Heftige Kritik an mangelndem Klimaschutz
Koalition scheitert an Klima-Sofortprogramm - nur Teile für Verkehr und Gebäude vorgelegt

Eigentlich wollte die Ampel-Koalition am Mittwoch ein umfassendes Programm über alle Sektoren und Ministerien hinweg präsentieren, mit dem Deutschland bis 2030 seinen CO2-Ausstoß um 65 Prozent gegenüber 1990 senken wollte. Daran ist sie gescheitert. Stattdessen legten nur Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) ein Programm vor – und das auch nur, weil sie das Klimaschutzgesetz dazu zwang. Jetzt gibt es heftige Kritik.
Verkehrssektor überschreitet Klimaziele deutlich
Um eine Lücke zu Klimazielen zu schließen, will Wissing das Ladenetz für Elektroautos und den Radverkehr ausbauen. Wissing sagte in Berlin, der Verkehrssektor werde zurück auf den „Pfad der Einhaltung der Klimaziele“ geführt. Bislang verfehlte der von ihm verantwortete Bereich die Ziele deutlich. Im Jahr 2021 wurden die Emissionsziele des Verkehrssektors um etwa drei Millionen Tonnen CO2 überschritten. Mit dem Maßnahmenpaket werde die Differenz vollständig ausgeglichen, so Wissing.
Neben dem Ausbau von Radverkehr und Ladestationen will Wissing auch einfachere Tarifstrukturen im ÖPNV. Fraglich ist allerdings, wie schnell die Maßnahmen von Wissing Wirkung zeigen können. Andere Maßnahmen wie ein Tempolimit blockiert der Minister. Er müsse abwägen zwischen der schnellen Erreichung der Klimaziele und den Anforderungen und auch der Akzeptanz der Gesellschaft für Maßnahmen andererseits, sagte er.
Deutliche Kritik von Umweltverbänden und Grünen
Wissings Sofortprogramm stieß auf große Kritik, auch von den Grünen als Koalitionspartner. Wissing müsse effektive Maßnahmen vorlegen, statt sich im Klein-Klein zu verlieren, sagte die Grünen-Energiepolitikerin Lisa Badum. „Es liegen so viele Maßnahmen auf dem Tisch: Abbau der klimaschädlichen Subventionen oder die Reform des Dienstwagenprivilegs und der Kfz-Steuer. Das Ministerium muss runter von der Bremse und jetzt die Mobilitätswende anschieben.“
Greenpeace-Sprecherin Marion Tiemann sagte: „Volker Wissing flüchtet sich beim Klimaschutz in nebulöse Förderzusagen und blockiert weiter schnell wirksame Schritte wie ein Tempolimit.“
Auch Gebäude-Bereich ist Klimasünder

Allein im Gebäudebereich müssen bis 2030 noch 152 Millionen Tonnen CO2 mehr eingespart werden als bisher. Dennoch hat die Bundesregierung die nationale Klimaziele auch in diesem Bereich verfehlt. Jetzt soll vor allem die Sanierung vorangetrieben werden. Es soll in mehr Häusern weniger Energie verbraucht und mit Wärmepumpen oder erneuerbaren Energie statt mit Öl- oder Gas geheizt werden. Dafür werde das Gebäude-Energie-Gesetz verschärft, so dass alle neu eingebauten Heizungen ab 2024 einen Anteil von 65 Prozent erneuerbarer Energie haben. Reine Gasheizungen sind dann nicht mehr erlaubt. Bis 2030 soll es außerdem sechs Millionen Wärmepumpen geben.
Die Umweltschutzorganisation BUND kritisiert, dass die Maßnahme nicht genügen, „um ausreichend Tempo in die dringend notwendige energetische Gebäudemodernisierung“ zu bringen. bringen. „Es ist nicht akzeptabel, dass Klimaminister Habeck und Bauministerin Geywitz zentrale Instrumente auf die lange Bank schieben. Wir brauchen noch in diesem Jahr wirksame Maßnahmen gegen Energieverschwendung im Gebäudebestand“, sagte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt. Diese „massive Energieverschwendung“ in Gebäuden belaste vor allem ärmere Menschen jeden Monat stark.
Deutsche Umwelthilfe will klagen
Die Maßnahmen von Geywitz und Wissing bewertet die Deutsche Umwelthilfe als unzureichend. Sie kündigte an, diesen „klaren Verstoß gegen das Klimaschutzgesetz“ in den bereits beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg anhängigen Klimaklagen prüfen zu lassen, um die Bundesregierung gerichtlich zu zwingen, „ausreichend wirksame Maßnahmen im Gebäude- und Verkehrsbereich durchzusetzen.“
Der Bundesgeschäftsführer der Umwelthilfe, Jürgen Resch, fordert ein „Ende der Taschenspielertricks und den Einstieg in ehrliche, kurzfristig wirksame Maßnahmen“. Dazu zählt er ein Verbot von Kurzstreckenflügen, ein auf mindestens zwei Jahre angelegtes Tempolimit von 100 auf Autobahnen und 30 innerorts und ein „365-Euro-Klimaticket“ für Bus und Bahn.
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