„Dann sündige ich lieber!“
Redakteurin testet Dry January – was Tag 17 mit ihr gemacht hat

Ist es wirklich so einfach, den Dry January durchziehen, oder ist bei manchen Hopfen und Malz verloren?
Der „trockene Januar“ erfreut sich nach den Weihnachtsfeiertagen in Deutschland jedes Jahr größter Beliebtheit! Auch ich wollte einen Monat lang auf Alkohol verzichten. Ist es mir gelungen? Und was habe ich aus dem Selbsttest gelernt? Ein Erfahrungsbericht.
Dry January: Redakteurin wagt den Selbstversuch
Ich komme ursprünglich aus dem Rheingau, einer Weinregion in Hessen. In meiner Heimat gehört das tägliche Glas Riesling für viele zum guten Ton. Das war bei mir zu Hause zwar ganz anders, aber diese Grundeinstellung zum Alkohol hat mich geprägt. Ich bin eher eine Gesellschaftstrinkerin und an einem Abend mit Freunden fällt es mir schwer, ein leckeres Kölsch auszuschlagen. Doch im Januar 2025 wollte ich den Dry-January-Trend dann auch einmal ausprobieren! Einen Monat lang komplett alkoholfrei unterwegs sein? So schwer kann das doch nicht sein.
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Arzt: So wirkt sich der Dry January auf den Körper aus
Zunächst höre ich bei Arzt und Allgemeinmediziner Dr. Christoph Specht nach, wie sich der alkoholfreie Monat körperlich auswirkt. Stimmen die Gerüchte, dass es uns nach einem Monat ohne Alkohol richtig gut geht und wir auch noch viel besser aussehen?
„In der Tat, nach vier Wochen gehen die Leberwerte herunter und die Leberenzyme verbessern sich. Auch der Blutdruck sinkt. Und was viele positiv bemerken: Der Schlaf wird besser, gerade wenn es darum geht, durchzuschlafen“, erklärt Dr. Specht. Und auch optisch könnte ich etwas an mir bemerken, wie der Arzt vorhersagt. Denn unsere Haut soll sich ebenfalls verbessern.

„Man sieht frischer aus, weil das Collagen wieder etwas straffer ist. Viele schmieren sich für viel Geld Kosmetik ins Gesicht, doch am meisten bringt Alkoholverzicht“, weiß Dr. Specht. Doch zum Schluss hat er auch noch eine ernüchternde Erkenntnis für mich parat. „Egal, wie viel man vor dem Dry January getrunken hat. Es wäre viel mehr damit erreicht, wenn man Alkohol dauerhaft reduziert, anstatt einen Monat nichts zu trinken.“
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Dry January: Einfacher Start mit positiven Effekten
Also geht es los – ich starte erst einmal mit diesem einen Monat! Und der Anfang fällt mir wirklich ziemlich leicht. Nach so vielen Feiertagen und Anlässen mit Wein, Sekt und Bier vermisse ich den Alkohol kein bisschen. Und ich bemerke sogar recht schnell, dass ich mich gesünder fühle – irgendwie ausgeruhter. Ich schlafe tiefer und fühle mich morgens vitaler. Die ersten 14 Tage sind von diesem Gefühl geprägt, und das gefällt mir. Doch meine Haut hat sogar ein paar mehr Unreinheiten als sonst, dabei habe ich tendenziell eine relativ reine Haut. Optik-Fazit: Auf die strahlend schöne Model-Haut muss ich wohl noch warten – oder habe, was das angeht, wohl einfach gerade Pech gehabt.
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Quizabend – hier kommt alkoholfreier Riesling ins Spiel
Noch macht es mir Spaß, mich im Supermarkt staunend von der großen Auswahl in der alkoholfreien Ecke (die ich bisher kaum kannte) beeindrucken zu lassen. Denn ein Spieleabend mit Freunden steht an. Eigentlich war ein Karaoke-Spiel geplant. „Aber singen ohne Alkohol?“, fragt mich meine Freundin verständnislos. Das sollten wir doch lieber nach meinem Selbsttest machen. Ich pflichte ihr bei, obwohl ich mich der Herausforderung gerne gestellt hätte. Also wird es wohl ein Quizabend mit Trivial Pursuit.
