„Schuldig der vorsätzlichen Körperverletzung”Der Jérôme-Boateng-Prozess hat ein Ende: DAS ist das Urteil!

Jérôme Boateng
Jérôme Boateng musste sich heute (19. Juli) zum letzten Mal in dieser Angelegenheit vor Gericht verantworten.
dpa
von Jasmin Raziorrouh, Lena Materna, Marigona Sulejmani und Theresa Maas

Das Urteil ist gefallen.
Es war der sechste und letzte Prozesstag im Fall Jérôme Boateng. RTL war live vor Ort. Wie die bisherigen Verhandlungstage in München verlaufen sind, lest ihr ebenfalls hier.

Sechster und letzter Prozesstag

Dieser Prozesstag sollte um Punkt 11 Uhr starten. Doch Jérôme Boateng ließ auf sich warten - mit sieben Minuten Verspätung! Er trägt, wie in den letzten Verhandlungen auch, einen blauen Anzug und ein weißes Hemd. Er wirkt angespannt. Angespannter, als die letzten Male.

Und dann fällt das Urteil: 40 Tagessätze zu je 5000 Euro - unter Vorbehalt. Boateng muss diese 200.000 Euro nur zahlen, sollte er sich noch einmal etwas zuschulden kommen lassen. Boateng trägt die Verfahrenskosten und ist nicht vorbestraft. Zur Kasse wird der 35-Jährige aber trotzdem gebeten: 50.000 Euro muss der Ex-Nationalspieler an den Verein für Familien und Jugendhilfe binnen drei Monaten zahlen. Weitere 100.000 Euro gehen an das Haunersche Kinderspital.

„Wir haben hier nicht den schlimmen Frauenschläger. Wir haben einen Menschen.”

Das Gericht kam zu dem Schluss, „dass von dem Vorwurf des notorischen Frauenschlägers nichts übrig geblieben ist”, wie es die Vorsitzende Richterin Susanne Hemmerich formulierte. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Geldstrafe in Höhe von 1,12 Millionen Euro gefordert, die Verteidigung sich dagegen höchstens für eine „moderate Geldstrafe” wegen fahrlässiger Körperverletzung oder die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage ausgesprochen. Die Richterin entschied: „Wir haben hier nicht den schlimmen Frauenschläger. Wir haben einen Menschen.”

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Im Video: Alles übr den Jérôme Boateng-Prozess

SO lief der fünfte Boateng-Prozess-Tag ab

Der Prozess zwischen Boateng und seiner Ex-Frau startet am Freitag, den 12. Juli um 10 Uhr. Der Kicker betritt um 9.59 Uhr das Gericht im schwarzen Anzug, weißen Hemd - und hat die linke Hand diesmal wieder in der Hosentasche.

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Jérôme Boateng und sein Anwalt am 12. Juli im Gericht
Jérôme Boateng und sein Anwalt am 12. Juli im Gericht
RTL

Zuerst wird Zeuge Herr Scholl, ein Polizist, geladen: Er soll über einen Vorfall am 24. August 2019 im Anwesen von Boateng berichten. Scholl war damals Wachbeamter. Boatengs Ex Sherin wollte an diesem Tag eine Anzeige erstatten. Der Grund: Sorgerechtsstreit! Um 18 Uhr sei die Vernehmung auf der Polizeistation gewesen. Sie sei sehr aufgewühlt gewesen und schilderte, dass sie die beiden Kinder von ihrem Ex abholen wolle. Allerdings soll sie letztlich nur eines mitgenommen haben. Denn bei Abholung der zweiten Tochter kam es angeblich zu Beleidigungen von Jerome. Später dann laut ihrer Aussage auch zu Körperverletzungen in Form von Abschürfungen am Oberarm. Es gäbe eine Vereinbarung zwischen ihr und Jerome, dass die Kinder dort abgeholt werden. Sie kam aus Berlin und ist am Wochenende in München, um Zeit mit Kindern zu verbringen.

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Um 10.19 Uhr leitet die Richterin eine Pause bis 11 Uhr ein.

