Tierschützer in SorgeWerden HIER bald Hunde brutal getötet?

Ein Straßenhund liegt in Istanbul vor einem Cafe auf dem Bürgersteig.
Ein Straßenhund schläft vor einem Café in Istanbul. Droht ihm und seinen Artgenossen bald ein brutaler Tod?
Mirjam Schmitt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Droht Straßenhunden in der Türkei bald ein brutales Schicksal?
Eine von der islamisch-konservativen AKP geplante Gesetzesänderung könnte genau dafür sorgen! Statt Tierheim oder Kastration droht den Straßenhunden mit weniger Glück dann womöglich der schnelle Tod. Tierschützer sind alarmiert.

Der Entwurf ist nicht öffentlich, doch seit Details an die Medien durchgesickert sind, schlagen Tierschützer Alarm. Der Sender NTV berichtete, geplant sei, dass Tierheime auch kerngesunde Hunde künftig einschläfern sollen, wenn sie nach 30 Tagen nicht an einen Besitzer vermittelt werden konnten. Weitere Straßenhunde sollen eingesammelt und dann genauso verfahren werden. Dazu wäre eine Änderung des türkischen Tierschutzgesetzes nötig, das die AKP selbst 2004 verabschiedet hatte. Das Gesetz soll das Tierwohl sichern und verbietet bis auf wenige Ausnahmefälle wie Krankheit das Töten von Straßentieren.

Tierärzte rebellieren und verweigern Umsetzung

Die türkische Tierärztevereinigung erklärte, dass der Plan nicht mit ihrem Berufsethos vereinbar sei und sie sich als Veterinäre weigerten, das Einschläfern durchzuführen. „Die Euthanasie kann nur von einem Tierarzt durchgeführt werden und diese an gesunden Tieren anzuwenden, ist gleichbedeutend mit einem Massaker.“

Nach Schätzungen des Umweltministeriums gibt es in der Türkei etwa vier Millionen Straßenhunde. Anwohner in der Istanbuler Innenstadt kümmern sich teils liebevoll um herrenlose Katzen und Hunde, manche erhalten sogar Kosenamen. Doch immer wieder werden vor allem Kinder durch Straßenhunde verletzt. Präsident Recep Tayyip Erdogan machte kürzlich auf den Fall des zehnjährigen Tunahan aufmerksam, der Berichten zufolge Anfang Dezember in der Hauptstadt Ankara von zwei Straßenhunden angegriffen und schwer verletzt worden war. Das Problem der herrenlosen Hunde betreffe die „Sicherheit des Volkes“, so Erdogan.

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So besteht über die Parteienlandschaft hinweg Einigkeit darüber, dass die Population der Straßenhunde gesenkt werden müsse, aber Uneinigkeit darüber wie. Die AKP will ihren Entwurf angesichts des „sensiblen“ Themas auf Anfrage der dpa zurzeit nicht kommentieren. Befürworter verweisen in der Regel darauf, dass etwa auch in Großbritannien das Töten von streunenden Hunden nach einer siebentägigen Verwahrfrist erlaubt ist. Deutschland lehnt die Euthanasie von gesunden Tieren dagegen strikt ab.

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Konsequente Kastration als bewährte Methode

Tierschützern zufolge lässt sich die Straßentierproblematik nachhaltig nur durch Einfangen, gezielte Kastrierung, Impfung und wieder Aussetzung in das Herkunftsgebiet lösen. Das sei wissenschaftlich erwiesen und zeige die Praxis etwa bei Modellprojekten in Rumänien, sagt Luca Secker, Referentin beim Deutschen Tierschutzbund, der Deutschen Presse-Agentur.

Dieses Vorgehen ist jetzt schon im türkischen Gesetz vorgesehen. Doch an der Umsetzung mangelt es, wie Tierschützer einheitlich beklagen. Als Konsequenz daraus habe die Population der Straßentiere zugenommen.

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Die Population werde weder mit Töten noch Einsammeln reduziert, das habe die Vergangenheit gezeigt, sagte der Vorsitzende der Tierschutzorganisation Haytap, Ahmet Kemal Senpolat, der dpa. Auch Secker kritisiert, die Euthanasie von gesunden Hunden sei massiv tierschutzwidrig und sorge darüber hinaus nicht für eine nachhaltige Verminderung der Population. Wenn man Tiere entnehme, dann stünden den verbleibenden Tieren auf der Straße mehr Ressourcen wie Unterschlupf, Wasser und Essen zur Verfügung, erklärt sie. Die Lücke werde also schnell wieder geschlossen.

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Angst vor grausamen Tötungsmethoden

Angesichts der Zustände in den Tierheimen und der mit der Euthanasie verbundenen Kosten fürchtet Senpolat, dass die Hunde in der Praxis grausam getötet, etwa erschossen oder bei lebendigem Leibe begraben werden.

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Die Sorge, dass die Tiere nicht schmerzfrei eingeschläfert werden, teilt Secker. Das zeigten Erfahrungen aus anderen Ländern. Im ukrainischen Odessa etwa seien früher Tiere vergast oder erschlagen worden, in Russland gebe es Beispiele von Verbrennung. „Was auch passiert, ist das Ausbleiben der Versorgung in den Tierheimen, die verdursten oder fressen sich gegenseitig. Wir sehen bei dem Töten in diversen Ländern, dass an allen Ecken und Kanten gespart wird, auch an der Euthanasiemethode.“

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Medien: Präsidentengattin schaltet sich ein

Ob der umstrittene Vorschlag noch entschärft wird, ist derweil ungewiss. Zuletzt hieß es in türkischen Medien, Emine Erdogan, die Ehefrau des Präsidenten, habe sich an dem Vorhaben gestört und interveniert. Die Regierungspartei AKP diskutiere zurzeit parteiintern weiter. Der Fraktionsvorsitzende Abdullah Güler wiegelte bereits ab und sagte, man habe kein Problem mit Hunden, die Teil des Viertels sind und von den Anwohnern „Kamille“ oder ähnlich getauft wurden, sondern mit „aggressiven“ Straßenhunden.

Auch Erdogan schien zuletzt beschwichtigen zu wollen und sagte, man wolle mit der Änderung des Gesetzes die Vermittlung herrenloser Hunde fördern. „Wir möchten, dass alle Tiere, die in Tierheime aufgenommen werden, adoptiert werden“, sagte er. Dann sei der nächste Schritt gar nicht nötig. (dpa/eon)