Drei Flüchtlingsgenerationen erzählen: Das macht der Krieg in der Ukraine mit mir

„Dieses Gefühl, als Kind schutzlos zu sein, vergisst man nicht"

Er floh 2015 aus Syrien, jetzt hilft er Geflüchteten aus der Ukraine.
Anas Alakkad (29) floh 2015 aus Syrien, jetzt hilft er Geflüchteten aus der Ukraine.
privat, privat, privat
von Tim Hofmann

Zerbombte Wohnhäuser, Mütter mit ihren Kindern auf der Flucht: Die furchtbaren Bilder aus der Ukraine sind seit Wochen überall präsent. Für manche Menschen sind diese Aufnahmen weit mehr als nur Nachrichtenmeldungen, denn auch sie mussten ihre Heimat aufgrund eines Krieges verlassen.
Drei Flüchtlingsgenerationen berichten, was der Krieg in der Ukraine bei ihnen auslöst.
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„Ich habe die gleichen Bilder gesehen, die wir damals auch erlebt haben“

Anas Alakkad (29) musste 2015 sein Heimatland Syrien verlassen, um dem Krieg zu entkommen. Heute lebt er im Saarland und steht kurz vor Abschluss seines Studiums. Für den Studenten, der momentan ein Auslandssemester in Polen absolviert, stand schnell fest, dass er den ukrainischen Flüchtlingen helfen möchte.

„Man sieht die gleichen Gefühle, die wir damals erlebt haben.“ Seine Erfahrungen will er nun weitergeben. „Jetzt auf der anderen Seite zu sein, den Menschen ihre Fragen zu beantworten: Das ist eine einzigartige Perspektive.“

Mit einem Netzwerk von Freiwilligen in Deutschland und Polen organisiert er seit fünf Wochen Hilfsgüter- und Personentransporte, vermittelt Schlafplätze und übersetzt. Erinnerungen an seine Flucht holen ihn nun wieder ein.

„Als wir bei den temporären Unterkünften angekommen sind, da habe ich die gleichen Bilder gesehen, die wir damals auch erlebt haben. Es war nur eine andere Sprache und andere Gesichter als damals. Die Ängste, die Unsicherheit: Das haben wir gemeinsam.“

Es gebe aber auch Unterschiede, die Alakkad zwischen heute und damals wahrnimmt. „Wenn jemand 2015 einen Flüchtling von Polen nach Deutschland holt, war das etwas Kriminelles. Heutzutage ist es eine Heldentat.“ Doch darum gehe es ihm nicht, sagt er. „Wir machen das so lange, wie Leute unsere Hilfe brauchen“.

„Dieses Gefühl, als Kind schutzlos zu sein, vergisst man nicht"

Mitra Afhami erlebte als Kind Bombenangriffe auf ihre Heimat.
Mitra Afhami erlebte als Kind Bombenangriffe auf ihre Heimat Teheran. "Die Sirene ging los, wir mussten in den Keller und dort noch eine Mathearbeit schreiben."
privat, privat, privat

Mitra Afhami (54) ist mit 16 Jahren aus dem Iran nach Deutschland gekommen. Einen Asylantrag hat sie damals nicht gestellt, sie selbst beschreibt sich als Exil-Iranerin. „Es ist so wertvoll, in Freiheit zu leben“, sagt Afhami heute. Durch die Bilder aus der Ukraine werden Kindheitserinnerungen wieder lebendig.

„Als ich in der achten Klasse war, begann der Iran-Irak-Krieg und Teheran wurde bombardiert. Die Sirene ging los, wir mussten in den Keller und dort noch eine Mathearbeit schreiben. Dieses Gefühl, als Kind schutzlos zu sein, vergisst man nicht.“

Die deutsche Sprache lernen, eine angemessene Arbeit finden und ein Teil der Gesellschaft werden: Afhami weiß aus eigener Erfahrung, dass die Integration in Deutschland nicht immer einfach ist. Mit Blick auf die jetzige Lage ist sie aber optimistischer: „Die deutsche Gesellschaft ist in den vergangenen 20 Jahren viel offener geworden. Ich kann mir vorstellen, dass es leichter für die ukrainischen Menschen wird.“

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Flucht aus Schlesien: "Wir Kinder hatten erstmal keine Ahnung, für uns war das ein Abenteuer"

Heinz Fuhrmann (Name auf Wunsch geändert) gehört zu einer dritten Generation von Kriegsflüchtlingen. Als kleiner Junge floh er 1945 mit seiner Mutter und seinen Geschwistern aus Schlesien (heutiges Polen) in Richtung Westen.

„Wir Kinder hatten erstmal keine Ahnung, für uns war das ein Abenteuer. Ich habe meiner Mutter auf den Füßen gestanden und gefragt: Wann flüchten wir denn endlich?“

Aus heutiger Sicht könne er die Situation der ukrainischen Mütter mit ihren Kindern auf der Flucht besser einordnen. „Was meine Mutter geleistet hat, und was die Frauen heute in der Ukraine leisten – ich kann das ein wenig nachempfinden.“

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