Seine Überlebenschancen lagen unter 50 Prozent
Nach Organspende: Fünffachvater Hendrik Verst kämpft sich zurück ins Leben
Sie sind schwerkrank und wissen, dass nur noch die Güte eines Fremden sie retten kann: Patienten, die auf ein Spenderorgan angewiesen sind – sonst droht Lebensgefahr. Laut dem Deutschen Ärzteblatt warten aktuell 8.500 schwer kranke Menschen auf ihre zweite Chance. Eine solche zweite Chance hat Influencer und Vater Hendrik Verst (36) aus Düsseldorf, auf Instagram auch als @fitdad_hendrik bekannt, bereits erhalten: Weil seine Leber unbemerkt – und über Jahre hinweg – immer schwächer wird, ist nach einigen gesundheitlichen Auf und Abs klar: Nur noch eine Transplantation kann ihn retten.
Wie es ihm heute geht und wie wichtig Organspender sind, sehen Sie im Video.
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Leberzirrhose im Endstadium und Autoimmunhepatitis: Aus dem Nichts trifft es einen komplett fitten Menschen
Einmal jährlich findet am 4. Juni der Tag der Organspende statt. Ein Tag, an dem bewegende Schicksale im Vordergrund stehen und dem Thema Organspende mehr Aufmerksamkeit zuteil wird. Und das ist nötig, denn: Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) verzeichnete zwischen Januar und April diesen Jahres einen deutlichen Einbruch der potenziellen Spender.
Warum eine Spende so wichtig ist und Leben rettet, möchte auch Familienvater und Blogger Hendrik Verst zeigen. Im RTL-Interview erzählt er: „Es kann jeden treffen; Es passiert von heute auf morgen. Und das muss man sich vor Augen führen: Was, wenn ich plötzlich krank werde? Oder meine Familie, meine Freunde, meine Kinder? Das verändert alles.“
Seine Leidensgeschichte beginnt vor sechs Jahren. Besonders tückisch: Verst weiß zunächst gar nicht, dass er krank ist, denn es zeigen sich keinerlei Anzeichen oder Symptome. „Ich hatte null Beschwerden. Ich war gefühlt kerngesund, sportlich und einfach topfit. Es war alles in Ordnung.“ Bis sein ganzer Körper Weihnachten 2015 plötzlich gelb wird und er sich schlapp fühlt. „Für meine Frau stand sofort fest: Wir müssen ins Krankenhaus. Am zweiten Weihnachtsfeiertag sind wir in die Klinik, und ich wurde über die Notaufnahme stationär aufgenommen.“ Nach mehreren Untersuchungen, die einige Tage andauern, hat Verst endlich Klarheit. Seine Diagnose: Leberzirrhose im Endstadium mit Verdacht auf Autoimmunhepatitis. Heißt: „Mein Immunsystem sieht meine Leber als Fremdkörper und versucht sie abzustoßen, indem es sie nach und nach zerstört. Das ist keine Erbkrankheit, sondern eher eine Laune der Natur, die einfach so kommen kann.“ Besonders problematisch: „Die Leber hat keine eigenen Schmerznerven. Dementsprechend merkt man auch nicht, dass es einem nicht gut geht. Und wenn man es spürt, dann ist es meist schon zu spät, und man kann kaum noch etwas machen.“
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An Silvester wird Verst schließlich von Düsseldorf in die Uniklinik nach Essen verlegt. Schnell wird außerdem klar: Der eigentlich fitte Familienvater braucht ein Spenderorgan. Es beginnt ein steiniger Weg voller Höhen und Tiefen, gepaart mit vielen gesundheitlichen Rückschlägen.
Hendrik Versts Leben verändert sich von heute auf morgen
In der Klinik in Essen findet ein Kennenlerngespräch statt, Untersuchungen werden durchgeführt, und Verst wird medikamentös eingestellt, erhält unter anderem Immunsuppressiva und Cortison. Letzteres sorgt jedoch dafür, dass sich seine Milz stark vergrößert: „Meine Milz ist mittlerweile 28 Zentimeter groß. Normal sind aber eigentlich fünf bis acht Zentimeter. Meine ganze linke Bauchhälfte besteht flächenmäßig nur aus Milz.“ Während also das Leber-Problem sich dank der Ärzte bessert, kommt nun ein weiteres Organ dazu, was nicht so funktioniert, wie es sollte. „Durch die Milz-Vergrößerung kam es zu einer schlechten Durchblutung, viele weiße Blutkörperchen wurden zerstört, was letztendlich in einem Rückstau der Leber endete. Außerdem musste ich regelmäßig zu Untersuchungen und Magenspiegelungen aufgrund der Krampfadern in der Speiseröhre.“
Aber Moment: jetzt auch noch die Speiseröhre? „Wenn diese Krampfadern dort reißen, besteht akute Verblutungsgefahr. Das Risiko bei Leberzirrhose-Patienten wie mir ist sehr hoch.“ Der heute 36-Jährige wird daraufhin engmaschig kontrolliert. Doch so schlimm es um seine Gesundheit auch steht, eine weitere Sache ist besonders bitter für ihn: „Ab dem Zeitpunkt war offiziell, dass ich keinerlei Kontaktsport mehr spielen durfte, denn jede Erschütterung auf die Milz kann dazu führen, dass sie reißt und es zu Blutungen kommt. Für jemanden, der es geliebt hat, Fußball zu spielen oder generell viel Sport zu machen, mit den Kindern zu toben, ist das einfach nur schwer begreiflich.“
Trotz Sorgen und Bedenken lebt Hendrik Verst ganze fünf Jahre „normal“ weiter, trotz einiger gesundheitlicher Strapazen. Bis irgendwann klar ist: Seine Leber dekompensiert und gibt so langsam aber sicher vollständig den Geist auf.

