Hirnforscher erklärt Impf-AngstDarum haben so viele Menschen Panik vor Spritzen

Anti-vaccination protest, Refusing Covid-19 Vaccine
Viele Menschen haben Angst vor Spritzen. Die Ursache dafür liegt in weiter Vergangenheit.
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Zwar nimmt das Impftempo in Deutschland endlich zu, doch trotzdem gibt es immer noch Menschen, die sich gegen einen Piks und damit gegen einen Schutz vor dem Coronavirus entscheiden. Oftmals kann das auch mit der Angst vor Spritzen zusammenhängen. Doch warum gibt es diese Angst überhaupt und wo hat sie ihren Ursprung? Der Hirnforscher Marcus Täuber verrät gegenüber der österreichischen „Kronen Zeitung“, dass diese Urängste aus der Steinzeit stammen und erklärt, was die Panik vor Spritzen auslöst.
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Rund ein Viertel der jungen Menschen hat Angst vor Spritzen

Menschen, die Angst vor Spritzen haben, sehen laut Experte nicht nur eine Spritze, sondern vor allem einen Gegenstand, der uns Verletzungen zufügen kann. Diese Angst basiere auf einem Steinzeitprogramm unseres Gehirns: „Sie kommt aus einer Zeit, in der Verletzungen schnell lebensgefährlich werden konnten. Es ist die einzige Angst, die direkt durch einen massiven Blutdruckabfall zur Ohnmacht führen kann. Wenn wir bewusstlos sind, gerinnt das Blut besser. Und wir wirken tot, wodurch eventuell Feinde von uns ablassen. Das hat also evolutionäre Vorteile“, erklärt er gegenüber der „Kronen Zeitung“.

Doch auch, wenn wir heute nicht mehr wie unsere Vorfahren in der Wildnis um unser Überleben kämpfen müssen, ist diese Urangst tief in uns verwurzelt und begleitet uns auch heute noch in bestimmten Situationen, zum Beispiel wenn es um eine Impfung geht: „Wir alle tragen die Veranlagung in uns, diese Angst zu entwickeln. Bei rund einem Viertel der jungen Menschen ist sie so stark ausgeprägt, dass Blutabnahmen, Impfungen, medizinische Eingriffe vermieden werden. Unser Angstsystem im Kopf unterscheidet zunächst nicht zwischen einem kleinen Piks und einer größeren Fleischwunde, es fährt dasselbe Überlebenssystem hoch. Die Alarmanlage Amygdala im Gehirn schießt in Bruchteilen von Sekunden hoch, selbst wenn wir nur an eine Impfung denken und wir versuchen, der Situation auszuweichen“, so Täuber.

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Diese Menschen sind besonders betroffen

Wie bei so vielem sei auch die Angst vor Spritzen sehr individuell. Einige Menschen seien jedoch besonders anfällig, weiß auch der Experte: „Dahinter steckt meist Stress, der über einen erhöhten Stresshormonpegel der Mutter schon vor der Geburt erfahren wurde. Sie seien von Haus aus introvertiert, misstrauisch, pessimistisch. Dann auch Menschen, die schlechte Erfahrungen gemacht hätten. Die erste Impfung, die erste Injektion - vieles kann man da als Kind noch nicht einordnen. Auch Übergriffe und Grenzverletzungen können dazu führen, Impfungen gegenüber Angst zu empfinden“, beschreibt er im Interview mit der „Kronen Zeitung“.

Solche Gefühle kämen daher, dass eine Impfung für Menschen mit Angst eine Form von Kontrollverlust sei. „Jemand anderer dringt mit der Nadel in den persönlichen Bereich ein. Was genau in den Körper wandert und dort wie wirkt, ist für uns nicht erkennbar. Es ist vergleichbar mit Flugangst. Auch da kennen wir die Piloten nicht, haben keinen Einfluss aufs Cockpit, liefern uns einer Situation aus. Angst vorm Fliegen haben viele, aber nur wenige Angst vor der gefährlicheren Autofahrt zum Flughafen. Kontrollverlust bewirkt eine verzerrte Risikoabschätzung“, so der Hirnforscher.

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Gegen Angst vor Spritzen kann man etwas tun

A doctor making a vaccination to a child
Auch Kinder haben häufig Angst vor Spritzen. Der Experte rät, dem Kind den Vorgang mit der Spritze an einem Kuscheltier zu erklären - das kann betroffene Kinder häufig beruhigen.
Konstantin Yuganov, iStockphoto

Wer denkt, dass er oder sie ein Leben lang mit der Angst vor Spritzen klar kommen muss, den kann Marcus Täuber beruhigen: „Wo die Angst ist, ist der Weg. Wenn wir Situationen meiden, vor denen wir Angst haben, wird die Angst nicht besser. Im Gegenteil: Sie schnürt unser Leben wie ein unsichtbarer Faden ein. Bei Kindern, z.B., kann es helfen, mal als Elternteil das Kuscheltier liebevoll mit einer Spritze zu behandeln. Als Jugendliche und Erwachsene, dass wir uns aktiv Bilder von Spritzen ansehen und dabei tief in den Bauch ein- und lange ausatmen. Unsere Amygdala kann sich regelrecht an solche Angstbilder gewöhnen, wenn wir die Atmung im Griff haben und das Gehirn lernt, dass dabei nichts Schlimmes passiert. Auch Meditation ist ein wunderbarer Weg, Ängste zu besiegen. Denn mit ihr lernen wir, unsere Gedanken zu kontrollieren und mehr Gelassenheit zu entfalten“, sagt er gegenüber der „Kronen Zeitung“.

Und bei wem diese Tipps nicht helfen, solle sich laut Experte nicht scheuen, professionelle Hilfe aufzusuchen, denn auch gegen Spritzen-Angst gibt es Therapien, die sehr häufig erfolgversprechend sind. (kse)

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