Von Al-Zein bis Abou-Chaker
Deutschland - Clanland: So verbreitet sind kriminelle Großfamilien in der Republik
Clan-Landschaft in Berlin und im Ruhrgebiet floriert
Raubüberfälle, Drogen- und Waffenhandel, sogar Tötungsdelikte. Die Straftaten krimineller Clans häufen sich. Besonders in Berlin und im Ruhrgebiet floriert die Clan-Landschaft. Wir zeigen Ihnen, welche Großfamilie wo angesiedelt ist. Welche Verbrechen Ihnen zugeordnet werden, sehen Sie im Video.
Im Krieg aufgewachsen, in Berlin kriminell geworden
Mit seinen 16 Jahren ist er dem Tod schon oft begegnet. Er sieht Menschen, die auf der Straße angezündet werden. Er sieht Enthauptungen oder muss mit ansehen, wie jemand auf der Straße erschossen wird. Im Libanon der 70er und 80er Jahre herrschen Chaos und Anarchie. Mittendrin der kleine Mahmoud. An Schule oder eine Ausbildung ist hier gar nicht zu denken. In Beirut geht es jeden Tag ums nackte Überleben.
Mahmoud ist aber nicht nur ein Opfer des Krieges. Er ist auch Handlanger einer kleinen Miliz und später ihr Leitwolf. Er handelt mit Waffen, Bomben und Granaten. Und er ist bereit zu töten oder getötet zu werden. Am 10.April 1982 kommt der junge Mahmoud nach West Berlin. Er soll sich hier vom Krieg erholen. Nur wenige Jahre später ist aus dem kleinen Mahmoud einer der Herrscher der Berliner Unterwelt und Chef des größten Clans in Deutschland geworden: Mahmoud Al-Zein, der "Pate von Berlin". Getrieben von Macht und Moneten hat er hier ein kriminelles Imperium aufgebaut. Das mit der Erholung vom Krieg hat er offenbar doch etwas falsch verstanden.
Die Historie der Großfamilien in Deutschland
Den Weg aus dem Libanon, Syrien oder der Türkei nach Deutschland sind viele gegangen. Die Rammos, die Miris, die Omeirats, die Abou-Chakers und wie sie alle heißen. Und sie gingen zumeist dorthin, wo sich schon zuvor Angehörige oder Bekannte niedergelassen hatten, wo es eine gewisse geografische Nähe gab oder wo die Aussicht auf Jobs groß war. Nach Berlin, Bremen, ins Ruhrgebiet oder nach Niedersachsen.
Das größte Problem zu Beginn waren aber weniger die Clans sondern vielmehr die deutsche Politik. Denn die Familien durften zwar hier sein, nur arbeiten, dass durften sie nicht. Und auch die Kinder fielen nicht unter die Schulpflicht. Also wer dann ein geregeltes Auskommen mit dem Einkommen haben wollte, der wurde früher fast zwangsläufig kriminell. Das ist heute anders.
So viel gleich vorweg. In Deutschland leben rund 200.000 Personen mit einer Verbindung zu arabisch-türkischen-kurdischen Großfamilien gleicher Ethnie, also Clans. Aber sie sind bei weitem nicht alle kriminelle Problemfälle. In einigen Familien fehlen sie gänzlich. In anderen Familien sind einige kriminell, andere wissen viel aber sagen wenig und wiederum andere sind unwissend. Aber dann gibt es eben auch die Clans, die sind durch und durch kriminell. Und es ist immer Vorsicht geboten. Denn allein der Name lässt noch keine Rückschlüsse auf eine kriminelle Neigung zu.
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Clans in Berlin: Abou-Chaker, Rammo und Tschetschenen
Der Abou-Chaker-Clan: In Berlin siedelten sich in den 80er Jahren zum Beispiel die Abou - Chakers an. Ein kleiner, palästinensisch-stämmiger Clan mit 250 bis 300 Familienangehörigen. Inzwischen ist der Clan, obwohl er zu den kleinsten Clans gehört, recht prominent. Nicht zuletzt, weil sie in der Prozessberichterstattung der letzten Monate doch recht häufig auftauchen. Vor allem im Zusammenhang mit Rapper Bushido.
