Anwalt des 19-Jährigen: Mein Mandant hat panisch reagiertPolizei schießt über 30-mal auf jungen Autofahrer– er bleibt wohl querschnittsgelähmt
Mehr als 30-mal feuern Polizisten auf Bilal G. (19), als eine Verkehrskontrolle aus dem Ruder läuft. Der junge Autofahrer wird von fünf Kugeln getroffen und bleibt wahrscheinlich querschnittsgelähmt. Mussten die Beamten so handeln, um ihr Leben zu retten, oder haben sie überreagiert?
Bad Salzuflen: 19-Jähriger schwebte in Lebensgefahr
Roj Khalaf ist der Rechtsanwalt des 19-Jährigen, der nach dem Vorfall in Bad Salzuflen (Nordrhein-Westfalen) zunächst in Lebensgefahr schwebte. Über 30 Schüsse – der Jurist kann das nicht nachvollziehen. "Das hat ein Ausmaß genommen, wie wir es in Deutschland noch nicht kennen", sagt er im RTL-Interview. Es sei nun Aufgabe der Staatsanwaltschaft, den Sachverhalt gründlich aufzuarbeiten.
Anwohnerin wurde von Schüssen aus dem Schlaf gerissen

"Es war Viertel vor fünf. Ich habe nur bumm, bumm, bumm, bumm gehört", erinnert sich Christa Richter. Die Anwohnerin wird am Morgen des 3. Juni durch den Lärm aus dem Schlaf gerissen. G. ist den Polizisten aufgefallen, weil er mit seinem Audi ohne Licht unterwegs war. Als die Polizisten ihn anhalten wollen, gibt er Gas, die Beamten jagen hinterher. Gegen 4:35 Uhr landet der 19-Jährige im Ortsteil Holzhausen in einer Sackgasse.
"Der stand da ja und konnte gar nicht raus. Der war eingekreist von diesen Polizeiautos", sagt Christa Richter. Offenbar sieht Bilal G. nur einen Ausweg: Er dreht nach Behördenangaben um und rast auf die Beamten zu. Sechs der insgesamt 13 Polizisten feuern auf den 19-Jährigen.
Bei Polizeikontrolle geflohen: 19-Jähriger hat noch keinen Führerschein
Dass G. aufs Gaspedal drückte, als er kontrolliert werden sollte, erklärt sich Roj Khalaf so: "Mein Mandant ist ein junger Mann, der zum ersten Mal in eine Polizeikontrolle geraten war und jugendlich und panisch reagiert hat." Einen Führerschein hatte der 19-Jährige noch nicht. "Er hatte die theoretische Führerscheinprüfung bereits erfolgreich abgelegt und stand zwei Wochen vor seiner praktischen Prüfung."
Polizeischüsse in Bad Salzuflen: Bilal G. "schwer traumatisiert"

Es gehe Bilal G. "den Umständen entsprechend", berichtet der Anwalt. "Er ist schwer traumatisiert, immer noch geschockt, er hat gerade zahlreiche Operationen hinter sich und wird weiterhin operiert. Ihm wurden zahlreiche Kugeln aus dem Körper entnommen." Leider gebe es "Ansatzpunkte dafür, dass er wahrscheinlich nicht so gesund wird, wie er es mal war. Es ist zu befürchten, dass dieser Schusswaffengebrauch lebenslange Folgen für meinen Mandanten hat", sagt Khalaf.
Bei dem 19-Jährigen sei "von einer Querschnittslähmung auszugehen", erklärte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft der dpa am Mittwoch. "Allerdings stehen noch weitere Operationen an." Bilal G. sei stabil, bisher aber noch nicht zum Geschehen vernommen worden.
Schossen die Polizisten in Notwehr auf den Autofahrer?
Gegen die Polizisten aus Bad Salzuflen, die die Schüsse abgegeben haben, wird wegen Körperverletzung im Amt ermittelt. Ihre Bodycams hatten sie beim Einsatz nicht eingeschaltet, die Beamten sollen noch sehr jung und unerfahren gewesen sein.
Möglicherweise handelten sie in Notwehr: Gegen Bilal G. wird wegen versuchten Mordes ermittelt. "Es muss geklärt werden, ob der Audifahrer tatsächlich gezielt auf die Polizeibeamten zugesteuert hat und damit eine Gefahr für sie darstellte", sagt Sarah Siedschlag von der Polizei Bielefeld. Um die vielen Schüsse der Beamten und die Vorwürfe gegen Bilal G. unvoreingenommen aufzuklären, hat ihre Dienststelle den Fall aus Bad Salzuflen übernommen.