Boateng-Kumpel spricht über Streit-Situation

Nach der Pause geht es pünktlich um 11 Uhr weiter. Nun sagt Jimmy Boateng (38) aus - ein Freund des Kickers, kein Verwandter. Die beiden lernten sich während der Zeit des Kickers beim HSV kennen und haben sich zuletzt vor drei Jahren gesehen. Er erzählt eine Geschichte aus 2016, als sie gemeinsam den Geburtstag von Sherin nachgefeiert haben. Jerome hat alles organisiert. Sido ist aufgetreten. Das Geschenk für Sherin von ihrem damaligen Freund war ein Auto! Auf dem Weg zum Club ist die Stimmung von Sherin entzündet. „Eifersuchtsthemen kamen bei Sherin mit Alkohol auf. Die Stimmung war aufgeheizt. Ich habe noch gesagt, reißt euch jetzt zusammen”, so der Freund von Boateng. Im Auto soll die Diskussion weitergegangen sein. „Jerome ist gefahren. Ich war Beifahrer. Hinter mir saß Sherin. Sherin hat auf Boateng gespuckt. Und ihm dann ins Gesicht getreten”, sagt der 38-Jährige vor Gericht aus.

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Sherin soll sich an beiden Sitzen festgehalten und über das Handschuhfach rüber getreten haben. Dabei soll sie dann Boateng mit hohen Schuhen im Gesicht getroffen haben. Jerome soll nach dieser Aktion geblutet haben. „Jerome habe vorher schon fast geweint”, so sein Freund. Er soll Sherin daraufhin vorgeworfen haben, undankbar zu sein, weil er alles organisiert habe. Als alle schließlich aus dem Auto ausgestiegen seien, soll Jerome geweint und Sherin alkoholisiert hingefallen sein. Nachdem sie wieder aufgestanden sei, soll sie losgerannt sein. Jimmy ist ihr hinterhergelaufen, aber habe sie nicht mehr gefunden. Jerome habe sie daraufhin zum Hotel zurückgefahren. Er sagt: „Sherin und Boateng hatten ein miserables Beziehungsverhältnis. Beide waren abwertend gegenüber! Eine Schande den Kindern gegenüber.”

Er muss auspacken: Jérôme Boateng über seine Finanzen

Nach den beiden Zeugen befragt die Richterin nun erneut Jérôme Boateng! Sie befragt den Fußballer zu seinen aktuellen Finanzen. Er legt dar, dass er 30.000 Euro im Monat verdient und einen Zwei-Jahresvertrag in Österreich hat. Außerdem zahle er seinem Sohn (8), der in Wolfsburg lebt, „ 1.100 Euro als laufenden Unterhalt und mehr. Im Schnitt 1.600 Euro”. Die Zahlungen an die Mutter seiner Zwillinge Sherin S. hat er eingestellt. Außerdem habe er Immobilien in Berlin und Hamburg. Mit der Immobilie in der Hauptstadt nehme er 25.000 im Jahr ein. Bei der Hamburger Immobilie sei etwas schiefgegangen - daher hat er dort keine Einkünfte. Sonst: „Keine Schulden. Kein sonstiges Vermögen. Vielleicht Schmuck.”

Um 11.28 Uhr gibt es eine erneute Pause und die Ankündigung, dass heute kein Urteil gefällt wird! Bis 15:30 will die Richterin durch sein! Jetzt ist eine Pause bis 11:45 Uhr angesetzt und danach wird das Plädoyer der Verteidigung gehalten.

Plädoyer des Verteidigers: „Es gibt keine tauglichen Beweise mehr für eine Verurteilung”

Nach der zweiten Pause um 11.45 Uhr hält der Verteidiger sein Plädoyer: „Es steht fest, dass sich Herr Boateng am 19.7.2018 von Sherin hat provozieren lassen. Hätte er sich nicht provozieren lassen, hätten weder er noch sie sich verletzt.” Die objektive Betrachtung hat ergeben: Sie muss sich auch rechtfertigen. Sie wusste, dass es laut werden würde. Sie legte es genau auf einen solchen Streit an. Ohne die Provokation hätte Boateng sie nicht geschubst. Es war der sinnlose Streit, der zur Rangelei führte. Der Anwalt betont immer wieder die Persönlichkeitsstruktur von Boatengs Ex, die immer wieder sinnlose Streits vom Zaun gebrochen habe. Es sei beziehungstypisch immer wieder wechselseitig zu Beleidigungen gekommen. Die Aktionen rund um die Körperverletzung mit dem Windlicht und der Kühltasche würden von den Zeugen nicht übereinstimmend beschrieben. Das gilt auch für die Beschaffenheit (Größe, Gewicht etc.) der beiden Objekte, die geworfen worden sein sollen. Ein Biss in den Kopf habe der Sachverständige ausgeschlossen. Auch die Verletzungsmuster sprächen nicht eindeutig dafür, dass Boateng sie so geschlagen habe, wie es in der Anklage steht.

