig"
Mit Blick auf Sanktionen gegen Russland und vor allem gegen russische Oligarchen, sagte Chodorkowski, dass diese wichtig seien. Ein Grund: „Die Sperrung und das Einfrieren dieser Konten der Großunternehmen ist wichtig, weil es Geldressourcen sind, an die Putin jederzeit kann und die er verwenden kann für das, was er will.“
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