Bekanntes Phänomen

Indische Corona-Variante weniger ansteckend als befürchtet? - Das sagt Dr. Specht

10.05.2021, Indien, Prayagraj: Medizinisches Personal entnimmt einen Abstrich von einem Pendler, um ihn auf das Coronavirus zu testen. Die Zahl der täglichen Corona-Neuinfizierten ist im derzeit besonders von der Pandemie heimgesuchten Indien erstmals seit mehreren Tagen wieder unter die Marke von 400 000 gefallen. Foto: Prabhat Kumar Verma/ZUMA Wire/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Indien hat mehr Todesfälle im Zusammenhang mit Corona an einem Tag gemeldet als je ein anderes Land während der Pandemie.
zeus hen nwi, dpa, Prabhat Kumar Verma

In Deutschland ist die indische Corona-Variante B.1.617 noch selten zu finden, doch die Angst steigt. Denn: Sie soll ansteckender sein. Die WHO stufte die Variante sogar als "besorgniserregend" ein. Laut eines britischen Forschers ist die indische Variante aber gar nicht so ansteckend wie befürchtet. Wir haben mit Medizinjournalist und Arzt Dr. Christoph Specht darüber gesprochen.
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Ansteckungsrate soll abgenommen haben

Die indische Variante ist ansteckender als andere. Das sagt auch Neil Ferguson, Epidemiologe am Imperial College London gegenüber BBC Radio. Allerding habe das etwas abgenommen, wie jüngste Daten zeigen sollen.

Dr. Specht: "Es entsteht ein falsches Bild"

Dr. Christoph Specht
Dr. Christoph Specht äußert sich im RTL-Interview zu indischer Corona-Variante.
RTL

Wir haben Arzt und Medizinjournalist Dr. Christoph Specht um eine Einschätzung gebeten. Er sagt: „Das ist vom Prinzip das gleiche wie bei der britischen Variante.“ Damals habe es auch geheißen „Oh Gott, Panik, neue Mutation. Es war sogar die Rede von der Pandemie in der Pandemie“. Der britischen Variante wurde nicht nur eine höhere Ansteckung nachgesagt, sondern auch tödlicher sollte sie sein. „Ich habe das immer bezweifelt, ohne dass wir die Daten hatten. Es wäre möglich gewesen, dass sie tödlicher ist, aber ziemlich unwahrscheinlich“, so Dr. Specht. Und tatsächlich hieß es am Ende, die Variante sei zwar ansteckender, aber nicht tödlicher als die anderen. „Ein ähnliches Phänomen haben wir jetzt hier mit der indischen Variante. Immer wenn auf der Welt irgendwo ein Peak kommt, also eine starke Welle zu sehen ist, und die ausgelöst sein soll durch eine Variante [...], dann entsteht ein etwas falsches Bild.“ Denn auch in Indien seien nicht alle Fälle auf diese eine Variante zurückzuführen, sondern auf viele verschiedene.

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Ansteckender, aber nicht tödlicher

Um die Tödlichkeit geht es bei den Daten des britischen Forschers allerdings nicht. Was hat es mit der Ansteckung auf sich? „Er sagt, ansteckender ist es als die britische Variante, die ja schon ansteckender ist als der Urtyp. Aber bei weitem nicht so, wie man das mal gedacht hatte.“ Dr. Specht begründet das mit der Evolution des Virus.“Die Viren haben ein Ziel. Die wollen sich vermehren. Die wollen erfolgreich sein. Und alles, was dem Virus dient, bleibt erhalten und setzt sich durch und alles, was dem Virus nicht dient, geht den Weg der Evolution, es stirbt aus.“ Aber es mache keinen Sinn, auf die einzelnen Varianten zu schielen. „Wir werden in den nächsten Monaten und Jahren noch ganz viele Varianten erleben, die alle dazu dienen, das Virus fitter zu machen, also infektiöser zu sein.“ Das mache aber nichts, es sei der normale Verlauf der Evolution. „Gott sei Dank, ist der normale Verlauf der Evolution nicht so, dass diese Viren gleichzeitig tödlicher werden.“ Allerdings sei mit einer Abschwächung des Virus in den nächsten Jahren nicht zu rechnen. „Damit müssen wir zurecht kommen“, so Dr. Specht.

Dr. Specht: "Ein No-Covid wird es nie mehr geben"

Laut Ferguson würden die verfügbaren Impfstoffe auch gegen die indische Virus-Variante schützen – zumindest vor einem schweren Krankheitsverlauf. Doch die Verbreitungs-Wahrscheinlichkeit sei auch bei bereits Geimpften höher. Für diese Annahmen brauche es aber noch mehr Daten.

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Der große Vorteil, das sagt auch Dr. Christoph Specht, sei es, dass bereits infizierte Menschen –egal mit welcher Variante – und geimpfte, einen ganz guten Schutz, auch gegen die bisher aufgetretenen Varianten, haben. „Das Problem bei der Betrachtung der Wirksamkeit ist, dass die Leute denken ‘alles oder nichts, ich bin jetzt geimpft und dann kann ich mich nicht mehr infizieren’. So ist das nicht.“ Selbst bei dem Urtyp, den es schon gar nicht mehr gebe, wäre es trotz Impfung nicht ausgeschlossen, dass man sich damit infiziere, aber Symptome, vor allem schwere Symptome, seien unwahrscheinlich. Ein No-Covid werde es aber niemals mehr geben: „Nicht mehr auf dieser Erde, solange wir hier sind.“ (mol)

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