In juristischen Verhandlungen wie dieser sei es immer so, dass immer einer schuldig und einer unschuldig sein müsse. Das träfe in dieser Beziehung aber einfach nicht zu. Der Verteidiger sagt: „Es gibt keine tauglichen Beweise mehr für eine Verurteilung auf Grundlage der gefährlichen Körperverletzung!” Denn: Boateng habe oft nur reaktiv gehandelt und nicht vorsätzlich. Zum Beispiel sei ein Wegschubsen was anderes, als ein Zuschlagen, zumal, wenn man selbst mit dem Ellenbogen attackiert werde und dann das Gegenüber reaktiv wegschubst.

Die Verteidigung fordert: Freispruch in einigen Tatbeständen und für die anderen Vorwürfe maximal eine moderate Geldauflage. An wen das Geld gehe, soll ins Ermessen des Gerichts gestellt werden. Keine Verurteilung, die in der Höhe einer Bewährungsstrafe liege.

Plädoyer der Staatsanwältin

Das Plädoyer der Staatsanwältin: Aus der Sicht der StaA deckt sich alles, was im Verfahren herausgekommen ist, in weiten Teilen mit der Anklageschrift. Nur darum ginge es, nicht um Kasia L. oder familienrechtliche Sorgerechtsstreitigkeiten. Die StaA wolle nicht das Narrativ des Frauenschlägers bedienen oder über das komplette Verhältnis Boatengs zu Frauen generell zu verhandeln, sondern einzig den Sachverhalt damals im Urlaub aufarbeiten. Die Erinnerungen der Exfreundin an den Tatabend, also das Kerngeschehen dieses Prozesses, seien eindeutig.

Die Staatsanwaltschaft sieht keinen Belastungseifer bei der Ex-Freundin. Sie beschreibe schlicht und detailliert die Sachverhalte. Ein Interesse der Ex-Freundin an einer finanziellen Absicherung der gemeinsamen Kinder, sei nachvollziehbar. Sie habe Boateng auch nicht damit erpresst, in dem sie immer wieder gesagt habe, sie gehe jetzt zur Polizei.

Dass sie trotzdem vieles über sich ergehen ließ, sei damit zu erklären, dass so etwas in solchen Fällen immer wieder so vorkomme: Männer misshandeln ihre Frauen, diese ertragen das eine lange Zeit und irgendwann komme der Punkt, an dem alles dann genug sei. Das sei der Moment damals im Urlaub gewesen - eben, weil der Übergriff so massiv gewesen sei.

Was spricht also zu Gunsten des Angeklagten? Es sei ein minderschwerer Fall. Die Geschädigte sei nicht schwer verletzt worden und der Vorfall liege fünf Jahre zurück. Die Forderung: Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung.

Die mediale Berichterstattung habe Boateng nicht unbedingt vorverurteilt. Der Vorfall mit den Bodyguards zum Beispiel und auch die Rolle des in „einem RTL-Feature“ vorgestellten Medienberaters habe die Tatsachen und die Herangehensweise der Angeklagtenseite auf der Basis von Tatsachen dargestellt.

Die Forderung: eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen für Anklagepunkt eins. Für den anderen weitere 80 Tagessätze. Unter Einbeziehung der minderschweren Umstände beantragt die Staatsanwältin insgesamt 160 Tagessätze zu je 7000 Euro. 1,12 Millionen Euro und die Übernahme aller Gerichtskosten.

Plädoyer der Nebenklägeranwältin

Die Anwältin der Nebenklägerin (Sherin) sagt, dass ihre Mandantin sich eine Entschuldigung und ein Ende wünsche. Sie beschreibt Boateng als kranken Menschen mit einem Gewaltmuster. Sie rügt die Rolle von Boatengs Krisenberater und sagt, wie sehr er die Opferrolle Boatengs bedient hat und wie der PR-Profi proaktiv in jeder Pause auf alle Medienvertreter eingewirkt habe. Er habe keine Möglichkeit ausgelassen, das Image der Geschädigten in der Öffentlichkeit zu schädigen. Der Angeklagte inszeniere sich in grotesker Weise als Opfer!

