Das perfide Spiel mit dem Traum der eigenen Wohnung

Fiese Mieter-Abzocke! RTL-Reporterinnen jagen Betrüger

von Michelle Settke, Rebekka Kaiser und Marlena Busch

Diese neue Masche von Mietbetrug wird zu einem deutschlandweiten Problem!
Mehrere hundert Geschädigte, ein finanzieller Schaden in Millionenhöhe. Nach RTL-Extra Recherchen ermitteln jetzt Polizei und Staatsanwaltschaft. RTL hat mit einem Opfer und Ermittlern gesprochen.
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In Maries neuem Zuhause wohnt längst jemand anders

ARCHIV - 23.08.2012, Nordrhein-Westfalen, Köln: Die Fassaden von Wohnhäusern aus der Kölner Südstadt. (zu dpa: «Analyse: Mietanstieg in Metropolen beschleunigt sich») Foto: Oliver Berg/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Der Mietanstieg in Metropolen beschleunigt sich seit Jahren
dpa, Oliver Berg

Zwei Zimmer mit hellem Holzfußboden, eine kleine separate Küche, ein Bad mit Dusche. 53qm im Hamburger Stadtteil Hamm für 840 Euro warm. Als Marie R. (Name geändert) den Mietvertrag für ihre erste eigene Wohnung unterschreibt, hat sie gedanklich schon alles fertig eingerichtet. Sechs Wochen später steht sie zur vereinbarten Schlüsselübergabe vor der neuen Haustür. Sie wartet auf den Immobilienmakler, der am Telefon immer so nett klang. Vergeblich. Denn R.s Mietvertrag ist ein Fake und in ihrem neuen Zuhause wohnt längst jemand anderes. Langsam realisiert sie: Sie ist betrogen worden. Um ihre Traumwohnung und rund 4.000 Euro.

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Marie R. ist eines von Hunderten Opfern einer neuen Betrugsmasche. „Es ist uns nicht bekannt, dass schon einmal mit der gleichen Masche vorgegangen wurde und man ganz Deutschland quasi so abgegrast hat“, sagt Elisa Herbach vom Betrugsdezernat Frankfurt, „der Modus Operandi ist in allen Fällen der gleiche. Wir gehen davon aus, dass es auch die gleiche Tätergruppierung ist“.

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4.000 Euro sind futsch - für immer

ARCHIV - 19.09.2017, Bayern, München: Eine Maklerin spricht mit Interessenten bei einer Wohnungsbesichtigung während im Vordergrund eine Türklinke zu sehen ist. (zu dpa: «Wohnungsbetrug in Frankfurt: Mittlere zweistellige Zahl an Opfern») Foto: Tobias Hase/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Wohnungsbesichtigung (Symbolfoto)
dpa, Tobias Hase

„Wir haben Ihre Bewerbungsunterlagen gründlich geprüft und möchten Sie gerne zu einer kontaktlosen Einzelbesichtigung einladen“, mit dieser Mail fing für Marie R. alles an. Über das Online-Portal einer vermeintlichen Immobilienverwaltung konnte sie einen Termin buchen und bekam anschließend den Zahlencode für eine Schlüsselbox mitgeteilt. Eine Besichtigung ganz ohne Makler. „Die haben damit geworben, dass es natürlich in unserer modernen Welt so einfach praktischer ist“, erinnert sich Marie R. im RTL-Interview.

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Eine halbe Stunde konnte sie die Wohnung allein besichtigen, Fotos machen und alles in Ruhe auf sich wirken lassen. Ein paar Tage später meldet sich der nette Mann von der Immobilienverwaltung telefonisch mit der Zusage. Den Mietvertrag für ihre erste eigene Wohnung kann Marie R. online unterschreiben. Sie überweist 1.920 Euro für die Kaution, 840 Euro für die erste Monatsmiete und 1.000 Euro für Möbel, die sie vom Vormieter übernehmen soll. Als sie bemerkt, dass sie betrogen wurde, gibt es keine Möglichkeit mehr, das Geld zurückzuholen.

