Prozess um Kölner Cold Case

Karnevalsmord an Petra (24) vor 35 Jahren – Angeklagter: Habe mit ihrem Tod nichts zu tun

Die Kölner Polizei hat einen Tatverdächtigen im Cold Case Petra Nohl festgenommen
Nach dem Mord an Petra Nohl setzte die Polizei 5.000 DM Belohnung für Hinweise auf den Täter aus.
Polizei
von Valerio Magno und Sebastian Stöckmann

35 Jahre lang tappt die Polizei im Dunkeln. Doch als die Ermittler den Cold Case bei Aktenzeichen XY...ungelöst vorstellen, erhalten sie den entscheidenden Hinweis: Ein heute 56 Jahre alter Mann soll in der Nacht zum Karnevalssonntag 1988 Petra Nohl getötet (24) haben, um ihre Wertsachen zu stehlen. Am Montag hat der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter begonnen. Eine Schuld streitet er ab.

Prozess in Köln: Zeugin hielt Leiche zunächst für eine Puppe

04.09.2023, Nordrhein-Westfalen, Köln: Der Angeklagte kommt in den Gerichtssaal des Landgerichts. Hier beginnt der Mordprozess im sogenannten «Karnevalsmord» gegen einen Angeklagten, der an Karneval 1988 in der Kölner Altstadt eine Frau erwürgt haben soll. Die Ermittler hatten den 35 Jahre zurückliegenden «Cold Case» in der Sendung «Aktenzeichen xy...ungelöst» vorgestellt. Daraufhin meldete sich ein Zuschauer und gab den entscheidenden Hinweis auf den mutmaßlichen Täter. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Der Angeklagte beim Prozessauftakt im Saal des Landgerichts Köln.
ve, dpa, Rolf Vennenbernd

Am Vormittag wird der Angeklagte in den Saal 112 des Kölner Landgerichts gebracht. Zunächst versteckt er sein Gesicht hinter einem Aktenordner und zieht sich die Kapuze seiner Jacke übers Gesicht. Nach einer Sitzungsunterbrechung ist das anders: Der 56-Jährige versteckt nun nichts mehr. Er geht auf Krücken, wirkt gebrechlich, trägt eine dicke Jacke. Seinen Stuhl hat er Richtung Richterin gedreht – so sieht Petra Nohls Tochter ihn nicht von vorne, sondern nur von der Seite.

Als erste Zeugin sagt eine 58-jährige Kölnerin aus, die Petra Nohl tot aufgefunden hatte. Sie war morgens mit dem Hund unterwegs – als sie die Tote sah, dachte sie erst an eine Karnevalspuppe. Zu einer anderen Passantin sagte sie: „Da liegt eine Puppe.“ Die Frau sei dann hingegangen, habe geschrien und gesagt: „Das ist keine Puppe, sondern da liegt eine tote Frau.“ Sie sei etwa 100 Meter entfernt gewesen und nicht näher rangegangen, weil sie die Tote nicht aus der Nähe sehen wollte, erklärt die Zeugin.

Petra Nohls Tochter verfolgt Zeugenaussage mit skeptischem Blick

Die Richterin fragt, ob die Zeugin die Leiche nicht schon vorher beim Blick aus dem Küchenfenster gesehen habe: So stehe es in den Akten von damals. Die 58-Jährige schließt das nicht aus. Damals hatte sie offenbar zu Protokoll gegeben, die Tote habe ein weißes T-Shirt mit Tigermuster und eine Netzstrumpfhose und keine Schuhe getragen.

Petra Nohls Tochter sieht die Zeugin an, hört ihr aufmerksam zu. Das Gesicht der Tochter wirkt skeptisch – offenbar befasst sie sich damit, dass die Zeugenaussage heute etwas anders klingt als damals. Der Angeklagte dreht der Zeugin seinen Rücken zu, sodass sie sein Gesicht nicht sehen kann. Ob dies Zufall oder Absicht ist, ist unklar.

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Karnevalsmord: Petra Nohl 1988 in Köln erdrosselt

Das Verbrechen in der Kölner Altstadt ging als "Karnevalsmord" durch die Medien. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten Mord aus Habgier und niedrigen Beweggründen vor. Er soll Petra Nohl in jener Nacht gefolgt sein, als sie beim Feiern von einer Disco in eine andere zog. Hinter einem Imbisswagen soll er die junge Mutter dann angegriffen, geschlagen und mit ihrer Halskette erdrosselt haben.

Die Frau erlitt der Anklage zufolge schwere Verletzungen an Kopf und Oberkörper. Durch die Drosselung mit der Halskette sei es zu einer „Zertrümmerung des Kehlkopfskeletts“ gekommen. Auf der Flucht soll der Angeklagte die Handtasche und den Brustbeutel der 24-Jährigen mitgenommen haben – darin befanden sich gerade einmal 100 D-Mark.

Ein Verteidiger erklärte nach Anklageverlesung vertretend für den 56-Jährigen: „Ich habe mit der Tötung und dem Tod der Frau nichts zu tun.“

Entscheidender Hinweis nach Aktenzeichen XY- Ausstrahlung

Als Cold-Case-Ermittler den Hall neu aufrollen und am 7. Dezember 2022 in der ZDF-Sendung Aktenzeichen XY...ungelöst um Mithilfe bitten, meldet sich ein Zuschauer: ein alter Freund des 56-Jährigen aus Köln-Bilderstöckchen, der schon damals Verdacht schöpfte und zur Polizei gehen wollte. Er sei vom mutmaßlichen Täter aber „vehement“ daran gehindert worden, erklärten die Ermittler.

Nach mehreren Vernehmungen verrät der Zeuge der Polizei den Namen seines damaligen Kumpels. Ein DNA-Abgleich ergibt einen Treffer: Die DNA des Beschuldigten wurde damals auf der Leiche gefunden. Am 14. Februar – auf den Tag genau 35 Jahre nach der Tat – wird der 56-Jährige wegen Mordverdachts verhaftet.

Für den Prozess sind zehn Verhandlungstage bis zum 24. Oktober angesetzt.