Um den Mörder von Georgine Krüger (†14) dranzukriegen
Berlin: Verdeckte Ermittler schleusen sich 1,5 Jahre in das Leben von Ali Koc
Ermittler müssen rausfinden: Hat Ali Koc die 14-jährige Georgine Krüger getötet?
Es ist der wohl aufwendigste Einsatz von verdeckten Ermittlern in der deutschen Kriminalgeschichte. Mit nur einem Ziel: Ali Koc das Geständnis zu entlocken, die 14-jährige Georgine Krüger 2006 getötet zu haben.
Berlin: Der Fall Georgine Krüger und der außergewöhnliche Weg, den Mörder von ihr zu stellen
2006 verschwindet die 14-jährige Georgine Krüger spurlos. Die einzigen Daten, die die Polizei hat, sind die Handydaten der vermissten Schülerin. Die enden in der Straße in der sie wohnte, der Stendaler Straße in Berlin. Ali Koc ist ihr Nachbar.
2011, fünf Jahre nach dem Verschwinden von Georgine, macht der Langzeitarbeitslose schließlich auf sich aufmerksam. Er lockt eine 17-Jährige in seinen Keller, schlägt sie und versucht, sie zu vergewaltigen. Auch Nicole Kollath wohnt in der gleichen Straße wie Georgine damals, gegenüber von Ali Koc.
Das junge Mädchen zeigt den Täter an, 2012 wird er vor Gericht schuldig gesprochen. Er bekommt eineinhalb Jahre auf Bewährung wegen sexueller Nötigung. Die Mordkommission möchte den Mann näher beleuchten. Denn sie fragen sich: Könnte er etwas mit dem Verschwinden von Georgine Krüger, die nur wenige Meter von ihm entfernt wohnte, zu tun haben?
Um Beweise zu sammeln, entscheidet sich die Mordkommission zu einem außergewöhnlichen Mittel: Verdeckte Ermittler sollten sich das Vertrauen von Ali Koc erschleichen, um festzustellen, ob er wirklich der Mörder der 14-Jährigen ist.
Doku: "Ohne Filter - Lebenslänglich ohne Beweise" zeigt, wie die verdeckten Ermittler an den Mörder von Georgine Krüger rankamen
Verdeckter Ermittler Nr. 1: Deckname Hakan. Er nimmt im Stammcafé von Ali Koc erfolgreich Kontakt zu ihm auf. Er weiß, dass Ali Geldprobleme hat. Um sein Vertrauen zu gewinnen, tarnt er sich als erfolgreicher Unternehmer. Hakan beginnt dem Langzeitarbeitslosen in ein Leben zu entführen, von dem er sonst nur träumen konnte.
Thomas Ruf ist damals Leiter der Mordkommission: „Eigentlich mit Beginn der verdeckten Ermittler, mit den Einsätzen, stellte sich so ein bisschen das Gefühl ein, dass wir wahrscheinlich wirklich am richtigen dran sind.“ Aber ein Gefühl allein reicht nicht, die Beamten brauchten Beweise. Außerdem schleusen sie noch eine weitere Ermittlerin ein, die „Freundin von Hakan“, Susi.
Ali Kocs Schwester Azur erinnert sich genau an die Zeit, wo die verdeckten Ermittler Teil ihrer Familie waren: „Wir wurden nie allein gelassen von denen, vor allem Melek und Ali überhaupt nicht. Geburtstage oder irgendwelche Feiertage oder am frühen Morgen schon, die waren schon sehr tief in der Familie drin.“
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So gingen die verdeckten Ermittler vor, um Ali Koc zu überführen
Die Schwester von Ali Koc erzählt im Interview: „Die haben Ali monatlich 3.000 – 4.000 Euro Gehalt angeboten. Natürlich hat sich Ali als Arbeitsloser mit drei Kindern gefreut.“ Außerdem sagt Azur, dass die Ermittler die Familie oft mit teuren Geschenken überrascht haben und mit ihnen in teuren Restaurants essen waren.
Der Cousin Okan habe Ali immer wieder gewarnt, ihm kam das viele Geld und die Job-Versprechen komisch vor, aber Koc sei längst verblendet gewesen: „Hakan will eine Waschanlage eröffnen und will mich als Partner. Ich hab zu Ali gesagt, halt dich zurück, sei nicht so naiv. Ich weiß, bei dir ist die Kasse immer knapp, aber komm wieder auf den Boden.“
Aber Ali Koc habe nur noch das Geld gesehen, die Ermittler hatten mit ihrer Strategie also Erfolg: „Meine Frau hat auch immer gemeckert, geh arbeiten, wir brauchen Geld, wir wollen auch mal in den Urlaub. Wissen Sie, wie meine Frau sich gefreut hat? Endlich Arbeit, 3.000 Euro, gleich bei mir um die Ecke.“ Also biss Ali an. Und die Ermittler wurden immer mehr Teil des Alltags der Familie Koc.
Die verdeckten Ermittler wurden Teil von Ali Kocs Familie
Und die wollen nur Eins: Das Geständnis. Hakan wird zum besten Freund von Ali und Susi freundet sich mit Alis Frau Melek an. Sie gehen frühstücken, schwimmen.
