Erste Lesung heute im Bundestag

Bürgergeld statt Hartz IV: Was sich jetzt für Arbeitslose ändern soll

Das Bundeskabinett hat bereits grünes Licht für die Einführung des Bürgergelds in Deutschland gegeben. Es soll zum 1. Januar das heutige Hartz-IV-System ablösen. Über den Kabinettsbeschluss wird am heutigen Donnerstag im Plenum des Bundestages abgestimmt. Bereits lange vor dem Ukraine-Krieg und der Energiepreiskrise hat sich die Koalition diese Reform von Hartz IV vorgenommen. Nun soll es so weit sein. Dabei will die Ampel auch Krisenfolgen berücksichtigen.
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VIDEO: "Die Mehrheit ist da, die Ampel wird das durchs Ziel tragen"

Berlin-Korrespondentin Heike Boese erklärt, welche Kritik es am Bürgergeld-Plan der Ampel-Koalition gibt und warum es trotzdem keinen Zweifel gibt, dass das Gesetz durchkommt.

Arbeitsminister Hubertus Heil: „Wir wollen Menschen verlässlich absichern"

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte dazu im Bundestag: „Die Einführung des Bürgergelds zum 1. Januar wird eine der größten Sozialreformen seit 20 Jahren sein.“ Es ist die erste Beratung zum Gesetzentwurf im Bundestag. „Wir wollen Menschen verlässlich absichern, die in existenzielle Not geraten sind.“ Heil sagte weiter, das Bürgergeld solle zudem dafür sorgen, dass Betroffene dauerhaft aus der Not wieder herauskommen.

Die Opposition wirft der Regierung falsche Ansätze vor. „Eine verpasste Chance“ nannte der CSU-Arbeitsmarktexperte Stephan Stracke die Reform. „Das Bürgergeld geht komplett in die falsche Richtung.“ Es fordere und fördere die Menschen zu wenig. Die AfD-Abgeordnete Gerrit Huy sagte: „Es ist nichts anderes als ein aufgeweichtes Hartz IV - und das hat schon nicht funktioniert.“

Was genau die Regierung beim Bürgergeld plant, erklären wir hier im Artikel.

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Regelsätze: Alleinstehende bekommen 502 Euro - Jugendliche 420 Euro

ARCHIV - 06.04.2022, Berlin: Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, sitzt bei einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur dpa in einem Besprechungsraum im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Vor dem Kabinettsbeschluss zum geplanten Bürgergeld haben Arbeitgeber und Vertreter von Sozialverbänden die Pläne erneut kritisiert. Die Wirtschaft warnte davor, dass die neue Sozialleistung Anreize verringern könnte, eine Arbeit aufzunehmen. Der Sozialverband Deutschland forderte dagegen noch deutlich höhere Sätze beim Bürgergeld. Vertreter der Ampel-Koalition verteidigten die Pläne. Das Bürgergeld soll zum 1. Januar das heutige Hartz-IV-System ablösen. Geplant ist ein Regelsatz von 502 Euro im Monat für alleinstehende Erwachsene. Der Hartz-IV-Satz liegt im Moment bei 449 Euro im Monat. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) weist den Vorwurf zurück, das geplante Bürgergeld der Bundesregierung dämpfe Anreize zur Arbeit. Es mache auch künftig immer noch einen Unterschied, ob jemand arbeite oder Sozialleistungen beziehe, sagte Heil am Mittwoch im Deutschlandfunk.
bvj pil wst cul jai, dpa, Bernd von Jutrczenka

Die Regelsätze der Grundsicherung sollen dabei deutlich steigen. So sollen Alleinstehende 502 Euro im Monat erhalten und Jugendliche 420 Euro. Heute erhalten Alleinstehende 449 Euro. Zudem sollen Arbeitssuchende in den Jobcentern künftig weniger Druck ausgesetzt sein. Abgeschafft werden soll das Prinzip, nach dem die Vermittlung in einen Job Vorrang hat. Stattdessen soll Weiterbildung gestärkt werden.

