Ein Jahr nach George Floyds Tod

Jetzt lernen US-Polizisten, wie Einsätze ohne schießen ablaufen

Polizei in den USA
Die Polizei-Akademie in Seattle im US-Bundesstaat Washington unterrichtet angehende Polizisten jetzt intensiver zum Thema Schießen.

Fast alle Polizeibehörden in den USA arbeiten eigenständig

von Oliver Beckmeier

Am 25. Mai 2020 starb der Afroamerikaner George Floyd, als ihm ein weißer Polizist mehr als neun Minuten lang sein Knie in den Nacken drückte. Seitdem wird intensiv über die Ausbildung der Polizisten gestritten. Denn die dauert im Schnitt nur 19 Wochen. Und die Unterschiede sind groß, denn die 18.000 Polizeibehörden in den USA handeln weitgehend eigenständig.

US-Polizeiausbildung dauert im Schnitt nur 19 Wochen

Polizist beim Training
Polizei-Training in den USA.

Wir sind in einer Polizei-Akademie in Seattle, im US-Bundesstaat Washington. Zwei Polizisten stoppen ein verdächtiges Auto. Ein Szenario, wie es sich in der Realität täglich hunderte Male ereignet. In diesem Fall ist es eine Übung. „Raus aus dem Auto,“ ruft der Polizist, während sein Partner den Fahrer auffordert, sitzen zu bleiben. Die Situation eskaliert: Der Fahrer ist durch die verschiedenen Anweisungen verwirrt und zieht plötzlich einen Gegenstand aus der Hosentasche. Die Polizisten schießen – der Fahrer stirbt.

45 Polizisten wurden in den USA im vergangenen Jahr durch Schüsse getötet. Zum Vergleich: 2020 wurden etwas mehr als 1.000 Menschen von Polizisten erschossen. Schießen ist der Schwerpunkt der Polizei-Ausbildung in Amerika. Und die Länge der Ausbildung ist von Bundesstaat zu Bundesstaat verschieden: Während sie in Kalifornien 32 Wochen dauert, kann in Indiana jeder – ohne formale Ausbildung – Polizist werden. Man muss lediglich im ersten Jahr eine Schulung nachholen.

Völliges Polizei-Versagen im Fall Floyd

Taser
Im Mittelpunkt der Ausbildung von Polizisten in den USA steht die Schusswaffe.

Deeskalations-Taktiken werden generell kaum vermittelt. Daher glauben viele Polizisten, dass angespannte Situationen nur mit Gewalt zu lösen sind, erklärt Ausbilder Richard Lee. „Wir wollen dieses Denken ändern. Wir wollen mehr kommunizieren. Verdächtige müssen mit Respekt behandelt und nicht vorverurteilt werden. Und vor allem wollen wir ruhig und kontrolliert agieren.“

Denn all das sei im Fall von George Floyd nicht passiert. Mit dem richtigen Training, das jährlich aufgefrischt und überprüft wird, wäre die Situation im vergangenen Jahr nicht so außer Kontrolle geraten, glaubt Lee. Daher werden Polizeischüler wie Philip Wilkening nun voll auf Deeskalation geschult.

„Ich gehe künftig lieber einen Schritt zurück und bewerte die Lage neu, anstatt vorzupreschen, um dann Fehler zu machen, die zu Gewalt führen oder sogar in einer Schießerei enden“, sagt er. Genau das trainieren die Polizisten in Seattle. Ruhe bewahren, nicht schreien, ein Beamter übernimmt die Kommunikation und macht klare Ansagen. So bleibt die Situation am Ende gewaltfrei.

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US-Polizisten haben Vertrauen in die neuen Taktiken

Polizei-Akademie in Seattle.
Polizisten der Akademie in Seattle trainieren.

Dennoch sehen viele Polizisten die neuen Methoden kritisch, sagt Ausbilder Lee. Es fehlt das Vertrauen – in genau die Taktiken, mit denen die Polizisten eigentlich das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen wollen.

Besseres Training allein wird daher nicht das Gesamtproblem der Polizei-Gewalt in den USA lösen. Aber es wäre immerhin ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.

Video zeigt George Floyds Festnahme: Er wehrte sich nicht

Videos dokumentieren, wie Polizisten den unbewaffneten George Floyd zu Boden drückten. Der des Mordes schuldig gesprochene Derek Chauvin presste dabei sein Knie gut neun Minuten lang auf den Hals des Mannes, während dieser flehte, ihn atmen zu lassen. Floyd verlor dadurch das Bewusstsein und starb.

Video zeigt George Floyds Festnahme hinter dem Auto Afroamerikaner wehrte sich nicht
00:37 min
Afroamerikaner wehrte sich nicht
Video zeigt George Floyds Festnahme hinter dem Auto

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