„Hakan“ erzählt im Interview: „Wir haben auch Telefonanrufe von Alis Frau abgehört, in denen sie sich um ihre Kinder sorgte, wenn Ali mit ihnen allein war. Mehrfach hat sie angedeutet, was Ali für ein Schwein ist. Wir waren uns sicher, sie kann das nur auf Georgine beziehen, aber sie ist eben nie wirklich konkret geworden.“
Die Ermittler stoßen an ihre Grenzen – auch im Familienumfeld. Weder Ali Koc selbst, noch seine Frau Melek lassen irgendeinen Hinweis darauf zu, dass sie etwas mit dem Mord an Georgine Krüger zu tun haben.
„Hakan war halt der Gute, der Nette von nebenan, der wohlerzogene Typ. Womit wir überhaupt nicht gerechnet hätten: Ali hat angefangen, zu ihm aufzuschauen. Er verkörperte alles, was Ali immer haben wollte. Wir waren der Überzeugung: Ali würde ihm nie von einem Mord erzählen, weil er selbst dann in seinem Ansehen sinken würde“, erzählt der Ermittler.
Die Ermittler bringen eine neue Figur ins Spiel, um Ali Kocs dunkle Seite zum Vorschein zu bringen
Daher überlegen sie sich eine neue Strategie. Es muss eine neue Figur her. Eine, die es Ali erlaubt, frei über dunkle Geheimnisse zu sprechen. Der vermeintliche Cousin von Hakan wird ins Spiel gebracht. Ermittler Nr. 3 - Deckname: Kara. Getarnt als zwielichtiger, halbkrimineller Geschäftsmann.
Alis Cousin Okan erinnert sich an ihn: „Kara hab ich einmal im Café gesehen. Er hat ständig gespielt, er war voll tätowiert, Körper aufgebaut, sah richtig mafiös aus. Und da hab ich Ali gewarnt, ich hab gesagt, sei vorsichtig, mach keine Dummheiten.“
Aber Ali fällt auf das Spiel von Kara rein und folgt ihm in anrüchige Geschäftswelten. „Irgendwann sind wir gemeinsam in Bordelle. Kara hat da auch einfach für mich ein paar Hundert Euro für mich an einem Abend ausgegeben“, erzählt der Gefängnisinsasse heute.
Zum ersten Mal bringen die Ermittler den Fall Georgine Krüger ein
Ermittler Kara erzählt Ali immer mehr von fragwürdigen Geschäften und lässt ihn dubiose Aufträge ausführen. Der Verdächtige gerät immer tiefer in eine dunkle Traumwelt.
Bislang aber führt noch immer keine einzige Spur zur vermissten Georgine Krüger. Ali Koc macht inzwischen alles, um seinen neuen Freunden zu gefallen. Eine gute Ausgangsbasis, um der unverblümten Wahrheit näher zu kommen. Die Ermittler stellen Ali eine Falle. Gezielt verabreden sie sich zu einem Fernsehabend, es läuft eine Sondersendung über den Vermisstenfall der 14-Jährigen. „Hakan“ und „Susi“ wollen die Reaktionen von Ali und seiner Frau prüfen.
Thomas Ruf beschreibt Ali an dem Abend so: „Seine Reaktion war verhaltend, zurückhaltend, nicht deutbar.“ Alis Schwester Ayfer glaubt, die Ermittler wollten Ali mit Ansehen der Sendung mit Täterwissen füttern, um später sein Geständnis glaubhaft verkaufen zu können: „Da haben sich ja die verdeckten Ermittler hinzugesetzt und da wurde bei ihm nur reingehämmert. Georgine hier Georgine da. Er meinte, was haben die nochmal im Fernsehen gesagt? Sie haben ihm das quasi in den Mund gelegt und er hat es so umgesetzt und so gesagt, wie die es hören wollten.“
Schwester Azur geht sogar noch weiter mit ihrer Vermutung: „Die hatten niemanden, die haben einfach zu viel investiert. Die hatten jetzt ein Opfer und da konnten sie einfach nicht mehr sagen, das war der Falsche, den lassen wir jetzt gehen.“ Thomas Ruf entgegnet dem: „Bei solch langfristigen Ermittlungen gibt es gar keinen wirtschaftlichen Druck. Überhaupt nicht. Den einzigen Druck, den man hat, ist ein solches Schicksal aufzuklären.“
Ali Koc: "Alle Leute wissen was ich für ein Mensch bin. Ich würde so etwas nie tun."
Eineinhalb Jahre dauern die Ermittlungen an. Bis die Beamten Richtung Zielgerade laufen. Die Polizisten holen zum letzten Schlag aus. Sie erfinden ein angebliches Problem mit der Schein-Freundin von Ermittler Kara.
Über mehrere Wochen hinweg erzählt Ermittler Kara, wie schlimm es mit seiner Freundin ist. Es entsteht ein brutales und verstörendes Gedankenspiel: Karas Freundin soll ermordet werden. Für den fingierten Auftrag bietet er Ali 150.000 Euro.
Ob Ali sich wirklich auf den fingierten Tötungsauftrag einlässt und warum all das überhaupt zu dem Geständnis im Fall Georgine führen soll – alles das in Teil 3 von Ohne Filter- Lebenslänglich ohne Beweise, am 18. Januar um 01:15 Uhr bei RTL oder bei RTL+. (tsc / mca)