EU plant Sanierungspflicht für Gebäude
Deutsche Mieterbund warnt vor negativen Folgen für Mieter
Die EU-Kommission will mit ihrer Initiative „Fit for 55“ Klimaschutz und bezahlbares Wohnen miteinander verbinden. Das klingt gut, bringt aber offenbar auch große Herausforderungen mit sich. Denn es soll auch eine Sanierungspflicht eingeführt werden für Gebäude, die einen hohen Energieverbrauch haben. Der Deutsche Mieterbund warnt bereits vor einer drohenden Kostenexplosion für Mieter.
EU will Energiekosten eindämmen
Die EU-Kommission schlägt eine Sanierungspflicht für Gebäude vor, die besonders viel Energie verbrauchen - rund 15 Prozent der Bauten in der EU wären davon betroffen. Für EU-Kommissionsvize Frans Timmermans sei das Vorhaben auch mit Blick auf die derzeit hohen Energiepreise zentral. „Millionen Menschen in Europa können ihre Energierechnungen nicht mehr bezahlen, oft leben sie in alten Gebäuden mit hohem Energieverbrauch. Haushalte mit niedrigem Einkommen leiden unter den derzeitigen Preisen ganz besonders. Ein Gebäude mit schlechter Wärmedämmung braucht bis zu zehnmal so viel Wärme wie ein gut isoliertes Haus", erklärte Timmermans.
Laut Berechnungen des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GDW) ginge es in Deutschland um drei Millionen Gebäude. Öffentliche und nicht bewohnte Bauten sollen laut dem Vorschlag bis 2027, Wohnungen und Häuser bis 2030 renoviert werden. Alle Neubauten müssten ab 2030 komplett klimaneutral sein, also keine Treibhausgase mehr ausstoßen.
Aus Sicht der Kommission könnten Mieter durch niedrigere Heizkosten von den Reformen profitieren. Gelder für die Sanierungen sollen unter anderem durch einen Klimasozialfonds bereitgestellt werden.
Mieterbund warnt vor erheblichen Kosten für Mieter
Der Deutsche Mieterbund warnt allerdings vor Belastungen für Mieter durch die von der EU-Kommission geplante Sanierungspflicht für bestimmte Gebäude. „Den Vermietern entstehen durch die Sanierung erhebliche Kosten, die sie auf die Mieter umlegen werden“, sagte Verbandspräsident Lukas Siebenkotten der „Bild“. „Die Folge: Die Mieten werden steigen.“ Zwar gebe es rechtliche Regelungen, die den Mietenanstieg begrenzten. Aber: „Die müssen konsequent beachtet und angewandt werden.“ Die Politik müsse zudem mehr Geld für die Investitionen zur Verfügung stellen.
Auch die Wohnungswirtschaft sieht das Vorhaben nicht nur kritisch, sondern auch so nicht umsetzbar. „Eine faktische Sofort-Verdoppelung der Sanierungsrate ist unter den aktuellen Bedingungen von knappen Handwerkskapazitäten sowie angesichts Materialmangel und -verteuerung absolut realitätsfern“, erklärt Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW. Und auch er gibt zu bedenken: „Der zunehmende Nachfragedruck wird die Preise weiter hochtreiben.“
Der Verband der Haus- und Wohnungseigentümer „Haus & Grund“ hält die geplante Richtlinie ebenfalls für nicht umsetzbar. „Die neue Richtlinie der Europäischen Union ist ein Werk von Menschen, die offensichtlich noch nie ein Gebäude modernisiert haben“, erklärte Verbandspräsident Kai Warnecke gegenüber RTL/ntv. Er äußerte starke Zweifel, ob sich die energetischen Mindestanforderungen bei vielen Gebäuden überhaupt technisch umsetzen ließen und ob ausreichend handwerkliche Ressourcen zur Verfügung stehen.
Bundesbauministerin Klara Geywitz: „Bauen ist der graue Elefant in der Klimawende“
Der Gebäudesektor ist laut Umweltbundesamt für etwa 30 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Der Bereich hat 2020 als einziger Sektor sein Klimaschutzziel verpasst. Gerade alte und unsanierte Gebäude verbrauchen viel Energie. Neubauten wiederum verursachen viele Treibhausgase, die etwa bei der Herstellung und beim Transport von Materialien wie Beton, Stahl und Zement entstehen.
Bundesbauministerin Klara Geywitz betonte am Freitag die Notwendigkeit von Klimaschutz-Fortschritten im Bausektor. „Bauen ist der graue Elefant in der Klimawende“, sagte die SPD-Politikerin im ZDF-“Morgenmagazin“. „Das hat ein riesiges Einsparpotenzial aus meiner Sicht, aber es bewegt sich noch zu wenig.“
Ein wichtiger Punkt sei die Stärkung der deutschen Bauforschung - man brauche innovative Baumaterialien. „Die Diskussion Holz statt Beton ist 'ne spannende, aber alleine mit Holz wird's nicht gehen“, sagte Geywitz. „Wir müssen auch die herkömmlichen Materialien klimafreundlicher herstellen.“
Sie wisse, dass die Bauindustrie „mit Sorge auch ein bisschen auf die höheren Klimaschutzstandards schaut“. „Deswegen sage ich: Wir müssen diesen Prozess auch als Chance begreifen.“ Man könne ihn nicht vermeiden, „wir müssen klimafreundliches Bauen machen“, betonte Geywitz. „Aber das kann auch 'ne gute Möglichkeit sein, die eh schon sehr hohe Qualität der deutschen Bauindustrie einfach nochmal um eine sehr fortschrittliche, innovative Komponente zu ergänzen, die dann auch unglaublich exportfähig ist.“ (dpa/aze)