Betrüger agieren im Namen von Immobilienfirmen

Ausgestellt wurde der Mietvertrag von einer Immobilienfirma mit Sitz in Essen. Die Website macht einen professionellen Eindruck. Ein Blick ins Handelsregister zeigt: Die Firma existiert wirklich. „Alle Daten stimmen“, sagt Geschäftsführer Dennis Belsky. Trotzdem ist es nicht seine Unterschrift unter den Mietverträgen. Auch mit dem Logo und der Website hat er nichts zu tun. Seine Firma ist so klein, dass sie keine eigene Homepage hat.

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Genau das, so erklärt Belsky im RTL-Interview, hätten die Betrüger ausgenutzt. Eine Internetpräsenz für seine Firma erfunden, Exposés in seinem Namen verschickt und letztlich mehrere Hunderttausend Euro kassiert. Erst als Schadensersatzforderungen in Belskys Briefkasten landen, erfährt er von dem Betrug und erstattet selbst Anzeige. Seine Firma ist nur eine von vielen: Mindestens zehn weitere Immobilienfirmen sind in ähnlicher Weise betroffen.

Wohnungsnot in Großstädten ausgenutzt

Benutzt wurde die Masche in Hamburg, Berlin, Frankfurt und Köln. In jeder Stadt agierten die Betrüger mit mehreren Wohnungen zeitgleich und ohne Wissen der tatsächlichen Eigentümer. „Auf dem Gebiet des Wohnungsmietbetruges ist das schon eine neue Qualität, die die Betrüger da an den Tag gelegt haben“, sagt Christiane Wagner vom LKA in Hamburg. „Vorher haben wir immer gesagt: überweisen Sie kein Geld auf ausländische Bankkonten oder überweisen Sie kein Geld für eine Wohnung, die Sie noch nie in Ihrem Leben gesehen haben und besichtigen durften. Das funktioniert jetzt leider nicht mehr.“

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Marie R. und die anderen Geschädigten überwiesen das Geld an verschiedene deutsche Konten, als Kontoinhaber trugen sie die Namen der angeblichen Immobilienfirmen ein. Was viele nicht wissen: In Deutschland gibt es derzeit keine gesetzliche Verpflichtung für einen Abgleich von Kontoinhaber und IBAN. Mit anderen Worten: Solange die IBAN korrekt ist, kommt das Geld an – egal, wer in der Überweisung als Kontoinhaber eingetragen ist.

Wem die Konten tatsächlich gehören? Darüber bekommen die Geschädigten wegen des Bankengeheimnisses keine Auskunft. Doch selbst der tatsächliche Kontoinhaber führt nicht zwingend zu den Tätern, erklärt Christiane Wagner: „Das funktioniert leider nicht so einfach. Es gibt die Möglichkeit, dass Menschen ohne es zu wissen als Finanzagenten agieren. Das heißt, die haben gegen die Zahlung einer Provision ihr Bankkonto zur Verfügung gestellt und glauben, sie testen eine neue App oder glauben, sie testen die Arbeitsabläufe eines Kreditinstituts. Was Sie nicht wissen, ist, dass Sie den Arbeitsvertrag nicht mit einem seriösen Unternehmen geschlossen haben, sondern mit Betrügern.“

RTL-Recherchen bringen Ermittlungen ins Rollen

Ein halbes Jahr lang haben RTL-Journalistinnen Dokumente, E-Mails und Websites analysiert, um zu verstehen, wie die Betrüger arbeiten und ihre nächsten Schritte vorauszusehen. Verdächtige Wohnungsinserate führen RTL zu Adressen in Düsseldorf und Berlin, wo sie Zeugin der Mietmasche wird. An beiden Wohnungen findet sie Schlüsselboxen und kommt mit Wohnungssuchenden ins Gespräch, die von angeblichen Immobilienfirmen zur Besichtigung eingeladen wurden. Eine monatelange Recherche, die weitere Straftaten verhindern konnte und wegen der jetzt auch Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln.

Die ganze Reportage seht Ihr am Dienstag, 20.02.24, um 22.35 Uhr bei RTL Extra und anschließend auch auf RTL+.