Schlechte Nachrichten: Die Transplantation steht auf der Kippe
„Das war wirklich eine krasse Phase. Ich habe innerhalb von zwei bis drei Wochen 15 bis 17 Kilo an Gewicht verloren. Es war ein unglaublich rapider und extremer Verlauf. Gleichzeitig hatte ich aber einen aufgeblähten Bauch, voll mit acht Litern Wasser. Denn meine Leber konnte nichts mehr verarbeiten, und das Wasser musste über die Arterien in den Körper ausgeschüttet werden.“ Als sei alles nicht schon schlimm genug, bildet sich aufgrund des Rückstaus auch noch eine Thrombose: „Meine Pfortadern, also die Venen, die nährstoffreiches Blut in die Leber transportieren, waren danach fast komplett zu.“ Problematisch, denn: Nur wenn diese einigermaßen frei sind, bekommt der Patient ein Spenderorgan. Und wenn man dann richtig Pech hat, bekommt man kein Spenderorgan. „Das war dann noch eine zusätzliche Belastung on top“, sagt Hendrik Verst im RTL-Interview.
Im Dezember 2020 wird er gelistet, er wird durchgecheckt und bekommt Sonderpunkte wegen der Pfortader-Thrombose, weil die Sterblichkeit so hoch ist: „Am Ende war ich bei einer Überlebenswahrscheinlichkeit von unter 50 Prozent. Da wird einem erst einmal klar, wie schlecht es wirklich um einen steht.“
Nach vier unpassenden Spenderorganen – Hendrik braucht aufgrund seines Alters ein junges UND gutes Organ – kommt am 26. November 2021 der erlösende Anruf: „Bis dahin war es eine psychisch sehr belastende Zeit. Man ist immer nur Zuhause, denn man muss verfügbar sein. Klingelt das Telefon, muss man innerhalb einer Stunde in der Uniklinik sein – sonst hat man keine Chance.“ Seine Frau, die ebenfalls Influencerin ist und unter dem Namen @mathellaslife bloggt und fast 600.000 Follower um sich versammelt, ist sich sicher: Einer erfolgreichen Spende und OP steht diesmal nichts im Weg.
Heute geht es Hendrik Verst gut und betont, wie wichtig die Organspende ist

„Als es dann losging, war es ein krasser Moment. Man freut sich natürlich sehr, aber man bekommt auch große Angst, weil man ja weiß, dass immer ein gewisses Risiko bei einer solchen Transplantation besteht. Und darüber hinaus gibt es ja noch das Risiko, dass der Körper das lang ersehnte Spenderorgan gar nicht annimmt und abstößt. Selbst wenn es funktioniert, hat man drei Monate nach der OP eine Abstoßwahrscheinlichkeit von 30 Prozent“, sagt der 36-Jährige. Doch zum Glück übersteht er die Operation gut – auch wenn es ihm danach sehr schlecht geht und sein Körper schwach ist; an Bewegung ist zu dem Zeitpunkt nicht zu denken.
Es folgt eine engmaschige Nachsorge mit Kontrollen jeglicher Art und im März 2022 kann die Familie endlich aufatmen: „Es ging steil bergauf und ich habe förmlich gespürt, wie die Energie zu mir zurückkommt. Mittlerweile bin ich es, der meine Frau müde macht und am Ende des Tages noch topfit ist. Ich fühle mich wie früher, was ein unbeschreibliches Gefühl ist.“ Die fremde Leber, die er transplantiert bekommt, fühlt sich zu keinem Zeitpunkt fremd für Hendrik Verst an: „Das beschäftigt mich gar nicht, ich bin einfach voller Dank für den Spender.“
Insgesamt sei er einfach froh, leben zu dürfen: „Zwischendurch glaubt man selber nicht mehr dran, dass es klappt. Die Psyche macht dabei ganz viel aus. Auch nach der Transplantation nimmt man Dinge wie Laufen für selbstverständlich, weil man es gewohnt ist. Aber das ist es eben nicht.“ Der Düsseldorfer sieht es als Aufgabe, die Leute auf Instagram aufzuklären; er habe bereits einigen Menschen die Augen geöffnet und ihnen gezeigt, was es tatsächlich ausmacht, wenn man sich dazu entscheidet, seine Organe zu spenden. „Jeder Arzt gibt stets sein Bestes. Aber wenn nichts mehr geht und das Leben nicht gerettet werden kann, dann hat man die Chance, andere Leben zu retten. Für mich ist es daher selbstverständlich, dass man das via Organspende tut. Das macht es allen Menschen gegenüber einfacher.“
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