13-Jährige starb auf Klassenfahrt in London - Prozess in MönchengladbachAls Emilys Vater die Nachricht ihrer Mitschülerin hört, muss er weinen

Vater
Kay Schierwagen mit seiner Tochter Emily
von Valerio Magno und Ulrich Vonstein

Könnte Emily noch leben? Und wer ist schuld am Tod der 13-Jährigen, die auf einer Klassenfahrt starb?
Zwei Lehrerinnen müssen sich vor dem Landgericht Mönchengladbach verantworten. Die Pädagoginnen haben im Juni 2019 eine Klassenfahrt nach London begleitet, in deren Verlauf die an Diabetes leidende Schülerin starb. RTL hat Emilys Vater Kay Schierwagen auf seinem schweren Weg zum Prozess begleitet.

Staatsanwältin „Emilys Leben hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gerettet werden können"

Schierwagen
Kay Schierwagen am ersten Prozesstag im Landgericht Mönchengladbach

Die Anklage wirft den 34 und 60 Jahre alten Frauen vor, sie hätten vor der Fahrt nicht ausdrücklich nach den Vorerkrankungen der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler gefragt. Mit gravierenden Folgen. „Das Leben von Emily hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gerettet werden können, wäre sie früher ins Krankenhaus gekommen“, sagt die Staatsanwältin.

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Allerdings hatten Emily und ihre Angehörigen den Ermittlungen zufolge vor der Studienfahrt nicht über die Diabeteserkrankung informiert, so dass die Angeklagten davon nichts wussten. Während der Fahrt habe sie demnach die nötigen Blutzuckermessungen und die Insulinzugabe vernachlässigt. Das führte zu einer stetigen Verschlechterung ihres Zustandes. Sie kam am Abreisetag der Schülergruppe in London ins Krankenhaus, wo sie einen Tag später starb.

Das sagt Kay Schierwagen zum Diabetes-Tod seiner Tochter auf der Klassenfahrt

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Schulkameradin: „Wir werden (...) bei Emily bleiben müssen. Ihr geht es richtig scheiße“

Vor Gericht erschienen die Lehrerinnen mit tief ins Gesicht gezogenen Kapuzen und Mundschutz. Beide wollten zunächst nicht aussagen, gaben aber kurze persönliche Erklärungen ab. Die 60-Jährige sprach von einem „Schicksalsschlag“ auf der Reise. Die jüngere Pädagogin sagte, es sei schwer zu ertragen, dass bei der Fahrt ein junger Mensch gestorben sei.

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Emilys Vater Kay Schierwagen erlebt an diesem ersten Prozesstag eine emotional schwierige Situation, als im Gericht eine Sprachnachricht abgespielt wird. Sie wurde von einer Schulkameradin Emilys verschickt, die bei der Reise dabei war. Darin sagt sie: „Wir werden wahrscheinlich wie üblich bei Emily bleiben müssen. Ihr geht es richtig scheiße, sie muss sich permanent übergeben“, sagt sie.

„Ihre Augen fallen permanent zu. Sie nimmt fast nichts zu sich. Sie ist nicht in der Lage zu reden“

Weiter berichtet das Mädchen, das Emily nur liege, ständig einschlafe. „Ihre Augen fallen permanent zu. Sie nimmt fast nichts zu sich. Sie ist nicht in der Lage zu reden“, geht es weiter. Emily könne weder allein aufzustehen noch sich anziehen oder allein die Zähne zu putzen. „Wir passen die ganze Zeit auf sie auf. (…) Wir sind doch keine Lehrer. (…) Die haben doch die Aufsichtspflicht zu gucken, dass den Kindern gut geht vor allem.

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Als Schierwagen diese Worte über Lautsprecher im Gerichtssaal hört, kommen ihm die Tränen. Er hält sich ein Taschentuch vors Gesicht. Für RTL-Reporter Valerio Magno ist es das erste Mal, dass er den sonst so gefassten Mann weinen sieht. „Noch einmal zu hören, wie sehr meine Tochter leiden musste, das so extrem laut nochmal zu hören, das hat mich sehr traurig gemacht“, vertraut der dem Reporter anschließend an.

Prozess um Emilys Tod ging jahrelanger juristischer Streit voraus

Der Prozess begann nach jahrelangem juristischem Streit. Schierwagen hatte bei der Staatsanwaltschaft eine Wiederaufnahme der Ermittlungen durchgesetzt und auch erwirkt, dass der Fall vor dem Landgericht verhandelt wird.

Im Fall eines Schuldspruchs reicht das Strafmaß von einer Geldstrafe bis zu fünf Jahren Haft. Bis in den Mai sollen Sachverständige und viele Zeugen gehört werden. Darunter sind Lehrer, Emilys Eltern sowie Mitschüler. (mit Material von dpa)