Jetzt ergreift Jérôme Boateng das Wort

Boateng schließt sich seiner Verteidigung an. „Ich möchte mich beim Gericht bedanken. Es ist endlich ein Gesamtbild entstanden. Leider ging es in Vergangenheit in meinem privaten Umfeld nur um finanzielle Vorteile. Ich habe mich nicht als Opfer dargestellt. Ich könnte weiter ausholen, aber ich bin auch müde. Ich musste mich jetzt mal ausführlich äußern. Ich habe mich jahrelang zurückgehalten, aber irgendwann ist es mal gut. Ich möchte mich bei meinen Kindern entschuldigen. Danke.”

So lief der vierte Prozesstag im Fall Boateng am 5. Juli

Am Abend steht für seine Ex-Team-Kollegen im EM-Viertelfinale gegen Spanien eine Bewährungsprobe bevor, für Jérôme Boateng geht es schon vorher rund. Zum vierten Mal befasst sich das Münchener Landgericht mit Gewaltvorwürfen gegen den Ex-Nationalspieler - und nun bekommt seine Ex-Freundin Sherin S. wieder das Wort. Sie sagt, der Kicker habe im Karibik-Urlaub im Juli 2018, ein Windlicht und eine Kühltasche nach ihr geworfen. Später habe er sie angespuckt, an den Haaren gezogen, mit beiden Händen ins Gesicht geschlagen und ihr in den Kopf gebissen. Boateng bestreitet diese Vorwürfe. Er gibt an, sich nur gegen einen Angriff seiner damaligen Partnerin gewehrt und sie weggeschubst zu haben. Für dieses Schubsen entschuldigte er sich. Am heutigen Prozesstag soll nun Sherin S. erneut aussagen.

Um 10 Uhr startet der Prozess. Jérôme Boateng trägt wie beim letzten Mal wieder einen blauen Anzug mit weißem Hemd. Die Haare hat er an den Seiten frisch rasiert.

Es geht zunächst um einen USB-Stick aus dem Prozess gegen Kasia Lenhardt mit Sprachnachrichten, auf die Richterin Susanne Hemmerich keinen Zugriff hat. Die Vorsitzende ist offenbar unzufrieden mit dem Verlauf des Prozesses und der Arbeit der Staatsanwaltschaft. „Ich habe das Gefühl, dass die Staatsanwaltschaft nicht mit der Objektivität herausrückt“, so die Richterin. Sie finde das Verhalten der Staatsanwaltschaft befremdlich, weil sie keinen Zugang zu den Akten habe. „Das habe ich noch nie erlebt.” Hemmerich wünsche sich, das Verfahren abzuschließen - auch wegen der konstanten Presseberichterstattung. Die Staatsanwaltschaft entgegnet wiederum, dass das Gericht keinen Einfluss auf die Ermittlungen im Verfahren um Kasia Lenhardt nehmen soll. „Ich habe das Gefühl, wir kommen in diesem Verfahren nicht mehr zusammen”, so die Richterin in Richtung Staatsanwaltschaft.

Boateng mit seinem Anwalt am 5. Juli im Gericht
Jérôme Boateng mit seinem Anwalt am 5. Juli im Gericht
RTL

Ist Sherin S. nicht vernehmungsfähig?

Als Nächstes geht es um den Zustand von Sherin S., die nicht im Saal anwesend ist. Die Richterin fragt, ob Boatengs Ex im Moment suizidgefährdet sei. Ihre Anwältin Carolin Lütcke erklärt, dass sie sich Sorgen um Sherin mache und dass es nochmal eine Situation wie bei Kasia geben könnte. „Von unserer Seite aus können wir das Verfahren hier heute beenden.” Boatengs Anwalt möchte die Situation besprechen, wenn beide Parteien im Raum sind. Die Sitzung wird daraufhin unterbrochen und die Öffentlichkeit muss den Gerichtssaal verlassen.

