Mittel könnte Millionen Menschenleben pro Jahr retten

Forscher entwickeln Super-Spray! Ist das der Durchbruch im Kampf gegen Krankenhauskeime?

Antibiotikaresistenzen stellten heute eine der größten gesundheitlichen Herausforderungen in Europa dar.
Antibiotikaresistenzen stellten heute eine der größten gesundheitlichen Herausforderungen in Europa dar.
Armin Weigel, picture alliance, dpa

Jedes Jahr sterben laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) Millionen Menschen an den Folgen von Keimen, die gegen Antibiotika resistent sind. Forscher der Chalmers University of Technology in Schweden haben nun ein Spray entwickelt, das im Kampf gegen multiresistente Keime alles bislang Dagewesene in den Schatten stellen könnte.

WHO: Antibiotikaresistenz zählen zu den zehn größten Bedrohungen für die globale Gesundheit

Rund 1,3 Millionen Menschen starben 2019 einer Schätzung zufolge weltweit unmittelbar an einer Infektion mit einem Antibiotika-resistenten Erreger. Bei knapp fünf Millionen Todesfällen war eine entsprechende Infektion zumindest mitverantwortlich für den Tod, wie eine internationale Experten-Gruppe im Fachmagazin „The Lancet“ berichtet. Damit gehören Antibiotika-Resistenzen zu den zehn häufigsten Todesursachen weltweit.

Angesichts dessen stuft die WHO die Antibiotika-Resistenz als eine der zehn größten Bedrohungen für die globale Gesundheit ein. Und folglich besteht ein großer Bedarf an neuen Lösungen, um resistente Bakterien zu bekämpfen und den Einsatz von Antibiotika zu reduzieren.

Vor diesem Hintergrund weckt das neue Spray, das eine Gruppe von Forschern der Chalmers University of Technology in Schweden nun vorgestellt hat, große Hoffnungen. Es kann selbst antibiotikaresistente Bakterien abtöten. Zudem kann es sowohl zur Wundpflege als auch direkt auf Implantaten und anderen medizinischen Geräten eingesetzt werden.

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Worauf Sie achten müssen Multiresistente Keime
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Doppelte Wirkung im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen

„Unsere Innovation kann eine doppelte Wirkung im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen haben. Das Material ist nachweislich gegen viele verschiedene Arten von Bakterien wirksam, auch gegen solche, die gegen Antibiotika resistent sind, wie zum Beispiel Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA)“, sagt Martin Andersson, Forschungsleiter der Studie und Professor am Fachbereich Chemie und Chemieingenieurwesen in Chalmers. MRSA ist auch als Krankenhauskeim bekannt und für viele gefährlichen Infektionen verantwortlich. Die Keime stellen vor allem für Ältere und Menschen mit geschwächtem Immunsystem eine große Gefahr dar.

Doch nicht nur vor MRSA könnte das Spray schützen: Das Material habe auch das Potenzial, Infektionen vorzubeugen und damit den Bedarf an Antibiotika zu verringern. Das Material besteht dabei aus kleinen Hydrogelpartikeln, die mit einer Art von Peptid (kleineres Eiweiß) ausgestattet sind, das Bakterien wirksam abtötet und bindet. Wenn die Peptide auf eine offene Wunde aufgebracht werden, greifen sie die äußere Hülle der Bakterien an. Dadurch verhindern sie einerseits eine Infektion und beugen andererseits Resistenzen vor.

Ihre Ergebnisse haben die Forscher nun im Fachmagazin „International Journal of Pharmaceutics“ veröffentlicht.

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Antibiotika gelten als Wunderwaffe im Kampf gegen Bakterien. Doch Ärzte erleben immer öfter, dass die Wunderwaffe nicht mehr wirkt.
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Bakterientötende Wirkung der Materialien hält bis zu 48 Stunden an

Die Nutzung von antimikrobiellen Peptiden wird schon seit Jahren erforscht. Bislang scheiterte deren Einsatz aber an der Tatsache, dass sich Peptide rasant abbauen, wenn sie mit Körperflüssigkeiten wie beispielsweise Blut in Kontakt kommen. Daher wären sie nach dem Aufbringen auf die Wunde schnell wirkungslos.