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Jobcenter: Weniger Sanktionen beim Bürgergeld

Wer nicht mit dem Jobcenter kooperiert, muss weniger Sanktionen fürchten. Solche Sanktionen waren bereits im Vorfeld gesetzlich ausgesetzt worden. Nun sollen die Möglichkeiten zur Kürzung der Leistungen generell stark eingeschränkt werden. So sollen künftig im ersten halben Jahr nur eingeschränkt Leistungsminderungen möglich sein, wenn jemand Termine beim Jobcenter versäumt hat. Bei sogenannten Pflichtverletzungen hingegen, wenn also eine zumutbare Arbeit nicht angenommen wurde, soll es im ersten halben Jahr gar keine Sanktionen mehr geben.

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Prämie für Weiterbildungen & mehr: Bürgergeld setzt auf positive Anreize

„Statt auf demotivierende, häufig kontraproduktive Sanktionen setzt das Bürgergeld auf positive Anreize“, sagte Audretsch. Geplant ist etwa eine Weiterbildungsprämie von 150 Euro. Heil hatte in Interviews die Bedeutung solcher Anreize betont und gesagt, dass zwei Drittel der Langzeitarbeitslosen keine abgeschlossene Berufsausbildung hätten. Nur durch Qualifizierung könne der Weg aus der Bedürftigkeit in Arbeit eröffnet werden.

Dieses Vermögen darf beim Bürgergeld bleiben

  • Zwei Jahre lang soll man bis zu 60.000 Euro Vermögen haben dürfen, auch wenn man Bürgergeld bezieht.

  • Zudem können Leistungsbezieher in dieser Zeit in ihrer Wohnung bleiben, auch wenn sie eigentlich als zu groß gilt.

  • Nach 24 Monaten Bürgergeldbezug sollen Vermögen und Angemessenheit der Wohnung überprüft werden können. Dabei soll mehr Vermögen als bisher unangetastet bleiben.

Post vom Jobcenter: Freundliche Ansprache beim Bürgergeld

Wichtig ist den Koalitionären, dass Jobcenter den Betroffenen „auf Augenhöhe“ begegnen sollen, wie sie es schon in ihrem Koalitionsvertrag geschrieben haben. Am Anfang soll ein Kooperationsplan erarbeitet werden. Was wünscht sich der oder die Arbeitslose für den weiteren Werdegang? Besser als bisher sollen diese Wünsche berücksichtigt werden. Audretsch macht noch auf eine andere geplante Neuerung aufmerksam: “Künftig werden alle von den Jobcentern in freundlichen, klaren Sätzen angeschrieben“, sagt er. „Keine komplexen Rechtstexte, keine Rechtsfolgenbelehrungen, die häufig wie Drohungen wahrgenommen werden.“

Höhe der Bürgergeld-Regelsätze

Darüber war in der Koalition gerungen worden. Klar war, dass die Menschen wegen der hohen Inflation entlastet werden sollten – offen war nur, wie stark und durch welchen Mechanismus.

Der Koalitionsausschuss hatte sich Anfang September darauf verständigt, dass der Satz um 50 Euro steigen soll.

  • 502 Euro monatlich sollen es etwa für Alleinstehende sein.

  • Für volljährige Partner soll es danach künftig einen Regelsatz von 451 Euro geben.

  • Für Kinder im Alter von 14 bis 17 Jahren sind 420 Euro vorgesehen.

  • Für 6- bis 13-Jährige sind es 348 Euro.

  • Für bis zu 5-Jährige 318 Euro.

  • Wohn- und Heizkosten werden übernommen.

Die Reformen sollen 2023 rund 4,8 Milliarden Euro kosten, die zum allergrößten Teil as dem Bundeshaushalt kommen.

Minijob-Grenze und Zuverdienst-Möglichkeiten beim Bürgergeld

Wer oberhalb der Minijob-Grenze (künftig 520 Euro) bis zu 1.000 Euro hinzuverdient, soll 30 statt 20 Prozent der Einkünfte behalten können. Schüler, Studierende und Auszubildende können bis zu 520 Euro statt 100 Euro hinzuverdienen. Wer ein Ehrenamt hat, soll von der Aufwandsentschädigung mehr behalten können.

Es wird außerdem eine Bagatellgrenze von 50 Euro für die Rückforderungen der Jobcenter eingeführt. Die Abmeldung beim Jobcenter für Abwesenheiten vom Wohnort soll unkomplizierter werden. Vereinfachungen gibt es auch beim Mutterschaftsgeld und für Leistungsbezieher, die eine Reha machen. (dpa/reuters/ eku)

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