Bundespräsident debattiert mit Bürgern über die Impfpflicht
Berühmte Querdenker-Parole erzürnt Steinmeier: "Das ist bösartiger Unfug!"
„Eines vorweg: Als Bundespräsident werde ich mich in dieser Runde nicht zum Ja oder Nein einer allgemeinen Impfpflicht positionieren“ – mit diesen Worten hat Bundespräsident Frank-Walter-Steinmeier eine Diskussionsrunde mit Bürgern im Schloss Bellevue eröffnet. Aber er mahnte im Ringen um die allgemeine Impfpflicht eine sorgfältige Debatte an. „Impfpflicht bedeutet Debattenpflicht“, so Steinmeier.
Eingeladen zur Debatte waren deshalb nicht nur die Wissenschaftler Prof. Kai Nagel und Prof. Cornelia Betsch, sondern auch Menschen, die durch ihren Job besonders durch die Pandemie gefordert waren, sowie auch zwei Menschen, die eine Impfpflicht ablehnen und zum jetzigen Zeitpunkt selbst nicht geimpft sind.
Die zentralen Aussagen aller zeigen wir Ihnen im Video.
Lehrer bei Steinmeier: "Hatten Schüler, die sich impfen lassen wollten, die Eltern es aber nicht erlaubt haben"

Eine Krankenschwester aus Köln, eine Altenpflegerin aus Berlin sowie ein Berliner Lehrer – ihnen allen hat die Corona-Krise in den letzten zwei Jahren enorm viel abgefordert. Im Gespräch mit dem Bundespräsidenten berichten sie, wie sie die Debatte ums Impfen und auch die Impfpflicht erleben.
Der Krankenschwester Ellen Schaperdoth ist es für ihre Patienten wichtig, nicht Pandemie-Treiber zu sein. Die Altenpflegerin Sigrid Chongo hat es als „Privileg“ empfunden, dass sie und ihre Kollegen sich auch gleich zu Beginn impfen lassen konnten. „Es ist einerseits der Schutz für sich, aber auch der Schutz den Bewohnerinnen und Bewohnern gegenüber.“ Lehrer Sven Eik Winter beobachtet bei seinen Schülern, dass es stark aufs Elternhaus ankomme, ob sich Schüler impfen lassen oder nicht. „Wir hatten auch Schüler, die sich zu einer Impfaktion angemeldet haben, die Eltern es aber nicht erlaubt haben, das fand ich dann sehr schade“, berichtet er in der Runde.
Eingeladen hat Steinmeier auch zwei Gäste, die eine Impfpflicht klar ablehnen. Auch ihre Argumente gegen die Impfpflicht wurden in Ruhe angehört, teilweise wurden die Argumente, die aus ihrer Sicht gegen eine Impfung an sich sprechen, von den Wissenschaftlern widerlegt. Beide – eine Lehrerin aus Baden-Württemberg, sowie ein Angestellter eines mittelständischen Betriebes aus Bamberg betonten, keine Impfgegner zu sein, aber eine allgemeine Impfpflicht abzulehnen. Es müsse die Entscheidung jedes einzelnen bleiben. „Impfen ja, Zwang nein“, so Gudrun Gessert. Sie kritisierte unter anderem, dass sich die Regeln, wann jemand als vollständig geimpft gelte, überholen, spricht von einer „Endlosschleife des Impfens“.
Ganz ähnlich argumentiert der aus Bamberg zugeschaltete Oliver Foeth. Er hält es für „unmoralisch, bei den Erkenntnissen, die wir über die zur Verfügung stehenden Impfstoffe haben, den Menschen eine Impfpflicht beziehungsweise einen Impfzwang durch Verordnung aufzuerlegen.“
Den Zweiflern an der Wirksamkeit der Impfstoffe hält Prof. Kai Nagel von der TU Berlin entgegen, dass das Impfen bei der Delta-Variante sehr wohl der „game changer“ gewesen sei, also die Infektionszahlen runtergebracht habe. „Bei der Omikron ist es das jetzt in Bezug auf die Inzidenzen nicht mehr, in Bezug auf die schweren Verläufe aber sehr wohl“. Nagel entwickelt Modelle zur Ausbreitung des Virus. „Bei Omikron ist ein bisschen die Frage, ob wir mit einem blauen Auge davonkommen oder nicht“, sagt er. Für diese Variante käme eine Impfpflicht ohnehin zu spät.
Vorwurf "Corona-Diktatur" ist "bösartiger Unfug und Beleidigung von uns allen"
Der Bundespräsident mahnte Respekt vor anderen Haltungen und auch Respekt vor Fakten und Vernunft an. Diese müssten „unsere gemeinsame Währung sein und bleiben“. Entschieden wies Steinmeier den oft von Gegnern der staatlichen Corona-Politik genannten Vorwurf zurück, Deutschland habe eine „Corona-Diktatur“. „Das ist bösartiger Unfug. Denn darin steckt nicht nur Verachtung für unsere demokratischen und rechtsstaatlichen Institutionen. Sondern darin steckt eine Beleidigung von uns allen.“
Deutschland kämpfe sich Monat für Monat durch diese Pandemie, sagte Steinmeier. „Aber eben nicht, weil wir mit eiserner Hand gelenkt und gesteuert werden, sondern weil die große Mehrheit immer wieder darum ringt, das Richtige zu tun, verantwortlich zu handeln, solidarisch zu sein.“ (eku/cbl/dpa)
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