Die Verhandlung wird um 11.30 Uhr fortgesetzt. Ziel des Rechtsgesprächs zwischen Boateng und seiner Ex war es, die weitere Beweisaufnahme zu beenden. Sherins Anwältin betont, sie hätte gerne eine Lösung gefunden und den Prozess heute beendet. Aber: Keine Einigung! Es geht also weiter.

Boatengs Mutter: „Seit Jahren misshandelt mein Sohn Frauen physisch und psychisch”

Die Anwältin von Sherin legt Aussagen von Boatengs Mutter Martina vor, die ihn belasten. Er habe früh Gewalt erfahren, Boatengs Vater habe seiner Mutter zweimal die Nase gebrochen. Jérôme soll als Kind schnell aggressiv geworden sein, machte eine Therapie, schlug seine Schwester und auch seine Mutter. Er wurde oft handgreiflich gegenüber seinen Freundinnen. „Seit Jahren misshandelt mein Sohn Frauen physisch und psychisch”, hieß es demnach in einer E-Mail von Boatengs Mutter.

Es wird auch aus Sprachnachrichten von Boatengs Mutter, Kasia und Sherin zitiert. Eine eidesstattliche Versicherung der Mutter aus dem Familienverfahren im März 2021 wird erwähnt: Ihr ist bekannt, dass ihr Sohn gewalttätig ist. Sie habe Angst, dass sie wegen der Aussage um ihr Leben fürchten muss. Es gebe Text- und Sprachnachrichten der Mutter, in denen sie darüber spricht, dass Boateng ihrer Meinung nach ein Psychopath und sehr manipulativ sei, heißt es. Martina Boateng soll als Zeugin vorgeladen werden, fordert Sherins Anwältin. Richterin Hemmerich: „Ich muss natürlich fragen, ob Frau Boateng von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen will.“

Boateng sitzt währenddessen teilnahmslos da, runzelt nur manchmal die Stirn.

Neue Vorwürfe von Sherin S. gegen Jérôme Boateng

Es geht mit der Vernehmung von Sherin S. weiter. Die Ex-Freundin von Boateng hatte bereits vor zwei Wochen ausgesagt, jetzt betritt sie erneut den Zeugenstand. Richterin Hemmerich greift die Aussagen der zwei Töchter aus der familiengerichtlichen Vernehmung auf. Die Kinder hätten nie von körperlichen Auseinandersetzungen gesprochen. Wie könne das sein? Sherin kann den Grund dafür nicht erklären. Es habe ca. 2016/2017 einen Vorfall gegeben, bei dem Boateng Sherin mit einer Milchpackung beworfen habe. Das wäre die einzige Situation, bei der die Kinder dabei waren.

Sherin erhebt neue Vorwürfe und erzählt von einem körperlichen Übergriff, der zwei Jahre vor dem Karibik-Urlaub bei einer Autofahrt passiert sein soll. Boateng habe sie geschubst, sie sei dabei gegen einen Bordstein geknallt, habe eine Knochenabsplitterung an der Hand erlitten. Boateng und seine Ex würden sich keines Blickes.

Dann geht es wieder um den Karibik-Urlaub im Juli 2018 und vor allem um die Frage, wie kamen die Verletzungen in Sherins Gesicht zustande? Damals eskalierte die Situation zwischen Boateng und seiner Ex nach einem Kartenspiel. Boateng soll ein Windlicht und eine Kühltasche nach Sherin geworfen haben. Sie habe sich an den Glasscherben des zerbrochenen Windlichts geschnitten, Hämatome und Schürfwunden erlitten. Eine Sachverständige befragt sie. Sie habe vor zwei Wochen von einem Kratzer gesprochen, der sei aber auf Fotos nicht zu erkennen. Daher will die Expertin weitere Details wissen: Auf welcher Seite waren die Verletzungen? Welche Farbe hatten die blauen Flecken? Genauer Ablauf?