Denn Arafat Abou-Chaker, eine gewichtige Größe innerhalb der Familie, war eine Zeit lang Bushidos Manager. Der Name ist aber auch im Polizeiregister häufig zu finden. Oft in Verbindung mit Schutzgelderpressung, Drogen- und Waffenhandel, Geldwäsche, Diebstahl und Gewaltdelikten zum Beispiel. Kopf der Familie ist vermutlich Nasser Abou-Chaker und er gilt auch in der Berliner Unterwelt als zentrale Größe.
Mohammed Abou-Chaker tauchte zum Beispiel auch in den Medien auf, da er der Drahtzieher beim Raub auf ein Pokerturnier im Berliner Grand Hyatt war und zu sieben Jahren und drei Monaten Haft verurteilt wurde.
Der Rammo-Clan: Auch die Familie Rammo, manchmal auch Remmo genannt, zog es in die Bundeshauptstadt. Sie stammt ursprünglich aus der Provinz Mardin in der Türkei, genauer gesagt aus Anatolien. Bis zu 1.000 Mitglieder sollen der arabischen Großfamilie angehören. Auch sie sollen Verbindungen zu Bushido haben. Denn nachdem es mit Arafat Abou-Chakar und dem Rapper nicht mehr ganz so dolle lief, zog es Bushido angeblich nun zu den Rammos. Also vom Regen in die Traufe sozusagen.
Aber die Rammos sind nicht nur in Bushidos Nähe anzutreffen. Auch auf den Fluren der Gerichte und Polizeistationen sieht man sie recht häufig. Allein im Jahr 2018 tauchte der Name in 1150 polizeilich erfassten Vorfällen auf. Rein rechnerisch also souveräne 3 Mal pro Tag. Das Strafregister enthält dabei so herausragende Vorfälle wie der Einbruch in das Bode Museum, bei dem die 100 Kilogramm schwere Goldmünze "Maple Leaf" im Wert von 3,3 Millionen Euro gestohlen wurde. Oder der Einbruch in die Sparkasse in Berlin Mariendorf, bei dem fast 10 Millionen Euro erbeutet worden sein sollen. Und zuletzt der Einbruch in die Dresdener Schatzkammer "Grünes Gewölbe". Dort sollen sie Schmuck und Diamanten von unschätzbarem Wert erbeutet haben.
77 Immobilien fanden die Behörden im Besitz der Familie in Berlin. Irgendwann war es den Ermittlern dann aber zu bunt und sie beschlagnahmten die Häuser. Denn mit dem Geld aus den Sozialkassen des Staates war dieser Reichtum nur schwer zu erklären. Inzwischen sieht das ein Gericht in Berlin ähnlich und hat zwei Gebäude tatsächlich dem Staat zugesprochen.
Tschetschenen: Inzwischen kommt eine neue Ethnie hinzu. Und die macht nicht nur den klassischen Clans zu schaffen. Auch der Polizei. 2016 kamen 12.200 Menschen aus Russland und stellten einen Asylantrag. Mehr als 80 Prozent davon waren Tschetschenen. So ganz genau lässt sich das aber nur bedingt festhalten, denn laut Pass sind Tschetschenen Russen. Und ein kleiner Teil von ihnen sorgt für viel Wirbel, vor allem in der Hauptstadt.
Die oft kriegserprobten und ausgesprochen rustikal agierenden Männer aus dem Kaukasus sind hart im Nehmen und im Geben. Einige haben in den tschetschenischen Kriegen an vorderster Front gekämpft, andere waren beim so genannten Islamischen Staat. In Berlin haben sie mit der Zeit eigene Vorstellungen davon entwickelt, auf welchem Arbeitsmarkt sie sich in Deutschland langfristig etablieren wollen. Und das ist der Markt für kriminelle Dienstleistungen.
