Eltern wollten sie nicht ins Krankenhaus bringen

Als Pauline (†16) stirbt, wiegt sie nur noch 19 Kilo!

von Michaela Johannsen und Jan Luhrenberg

Wollten die Eltern ihre Tochter schützen oder handelten sie grob fahrlässig?
Diese Frage muss jetzt ein Gericht klären. Fest steht: Paulines Leben endet am 19. Dezember 2022 um 3.46 Uhr - im Alter von nur 16 Jahren. Zum Zeitpunkt ihres Todes wiegt sie 19 Kilogramm. Die Staatsanwaltschaft ist sicher: Mutter und Vater haben ihr Kind verhungern lassen.

Knapp zwei Jahre nach dem Tod von Pauline (†16) müssen sich ihre Eltern Sabrina und Werner D. vor dem Landgericht Schweinfurt verantworten. Haben sie ihre Tochter verhungern lassen?
Pauline wurde nur 16 Jahre alt.
Privat

„Das Kind war nur noch Haut und Knochen”

Knapp zwei Jahre nach ihrem Tod müssen sich ihre Eltern vor dem Landgericht Schweinfurt verantworten. Der Staatsanwalt wirft dem Ehepaar Sabrina und Werner D. vor, keine ärztliche Hilfe für Pauline geholt zu haben. Obwohl beide gewusst haben sollen, dass ihre Tochter in Lebensgefahr war. Der 51-jährige technische Angestellte und seine 48 Jahre alte Frau, eine ausgebildete Erzieherin, sind wegen versuchten Totschlags, Aussetzung und gefährlicher Körperverletzung angeklagt.

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Pauline liebt Häkelarbeiten, teilt ihr Wissen in den sozialen Medien. Die Teenagerin soll an Magersucht und einer Angststörung gelitten haben. Sie war mangelernährt und hatte sich kurz vor ihrem Tod mit dem Coronavirus infiziert. Zudem hatte sie einen Magen-Darm-Infekt. Als der Notarzt eintraf, konnte er nur noch Paulines Tod feststellen. 20 Minuten versuchte er nach eigenen Angaben, sie ins Leben zurückzuholen: „Das Kind war nur noch Haut und Knochen”, sagt er. Weil Pauline so abgemagert war, informierte der Notarzt die Polizei.

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Pauline wollte auf gar keinen Fall ins Krankenhaus

Vor Gericht versuchen die Eltern zu erklären, was passiert ist. Selbst sprechen sie nicht. Ihre Verteidiger verlesen einen Erklärungsversuch. