Wollen viele nicht arbeiten?Mehr als die Hälfte der Bürgergeldempfänger sucht keinen Job - Studie wirft Fragen auf

2024 bezogen rund 5,5 Millionen Menschen Bürgergeld. (Symbolbild)
2024 bezogen rund 5,5 Millionen Menschen Bürgergeld. (Symbolbild)
Carsten Koall/dpa
von Daniel Pfaender

Mehr als die Hälfte aller Bürgergeld-Empfänger sucht keinen Job - das ist das Ergebnis einer neuen Studie der Gütersloher Bertelsmann Stiftung am Donnerstag (04.12.). Häufigste Gründe dafür seien psychische und chronische Erkrankungen.

Zurück in den Beruf: Andre Löwenguth startet wieder durch

Am Donnerstag (04.12.) hat Andre Löwenguth das Jobcenter im Kölner Stadtteil Mülheim verlassen. Nach einem Kreuzbandriss war der Garten- und Landschaftsbauer ein Jahr lang arbeitslos, bezog zunächst Arbeitslosengeld, dann Bürgergeld. Nun kann er wieder arbeiten. Zu Hause zu bleiben, kommt für ihn nicht infrage: „Ich muss morgens raus und abends nach Hause kommen“, sagt Löwenguth. „Meine Kinder brauchen ein Vorbild, und so könnte ich das auf Dauer nicht machen wollen.“

Mehr als die Hälfte sucht keinen Job

Einer neuen Studie der Bertelsmann Stiftung zufolge haben 57 Prozent der Bürgergeldempfänger in den vergangenen vier Wochen keine Stelle gesucht. Die Gründe dafür sind vielfältig: Viele nennen gesundheitliche Probleme, fast jeder Zweite gibt an, dass es zu wenige passende Stellen gebe und rund jeder Vierte meint, dass sich Arbeiten finanziell nicht lohne.

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Jobcenter sollen stärker fordern und fördern

Die Studie ergab auch, dass Jobcenter zu wenige geeignete Stellenangebote bereitstellen würden. „Jobcenter müssen ihrer Aufgabe nachkommen“, sagt Tobias Ortmann von der Bertelsmann Stiftung. „Sie müssen unterstützen und passgenaue Jobs und Qualifizierung anbieten. Dazu gehört aber auch zu sanktionieren, nämlich dann, wenn dieses Angebot nicht angenommen wird.“ Laut der Agentur für Arbeit in NRW hängt das geringe Angebot an Arbeitsplätzen vor allem mit der wirtschaftlichen Lage zusammen. Zudem fehle vielen Arbeitssuchenden die notwendige Qualifikation.

Kritik an der Studie

Der Paritätische Wohlfahrtsverband NRW sieht die Bertelsmann-Studie jedoch kritisch. Hauptgeschäftsführer Christian Woltering erklärt: „Die Bertelsmann Stiftung spricht immer von allen Bürgergeldbeziehern. Wenn man genauer hinschaut, ist es eben nur ein bestimmter Teil der Bürgergeldbezieher, die dort beobachtet werden – nämlich diejenigen, die länger als ein Jahr im Bürgergeldbezug sind.“ Wer hingegen erst seit kurzer Zeit Bürgergeld beziehe, suche erfahrungsgemäß besonders aktiv nach Jobs.

Von der Unterstützung zur Eigenverantwortung

Insgesamt beziehen laut Bertelsmann Stiftung rund 1,8 Millionen Menschen in Deutschland Bürgergeld und gelten als grundsätzlich erwerbsfähig. Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft fordert, dass Jobcenter die Eigeninitiative weiter stärken: „Deren Job ist, möglichst schnell wieder in Arbeit zu kommen, damit sie ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten können. Das müssen die Jobcenter unterstützen und aktiv einfordern.“ Das sogenannte „Fordern“ rückt auch in der Politik wieder stärker in den Fokus. 2026 soll aus dem Bürgergeld die Grundsicherung werden – mit schärferen Sanktionen für Arbeitsverweigerer.