Im Angebot sind da zum Beispiel der Waffenhandel, die Schutzgelderpressung und jede Art von körperlicher Gewalt. Anfangs haben sie noch für die bereits ansässigen Clans als Straßenverkäufer von Drogen gearbeitet. Bis ihnen die Idee kam, das Geschäftsfeld könnten sie auch ganz besetzen. Seitdem herrscht der Verteilungskrieg zwischen den alteingesessenen Clans und den neuen Männern aus Tschetschenien. Zwar gab es auch schon "Friedensgespräche". Aber am Ende des Tages geht es um Macht und Moneten. Und da werden alle Parteien ihre Pfründe hartnäckig verteidigen. Und es ist zu befürchten, dass dieser Kampf blutig werden könnte.
Der Miri-Clan in Bremen
Der Miri Clan: Andere Großfamilien zog es in den 80er Jahren nach Bremen. Zu ihnen gehörte der libanesische Miri Clan. Geschätzt 30 Familien mit rund 3.000 Personen werden der Familie zugerechnet, die vor allem in Bremen, aber auch im Ruhrgebiet und in Berlin ansässig ist. 1.800 von Ihnen sollen bereits straffällig geworden sein. Aus kriminologischer Sicht könnte man also durchaus sagen, eine durch und durch "verhaltensauffällige" Familie. Drogengeschäfte, Körperverletzung, Betrug oder Schutzgelderpressung umfasst das Familien-Geschäft. Hinzu kommen dann noch der Handel mit illegalen Medikamenten oder Aktivitäten im Rotlichtmileu.
In Bremen gab es auch ein Techtelmechtel mit einem Rockerclub. Denn einer der führenden Köpfe des Miri Clans, Ibrahim Miri, war zeitgleich auch Chef des Bremer Chapters der MC Mongols. Nach einer sechsjährigen Haftstrafe wurde der Chef dann aber in den Libanon abgeschoben. Zwar kam er wieder und stellte erneut einen Asylantrag. Ibrahim Miri wurde aber festgenommen und wieder angeschoben. Da der Name allerdings weit verbreitet ist, lassen sich nur schwer Rückschlüsse auf konkrete Zugehörigkeiten ziehen.
Clans in Nordrhein-Westfalen: Al-Zain und Omeirats-Clan
In NRW wird es, was Großfamilien betrifft, schnell etwas unübersichtlich. Laut Innenministerium gibt es im bevölkerungsreichsten Bundesland 104 türkisch-arabischstämmige Großfamilien. Und die Statistik gibt noch mehr her. In diesem Fall die Polizeistatistik. Dort haben die fleißigen Beamten 15.000 Straftaten in zwei Jahren registriert, die eine gewisse oder absolute Nähe zu Clans aufweisen.
Der Al-Zain-Clan: Sie ist die größte kurdisch-arabische Familie: Die Al-Zeins oder auch El-Zein, mit deutlich über 10.000 Angehörigen. Sie sind vor allem in Essen und Duisburg, aber auch in Dortmund, Köln oder Berlin anzutreffen. Sie haben ihr kriminelles Engagement ausgesprochen breit gestreut. Drogendelikte, Schutzgelderpressung, illegales Wettspiel, Enkeltrick-Betrug, Waffengeschäfte, Steuerhinterziehung, Handel mit gefälschten Medikamenten, Geldwäsche oder Zuhälterei.
Aber auch legale oder "teilweise" legale Einnahmequellen gibt es. Dazu gehören Shisha Bars, der Autohandel, Wettbüros oder Barber-Shops. Doch lassen sich in diesen Geschäftszweigen nicht nur hervorragend Autos verkaufen oder Bärte stutzen. Auch Geld kann man somit blütenrein waschen, Gelder deren Herkunft man anders nur ausgesprochen schwer erklären könnte.
Das Oberhaupt war oder ist Mahmoud Al-Zein. Der Mahmoud also, der 1982 eigentlich in Deutschland den Krieg in seinem Heimatland verarbeiten sollte. Eigentlich. Mitglieder der Familie waren unter anderem am KaDeWe Überfall in Berlin beteiligt. Aus der Großfamilie stammt auch Youssef Hassan, geb. Al-Zein, der 2015 in einem Essener Imbiss den Boxweltmeister Mahmoud Omeirat Charr, oder Manuel Charr, anschoss und schwer verletzte.
