Privaten Organisationen geht das Geld aus

Bundesregierung will zwei Millionen für Seenotrettung geben - reicht das?

Die Sea Eye 4 im Hafen der spanischen Kleinstadt Burriana.
Die Sea Eye 4 im Hafen der spanischen Kleinstadt Burriana.
Lukas Wilhelm, RTL

Private Seenot-Rettungsorganisationen leiden seit einigen Jahren unter einem Rückgang der Spendensummen. Damit die teuren Missionen auch in Zukunft möglich sind, will die Bundesregierung mit zwei Millionen Euro finanziell unterstützen. Reicht das?

Der erste Einsatz des Jahres

Das Zentrum der Seenotrettung im Mittelmeer ist ein kleiner, verschlafener Hafen in Spanien. Rund 60 Kilometer nördlich von Valencia reihen sich vier Schiffe aneinander. Im milden spanischen Winter werden sie repariert, beladen und die Crews trainieren für kommende Einsätze.

Hier in Burriana sind die Schiffe dem Hafenmeister willkommen und die Liegeplätze günstig. Durch das Hafenbecken fahren zwei kleine Beiboote, sie gehören zur Sea Eye 4. An Bord ist das Einsatzteam der Organisation. Ausgestattet mit Dutzenden Schwimmwesten und einem schwimmenden Dummy trainieren sie die Rettung von Flüchtlingen auf hoher See. Es sind die letzten Vorbereitungen für die Crew. Morgen bricht das Rettungsschiff zu seiner ersten Mission in diesem Jahr auf.

Bundesregierung will helfen

Dass die vierwöchige Mission überhaupt stattfinden kann, verdankt Sea Eye einem Anstieg der Spenden in der Weihnachtszeit. Die teuren Einsätze zu finanzieren, sei immer schwieriger, erklärt Maximilian James, Sprecher der Organisation. Die kommenden vier Wochen auf See werden rund 230.000 Euro kosten. Treibstoff, Verpflegung und Instandhaltung des Schiffs sind kostspielig. „Uns fehlt das Geld, um noch häufiger auf Mission zu fahren und unserem Auftrag nachzukommen, Menschenleben zu retten“, sagt James.

Um die private Seenotrettung im Mittelmeer aufrecht zu erhalten, will die Bundesregierung ab diesem Jahr zwei Millionen Euro an Fördergeldern an den Dachverband United4Rescue zahlen. Diese Organisation unterstützt drei Rettungsschiffe. Die Sea Watch, die Humanity und die Sea Eye. Aus Sicht von Sea Eye ein „wichtiger erster Schritt“, doch ausreichend sei das nicht.

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Seenotretter beklagen zu geringe Hilfsgelder

„Wir allein haben jährliche Kosten von drei Millionen Euro, und wir sind nur eine von mehreren Organisationen, die im Mittelmeer aktiv sind“, erklärt James. Gering erscheint die jährliche Summe von zwei Millionen auch im Vergleich mit staatlichen Förderungen aus der Vergangenheit. 2013 und 2014 investierte Italien neun Millionen Euro pro Monat in die staatliche „Mare Nostrum“-Mission. Mehr als 100.000 Menschen wurden aus Seenot gerettet. Dann stellte das Land das Projekt ein und legte einen knallharten Kurswechsel hin. Seitdem ist die Situation zwischen privaten Seenotrettern und den italienischen Behörden in den Häfen angespannt.

Sea Eye hofft, dass die deutschen Millionen der Startschuss für weitere Finanzhilfen aus ganz Europa sein könnten. Doch von einer seit Jahren geforderten „Koalition der Willigen“ ist Europa weit entfernt. „Es gibt Stimmen in Europa, die sagen: Je schlimmer die Bilder, welche die Medien aus dem Mittelmeer produzieren, desto weniger Menschen machen sich auf den Weg“, sagt der migrationspolitische Sprecher der SPD, Lars Castellucci. Er plädiert seit Jahren gegen diese Strategie der Abschreckung und für mehr staatliches Engagement bei der Seenotrettung. Doch in Europa haben die deutschen Bemühungen bislang kaum etwas bewegt.

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Die Rettungsmission ist im Winter gefährlicher

Kapitän Paval Bodica (r.) kam selbst als Flüchtling nach Deutschland.
Kapitän Paval Bodica (r.) kam selbst als Flüchtling nach Deutschland.
Lukas Wilhelm, RTL

Die Mission der Sea Eye startet noch ohne staatliche Förderung, denn über die Details der Förderung wird noch verhandelt. Kapitän Paval Bodica wird die Sea Eye in den kommenden Wochen durch das südliche Mittelmeer steuern. 25 Jahre lang hat er Containerschiffe über die Weltmeere gefahren. Jetzt fährt er für Sea Eye, weil er selbst ein Flüchtling war, erzählt er. In den 90ern ist er nach Deutschland vor dem Krieg in seiner Heimat Kroatien geflohen, nun möchte er anderen Menschen auf der Flucht helfen.

Im Winter könne die Rettung auf hoher See anspruchsvoller sein, erklärt er. Schlechtes Wetter erzeugt höhere Wellen – die Gefahr besteht, dass Schlepperboote kentern. Bei niedrigen Wassertemperaturen ist das besonders gefährlich. „So etwas habe ich bislang noch nicht erlebt, und ich hoffe, dass ich es nicht erleben muss“, sagt er. Am ersten Tag auf See prasselt der Regen gegen die Fenster der Sea Eye, das Schiff schwankt. Noch wenige Tage, dann wird die Sea Eye ihr Einsatzgebiet erreichen. Der Kapitän und die Crew hoffen, dass sie auch diesmal Dutzende Menschen retten können.

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