Außerdem kommt ein mutmaßlicher Geburtstagsvorfall am 15. Oktober 2016 zur Sprache. Es sei eine Überraschungsparty gewesen, Boateng habe viele Leute eingeladen und Sherin ein Auto geschenkt. Nach der Party: Er wollte sie nach Hause fahren, sie wollte aber nicht. Er habe sie körperlich angegriffen, sie habe sich gewehrt und mit ihrem klobigen Schuh seine Lippe getroffen. Er habe sie danach über den Parkplatz „gejagt”, sie sei gefallen und habe sich am Arm verletzt. Auf dem Beifahrersitz: Jimmy Boateng. Zwei Menschen saßen hinten, sie könne sich nicht mehr genau erinnern, wer. Sherin wollte Anzeige erstatten, der Polizist wollte die Anzeige erst nicht aufnehmen, hat sie aber letztendlich aufgenommen. Der Polizist habe es so aufgenommen, als wolle sie Druck im Sorgerechtsstreit ausüben.

Überraschende Einlassung von Boateng

Boateng äußert sich kurz. Er wolle sich einlassen, weil ihm klar war, dass heute das Thema zu seiner Mutter kommt. Dazu wolle er was sagen. Seine Mutter und Sherin S. hatten laut dem Fußballer nie ein gutes Verhältnis. Nach dem Tod von Kasia durfte die Mutter die Kinder nicht mehr sehen, deswegen war sie sauer. Er wirft Sherin vor, sich immer die Menschen zu suchen, die sowieso sauer auf Boateng sind, um das auszunutzen.
Zu der Therapie, die er als Kind gemacht hat: Die habe er gemacht, weil seine Eltern sich getrennt haben, nicht weil er aggressiv war.

Während Boatengs Aussage musste Sherin den Saal verlassen, kommt danach wieder rein.

Was ist im Oktober 2016 zwischen Sherin S. und Jérôme Boateng passiert?

Jetzt wird Sherin von der Verteidigung befragt. Es geht noch einmal um die Geburtstagsfeier von 2016. Sie sagt auf Nachfrage aus, dass sie getrunken habe, nicht mehr wisse, ob sie eifersüchtig war und sich nicht erinnere, sich für den Tritt entschuldigt zu haben.

Es wird eine Nachricht vorgelesen, die sich auf den Geburtstagsvorfall bezieht. Es werden keine Namen genannt, nur „mein Herz“ „mein Mann“ etc., wirkt wie eine Nachricht von Sherin am Tag danach. Die Person entschuldigt sich, bittet um Verzeihung und sagt, es tue ihr leid, als sie die Lippe gesehen hat. ABER: Sherin kann sich weder erinnern, so eine Nachricht geschrieben zu haben, noch Boateng jemals als mein Herz eingespeichert zu haben.

Richterin genervt von Boatengs Verteidigung

Richterin Hemmerich ist genervt von der Frage-Technik des Boateng-Verteidigers. Die Verteidigung will außerdem erneut einen Antrag stellen. Hemmrich: „Wenn sie mit den Anträgen so weitermachen, haben sie mich als Richterin los, irgendwann habe auch ich einen natürlichen Ruhestand.” Die Richterin wäre Ende August in den vorzeitigen Ruhestand gegangen, hatte aber zuletzt angekündigt, den Ruhestand zu verschieben, um den Prozess zu Ende führen zu können.

Es wird von einem schlimmen Vorfall gesprochen, nach dem Boateng Sherin zur Seite stand. Die Richterin droht aber an, wenn jetzt weiter auf diesen Vorfall eingegangen werde, müsse die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden.

Kein Fußball heute für Boateng? Richterin: „Ich mache heute zur Not noch bis über das Fußballspiel hinaus, weil mir ist das Wurst. Ich muss mir das nicht anschauen.” Um 18 Uhr tritt bei der EM die DFB-Elf gegen die spanische Nationalmannschaft an.

Gutachter schätzt die Verletzungen ein

Jetzt spricht der Sachverständige, weil laut Richterin wenigstens der heute noch Fußball schauen können soll. Er schätzt die Die Schwellung am Auge war schon am Tag selbst, Verfärbung erst am Folgetag. Veränderung spricht für Gewalteinwirkung auf das Auge selbst oder auf die Augenbraue. Diese Verletzung kann nicht durch ein bloßes Zurückschieben entstanden sein, ein Faustschlag zum Beispiel wäre möglich.

Zum Biss: Ein richtiger Biss an der Stelle am Kopf, die Sherin gezeigt hat, ist für einen Menschen gar nicht möglich, an einer seitlicheren Stelle aber schon. Sherin hatte überlegt, dass sich Boateng dabei die Lippe verletzt hat. Auch der Gutachter hält das für möglich.

