„Übelkeit, Schlafstörungen, Herzrasen“

„Energy Sniffs“ sehen aus wie Koks: Experten warnen vor Koffein-Pulver für Jugendliche

14.07.2023, Baden-Württemberg, Stuttgart: Zahlreiche Frauen genießen den Abend und tanzen beim Debüt der Party-Reihe "Mama geht tanzen" im Club ·Schocken· in der Stuttgarter Innenstadt. Feiern, wenn die Kinder schlafen - das hat die Party-Reihe «Mama geht tanzen» am Freitagabend zum ersten Mal Müttern in Baden-Württemberg ermöglicht. Foto: Christoph Schmidt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Die Koffein-Pulver sollen dabei helfen, länger wach zu bleiben.
cdt geo, dpa, Christoph Schmidt
von Julia Jaegler und Lauren Ramoser

Geldschein einrollen, Pulver als Linie hinlegen und durch den Schein in die Nase ziehen. Nein, hier geht es nicht um Kokain, sondern um ein Aromapulver mit Koffein und einer Kräutermischung. Die Werbung der Unternehmen zeigt junge Menschen, die ausgelassen mit den Pulvertütchen wedeln. Die Verbraucherzentrale München und Mediziner Dr. Christoph Specht warnen vor den Energy-Kicks aus Österreich.
Was die Hersteller Geiles Zeug, WP und Wildkraut zu den Vorwürfen sagen, lesen Sie am Ende des Textes.

Energy-Pulver-Hersteller "spielen" mit gefährlichem Drogenimage - sind aber legal

In mehreren Videos konsumieren junge Menschen ein weißes Pulver, ziehen es durch einen zusammengerollten Geldschein oder schniefen es von einem kleinen Löffel. Die Stimmung scheint ausgelassen, es werden Szenen aus Clubs eingespielt. Dass hier an die Drogen Kokain und Speed erinnert werden soll, ist offensichtlich.

Was in den Werbespots befremdlich aussieht, ist zwar ethisch fragwürdig, rechtlich aber legal. Laut Herstellern sind Koffein, Taurin und verschiedene Aromastoffe in den Pulvern enthalten.

„Koffein und Taurin sind als Nahrungsergänzungsmittel zugelassen, nur die Art der Zuführung ist natürlich nicht so, wie man sich das eigentlich vorstellt. Denn Lebensmittel werden üblicherweise gegessen und nicht eingeatmet“, erklärt Dr. Christoph Specht die Grauzone, in der die Energie-Pulver vertrieben werden.

Dennoch seien die Pulver gefährlich – und zwar aus zweierlei Gründen.

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Im Video: Wie die Industrie Eltern bei Kinder-Snacks an der Nase herumführt

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Das größte Problem: Junge Menschen schnupfen weißes Pulver

Für den Allgemeinmediziner sind zwei Aspekte gefährlich – vor allem für junge Menschen. Zwar weisen die Hersteller darauf hin, dass Kinder und Jugendliche die Pulver wegen des hohen Koffeingehalts nicht konsumieren sollten. Die Werbekampagnen mit jungen Leuten sprechen aber deutlich genau diese Zielgruppe an.

„Aus meiner Sicht ist das allergrößte Problem, dass es geschnupft wird“, ordnet der Mediziner ein. „Es soll unglaublich cool aussehen, wenn man sich in der Öffentlichkeit mit einem Geldschein dieses Pülverchen in die Nase ziehen soll“, beschreibt Specht den Marketing-Trick der Firmen. „Und das halte ich für das Riesen-Problem.“

Natürlich heiße das nicht, dass junge Menschen reihenweise zu Kokain-Schnupfern werden, so Specht. Doch es verharmlose den Konsum von schweren Drogen. „Es ist ganz klar eine Anspielung auf Drogenkonsum“, bestätigt auch Jutta Saumweber, Referatsleiterin Lebensmittel und Ernährung der Verbraucherzentrale München, im Gespräch mit RTL.

Und ungefährlich sei das Schnupfen dieser Pulver bei Weitem nicht.

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Viele mögliche Nebenwirkungen von Energy Sniffs und die Nasenschleimhäute sind in Gefahr

„Die Schleimhäute können auf Dauer Schaden nehmen“, sagt Specht. Zudem sei ein Tütchen schwer zu dosieren. „Wir empfehlen nicht mehr als 1g pro Tag“, heißt es auf der Website von Geiles Zeug. Das ist allerdings nicht leicht zu dosieren, da ein Tütchen für bis zu „10x Energie für eine geile Zeit“ ausreiche. Zumal sei wichtig zu wissen, dass Konsumenten dadurch konzentriertes Koffein zu sich nehmen. Und genau wie Kaffee könne auch der Effekt der Pulver zu einer psychischen Abhängigkeit führen.

Die Verbraucherzentrale sieht durch das schwere Dosieren noch ganz andere Probleme auf Konsumenten zukommen: „Herzrasen, Bluthochdruck, Nervosität, Schlafstörungen, Übelkeit“, zählt Jutta Saumweber auf und macht deutlich: „Ich würde absolut abraten, die Energy-Snifs zu konsumieren.“ Ein Grund dafür sei auch, dass die über das Internet vertriebenen Pulver bislang kaum untersucht worden seien. Alle drei Unternehmen versichern auf Nachfrage, dass die Produkte „toxikologisch“ und durch „einschlägige Institutionen“ auf ihre Produktsicherheit untersucht seien.

Wer das Pulver durch einen gerollten Geldschein ziehen sollte, setzt sich einer weiteren Gefahr aus. „Ein Geldschein ist alles andere als hygienisch. Die Schmierinfektionen mit Viren und Bakterien werden hier in höherer Dosis direkt an die Schleimhäute gebracht“, erklärt Specht.

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Das sagen die Energy-Sniff-Unternehmen WP, Wildkraut und Geiles Zeug zu den Vorwürfen

„Wir verstehen Ihre Bedenken aufgrund der äußerlichen Ähnlichkeit von ‘WP Energy Sniff’ zu Substanzen wie Kokain“, schreibt ein Sprecher des Unternehmens auf RTL-Nachfrage und weiter: „Jegliche Assoziation zum Drogenmilieu weisen wir entschieden zurück.“

Auch die Wildkraut GmbH lehnt auf Nachfrage „grundsätzlich jeglichen Drogenmissbrauch ab“. Die Ähnlichkeit zum Kokain-Konsum sieht das Unternehmen nicht. Viel mehr ähnele „die Aufnahmeform unseres Produkts [...] jener des Schnupftabaks“, der „seit langer Zeit von Bergbauern und Hirten geschnupft“ werde.

Auch ein Sprecher von Geiles Zeug beruft sich darauf, dass „das Schnupfen von Schnupftabak in Europa bereits seit dem 17. Jahrhundert vollkommen legal praktiziert“ werde.