Und zwischendurch schenke ich mir mein Spezialgetränk nach. Alkoholfreier Riesling schmeckt für mich wie stark säurehaltiger Saft ohne Pfiff. Aber der Abend fühlt sich damit trotzdem feuchtfröhlich an. Und ich fühle mich am nächsten Tag kein bisschen benebelt, wie es mit „richtigem“ Wein durchaus hätte passieren können. Ein Effekt, der mir ausgesprochen gut gefällt! Fit springe ich am nächsten Tag aus dem Bett und gehe zur Arbeit.
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„Ich verrate dich auch nicht“ – Tag 17 mit ernüchternder Bilanz
Tage später fällt mir auf: Das einzig Schwierige am Dry January sind die Wochenenden. Eine frühere Kollegin will freitags „etwas mit mir trinken gehen“. Schon nach der Begrüßung im Restaurant kündige ich meinen Selbstversuch etwas entschuldigend an und kassiere dafür einen Lacher. Zunächst geht alles gut.
Wir sprechen darüber, dass jährlich 40.000 Menschen in Deutschland an Alkoholkonsum sterben (Quelle: Bundesministerium für Gesundheit) und 1,4 Millionen alkoholabhängig sind. Erschreckende Zahlen, mit denen der Großteil der Gesellschaft ja absolut nichts am Hut hat, so sehen wir es jedenfalls. Doch der Verlauf des Abends lässt mich rückblickend daran zweifeln. Denn als ich von der Toilette komme, steht plötzlich eine zweite Weinschorle vor mir – und mein Gegenüber sagt nur verschwörerisch lächelnd: „Komm, ich verrate dich auch nicht.“ Dem vollen Glas kann ich nicht widerstehen und so beginnt ab Tag 17 mein Try January – also nur noch der Versuch, Alkohol möglichst wegzulassen. Als ich abends nachdenklich im Bett liege, frage ich mich: Hat mir ernsthaft schon nach zwei Wochen der Wille gefehlt oder das Durchhaltevermögen?
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31 Tage kein Alkohol – warum habe ich es nicht durchgezogen?
Einen Tag später bleibe ich guten Willens, aber gezwungenermaßen im Try-January-Modus. Samstags trinke ich mit einer Freundin bei einer Karnevalsparty über den vierstündigen Abend verteilt drei Kölsch. Frei nach dem Motto: Jetzt ist es ja für dieses Wochenende auch egal! Doch ich trinke weniger als sonst bei einem solchen Event. Und ich habe auch ein schlechtes Gewissen dabei. Ich frage mich, wieso es mit dem Experiment nicht 31 Tage funktioniert hat. Dabei bin ich doch sonst so konsequent und ziehe alles durch. Aber hierbei hat mir der Wille plötzlich gefehlt. Ich wollte mich nicht dogmatisch an etwas halten, was mich bei spaßigen Aktivitäten einschränkt, dann sündige ich lieber!
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Try January vorbei – was ich aus dem Test gelernt habe
Wenn ich eins aus diesem Monat für die Zukunft gelernt habe, dann, dass es im Leben nicht darum geht, 31 Tage im Jahr „stark zu bleiben“. Vielmehr müssen wir als Gesellschaft – und insbesondere ich – bewusster mit Alkohol umgehen. Früher habe ich oft noch ein letztes Glas getrunken, das es eigentlich nicht gebraucht hätte. Zukünftig will ich dieses Glas weglassen und nicht inflationär mittrinken, nur weil es gerade passt. Abschließen will ich meinen Selbsttest mit den Worten von Dr. Christoph Specht, der im Vorgespräch etwas Interessantes festgestellt hat: „Aufs ganze Leben bezogen bringt uns der Dry January leider gar nichts. Wasserski fahren mit 99 Jahren erreichen wir nicht, wenn wir jedes Jahr einen Monat keinen Alkohol trinken. Viel wichtiger ist es, den Konsum dauerhaft zu reduzieren.“
Tja und auch, wenn das nicht immer klappt, ist es doch zumindest einen Versuch – also so etwas wie einen Try January – wirklich wert. Findet ihr nicht?