Der Omeirats-Clan: In NRW sind aber auch andere Familien anzutreffen. Die Omeirats zum Beispiel. Ein weit verzweigter Clan mit kurdischen Wurzeln, die 1920 die Türkei fluchtartig verlassen mussten, weil sie massiv bedroht wurden. Sie flüchteten zuerst in den Libanon und dann von dort aus während des Bürgerkriegs unter anderem nach Deutschland. Auch sie durften hier als staatenlose nicht arbeiten und wurden somit in illegale Geschäfte getrieben. 240 Gewaltdelikte registrierte die Polizei zuletzt innerhalb von zwei Jahren mit Verbindungen zur Omeirat Familie. Darunter Delikte wie versuchter Mord, Rauschgifthandel, Einbruch und Hehlerei aber auch Schleusungen von Flüchtlingen aus Syrien oder dem Libanon und Betrug gehen auf ihr Konto.
Kurdische Clans in Niedersachsen
Kurdische Clans: Seit dem Jahr 2000 befasst sich die Polizei in Niedersachsen intensiv mit dem Problem krimineller Großfamilien wie den Miris, den Al-Zeins und den Rammos. 2019 wurden aber das erste Mal die Straftaten auch detailliert zahlenmäßig erfasst. Spätestens da wurde klar, dass es ein Problem mit kriminellen Mitgliedern überwiegend kurdisch stämmiger Großfamilien gibt. 2.630 Mal in einem Jahr tauchten Namen von Großfamilien im Zusammenhang mit polizeilichen Ermittlungen auf. 1.600 davon waren Straftaten.
Vor allem in Hannover, Braunschweig, Osnabrück und Stade gibt es vermehrt Probleme. Wenngleich auch auf dem Land Straftaten von Familienregistriert wurden. Gewaltdelikte, Diebstahl, Drogenhandel vor allem mit Cannabis und Kokain und Betrug wird vermehrt festgestellt. Die meisten Tatverdächtigen oder Beschuldigen sind alle unter 30 Jahre alt. Und wie auch in allen anderen Städten oder Ländern, in denen die Clans ansässig sind, sind oft Verletzungen des Ehrgefühls Auslöser für eskalierende Gewaltexzesse.
Im Video: LKA-Beamter zu Clans in Deutschland
Die Liste könnte man noch lange fortführen. Um es noch einmal ausdrücklich zu betonen. Die meisten Familienangehörige, die mit einem Clannamen auf die Welt gekommen sind, sind nicht kriminell. Sie sind rechtschaffende Ärzte, Angestellte, Anwälte, Arbeiter, Hausfrauen, Arbeitssuchende oder auch Politiker, wie der Essener Grünen-Ratsherr Ahmad Omeirat.
Aber es gibt sie eben auch, die durch und durch Kriminellen, die in ihrer eigenen Parallelwelt leben, die den deutschen Rechtsstaat nicht anerkennen und die alles wollen, nur nicht Teil der deutschen Gesellschaft werden. Und deren einzige Triebfeder Macht und Moneten sind.
Und zuletzt: Seit geraumer Zeit greift die Politik durch. Es wurden spezielle Staatsanwaltschaften "Clankriminalität" gegründet. Der Zoll, die Steuerfahndung, Ordnungsämter, Polizei und Staatsanwaltschaften fahren inzwischen gemeinsam von Razzia zu Razzia. Und Richter nehmen ihnen inzwischen auch immer schneller das weg, was sie am meisten lieben: Ihr Geld. Aber es fehlen gute Aussteigerprogramme und in der Prävention müssen auch neue Strategien ausprobiert werden. Am Ende sind alle Maßnahmen aber nur dann erfolgreich, wenn sie rigoros und konsequent durchgesetzt werden. Und das nicht nur die nächsten Monate. Sondern die nächsten Jahre.
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