Weitere Verletzungen wie zum Beispiel Abschürfungen am Knie wären mit Boatengs Schilderung nicht erklärbar, mit Sherins aber schon. Auch der Schnitt am Finger, der durch das zerbrochene Windlicht entstanden sein soll, sei nur möglich, wenn Boateng das Windlicht nach Sherin geworfen habe. Nicht, wenn es nur heruntergefallen wäre, wie Boateng sagt.

Erstes Fazit der Richterin

Richterin Susanne Hemmerich zieht ein erstes Fazit: „Das Bild, das ich mir gemacht habe: Herr Boateng hatte mehrere Frauen am Start, das ergibt sich aus den Akten.“ Einige Frauen hätten sich untereinander kontaktiert und versucht, sich hinter dem Rücken des Fußballers zu verbrüdern.

Hat Sherin S. falsch ausgesagt und Boateng zu Unrecht beschuldigt? Für die Richterin ergibt sich ein Motiv für eine Falschaussage aus den Familienakten. Die Ex habe eine 120-Quadratmeter-Wohnung mit Garten und ein Auto von dem Fußball-Star gefordert. Hemmerich: „Einfach gesagt: Die finanzielle Absicherung.“

Nach diesen Worten der Richterin verzichtet der Boateng-Verteidiger auf eine weitere Befragung. Sherin S. wird aus dem Zeugenstand entlassen. Es gibt wieder eine Unterbrechung. Der Verhandlungstag zieht sich. Das Gezerre im Prozess gegen Fußball-Profi Jérôme Boateng geht vorerst weiter - die Vorsitzende Richterin Susanne Hemmerich setzt aber auf ein baldiges Ende.

Vierter Prozess-Tag zu Ende - mögliche Plädoyers schon beim nächsten Mal

Am Freitag scheiterten zwar neuerliche Verhandlungen über eine Verständigung. Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Nebenklage hätten keine Einigung erzielen können, sagte Richterin Hemmerich anschließend in der Verhandlung vor dem Landgericht München I. Bereits zu Beginn des Prozesses war ein sogenanntes Rechtsgespräch ohne Ergebnis geblieben. Am Ende bat die Richterin die Prozessbeteiligten allerdings, sich auf mögliche Plädoyers schon beim nächsten Mal vorzubereiten. „Vielleicht kommen wir ja doch zu einem Ende.”

Am kommenden Freitag, 12. Juli, soll aber zunächst noch Boatengs Mutter als Zeugin befragt werden. Das hatte die Nebenklagevertreterin am Freitag beantragt. Der vierte Prozesstag endet um 16.11 Uhr.

Was an Prozess-Tag 3 passierte

Am 28. Juni kommt Boateng in den Gerichtsaal. Er trägt dasselbe Outfit, wie bei der letzten Anhörung: weißes Hemd, dunkelblauer Anzug. Seine Hände hat er diesmal nicht in seinen Hosentaschen versteckt. Der 35-Jährige bot seinem Anwalt Wasser an - dann geht es los.

Die Familienanwältin von Sherin S. berichtet von einem Anruf von Boatengs Ex-Freundin. Sherin S. soll damals ihre Anwältin angerufen haben und ihr erzählt haben, dass Jérôme sie schon wieder geschlagen habe. Er soll sie mit den Fäusten am Kopf getroffen, sie in die Seite geschlagen, das Auge getroffen und in den Kopf gebissen haben. Die Anwältin berichtet, dass Sherin S. immer und immer wieder geweint haben soll. Sie habe ihr geraten, zur Polizei zu gehen, doch Sherin S. habe wohl zu große Angst gehabt. Daraufhin habe ihre Anwältin ihr geraten, ein Gedächtnisprotokoll zu erstellen. Weiter berichtet die Anwältin, dass ihre Mandantin zwei Tage später mit Sonnenbrille in ihr Büro gekommen sein soll. Als sie die Brille abnahm, habe die Anwältin ihr blau-grünes Auge gesehen. Davon wurde ein Foto gemacht, welches vor Gericht gezeigt wurde. Weiter berichtet die Familienanwältin von Überforderung: „Ich war in diesem Moment selbst überfordert. Ich bin Familienanwältin und keine Strafverteidigerin.“

Dann verliest Boatengs Verteidiger seinen Antrag: Nicht Boateng, sondern seine Ex-Freundin Sherin S. soll gewalttätig gewesen sein. Außerdem stellen die Anwälte von Boateng einen neuen Beweisantrag und wollen, dass die Akten unter anderem von der Staatsanwaltschaft Berlin, von den Familiengerichten und von dem Berliner Strafgericht in den Prozess eingeführt werden. Doch dann kommt der Knaller!