Den Wissenschaftler der Chalmers Universität ist es jedoch gelungen, ein Hydrogel zu entwickeln, in welchem sie die Peptide an Partikel gebunden haben. Dadurch bleibt die vorteilhafte Wirkung der Peptide erhalten. Sowohl für das Spray als auch für die Beschichtung konnten sie messen, dass die bakterientötende Wirkung der Materialien bei Kontakt mit Körperflüssigkeiten bis zu 48 Stunden und ohne Kontakt mit Körperflüssigkeiten bis zu einigen Jahren anhält.

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Jetzt ist Ihre Meinung gefragt

Tötet Bakterien ab, ohne die Wundheilung zu beeinträchtigen  

Bereits in früheren Studien konnten die Forscher zeigen, wie die Peptide für Wundversorgungsmaterialien wie Wundauflagen verwendet werden können. Nun haben sie zwei neue Studien veröffentlicht, in denen das bakterientötende Material in Form eines Wundsprays und als Beschichtung von Medizinprodukten, die in unseren Körper eingeführt werden, verwendet wird. Das erweitert die Einsatzmöglichkeiten enorm.

Das Wundspray, das in tiefe Wunden und andere offene Körperstellen, in die Bakterien eindringen können, eingebracht werden kann, kann Infektionen verhindern und heilen. „Die Substanz in diesem Wundspray ist völlig ungiftig und greift die menschlichen Zellen nicht an. Im Gegensatz zu bestehenden bakterientötenden Sprays hemmt es den Heilungsprozess des Körpers nicht“, erklärt Edvin Blomstrand, ein Doktorand am Fachbereich Chemie und Chemieingenieurwesen der Chalmers University of Technology und einer der Hauptautoren des wissenschaftlichen Artikels. Die Materialien, die einfach auf die Wunde gesprüht werden, könnten die Bakterien zudem auch in kürzerer Zeit abtöten.

Bei Behandlungen, bei denen Materialien wie Implantate und Katheter in unseren Körper eingeführt werden, stellen mögliche Infektionen ein großes Problem dar. Daher besteht ein großer Bedarf an neuen antibakteriellen Biomaterialien, an Materialien also, die Organe, Gewebe oder Funktionen in einem biologischen Körper behandeln, ersetzen oder verändern. Dazu zählen beispielsweise Zahnimplantate oder ein künstliches Hüftgelenk.

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99,99 Prozent der Bakterien werden durch das Hydrogel abgetötet

Eine der Hauptursachen für Krankenhausinfektionen ist zudem die Verwendung von Blasenkathetern. Die neuentwickelte Beschichtung der Forscher könnte ein wirksames neues Instrument zur Verringerung dieses Risikos und zur Vermeidung von Infektionen sein.

„Obwohl die Katheter beim Auspacken steril sind, können sie beim Einführen in den Körper mit Bakterien kontaminiert werden, was zu einer Infektion führen kann. Ein großer Vorteil dieser Beschichtung ist, dass die Bakterien abgetötet werden, sobald sie mit der Oberfläche in Berührung kommen. Ein weiterer Vorteil ist, dass sie auf bestehende Produkte, die bereits im Gesundheitswesen verwendet werden, aufgebracht werden kann, so dass keine neuen Produkte hergestellt werden müssen", sagt Annija Stepulane, Doktorandin am Fachbereich Chemie und Chemieingenieurwesen in Chalmers und eine der Hauptautoren des Artikels.

Im Rahmen der Studie konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass 99,99 Prozent der Bakterien durch das Material abgetötet werden und dass die bakterientötende Wirkung etwa 48 Stunden lang anhält, was den Einsatz in einer Vielzahl von klinischen Anwendungen ermöglicht. Da die Materialien ungiftig sind, können sie direkt am oder im Körper verwendet werden, um eine Infektion zu verhindern oder zu heilen, ohne den natürlichen Heilungsprozess zu beeinträchtigen. Die Ergebnisse stimmen hoffnungsvoll: Ob das Wundspray tatsächlich den Durchbruch im Kampf gegen multiresistente Keime bedeutet, bleibt aber abzuwarten. (nri).

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