Richterin verschiebt Ruhestand FÜR den Boateng-Prozess

Und dann kommt der Hammer! Richterin Susanne Hemmerich hat einen Entschluss gefasst: Sie will jetzt in dem Verfahren ALLE Zeugen vernehmen lassen. Und damit nicht genug. Eigentlich plädierten alle - auch die Richterin - für einen kurzen Prozess, doch dann gibt Hemmerich bekannt: „Meinen Antrag auf vorzeitigen Ruhestand habe ich zurückgezogen. Diesen Prozess mache ich zu Ende.“

Nach rund vier Stunden ist der Verhandlungstag beendet und die Richterin entschlossen, diesen Prozess bis zum Ende zu begleiten.

Im Video: Welche Rolle spielt dieser Mann im Boateng-Prozess?

DARUM konnte Hauptzeuge von Boateng nicht aussagen

Bei der Befragung von Richter Forstner brachte man zumindest in einem Punkt Licht ins Dunkle. Eigentlich sollte Christian Müller - Fußballer und enger Freund von Boateng - heute als Zeuge aussagen. Im zweiten Prozess sagte er, dass Boateng seine Ex-Freundin nicht geschlagen habe. Aber warum fehlt er heute? Der Grund: Die Staatsanwaltschaft leitete ein Verfahren wegen Falschaussage ein, weil er sich im zweiten Verfahren widersprochen haben soll. Jetzt wolle er deshalb lieber schweigen.

Der Fall Jérôme Boateng: Was bisher geschah

Das Amtsgericht München hatte bereits im Jahr 2021 eine Geldstrafe gegen Boateng verhängt: 60 Tagessätze zu je 30 000 Euro, also insgesamt 1,8 Millionen Euro. Im Oktober 2022 verurteilte das Landgericht München I Boateng wegen eines Angriffs auf seine Ex-Freundin in einem Karibiklurlaub in zweiter Instanz wegen Körperverletzung und Beleidigung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10 000 Euro - insgesamt 1,2 Millionen Euro. Doch das Bayerische Oberste Landesgericht kassierte das Urteil wegen durchgehender Rechtsfehler.

Lese-Tipp: Neuer Prozess gegen Jérôme Boateng

Im September 2023 konnte Jérôme Boateng dann zum ersten Mal aufatmen! Denn: Die Verurteilung des 35-Jährigen wegen Körperverletzung und Beleidigung wurde aufgehoben. Das Bayerische Oberste Landesgericht gab der Revision des Ex-Fußballnationalspielers und auch der von Staatsanwaltschaft und Nebenklage am Donnerstag (21. September) statt und verwies das Verfahren an das Landgericht München I zurück.

Lese-Tipp: Urteil aufgehoben! Das sagt Jérôme Boateng selbst dazu

Doch auch die Staatsanwaltschaft und die Nebenklage hatten Revision gegen das Urteil eingelegt, weil sie eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung und damit eine härtere Strafe gefordert hatten. Auch ihrer Revision gab das Bayerische Oberste Landesgericht statt.

Im Video: Neuer Prozess: Erstmals äußert sich Jérôme Boateng!

Ex-Freundin Sherin S. packt im Boateng-Prozess aus: „Er hat mir ins Gesicht gespuckt”

Am 21. Juli 2024 trafen sich Boateng und seine Ex-Freundin Sherin S. - zum ersten Mal seit sehr langer Zeit - wieder vor Gericht. Zuvor hatte der einstige FC Bayern München-Star seine Sicht der Dinge geschildert, dann war die Nebenklägerin dran. „Er hat mir ins Gesicht gespuckt. Dann hat er mir mit beiden Händen frontal ins Gesicht geschlagen. Mich nach unten gedrückt, an den Haaren gerissen. Mir in den Kopf gebissen”, erzählt sie unter anderem. Was sonst noch vorgefallen sein soll, gibt’s hier zum Nachlesen. (mit dpa)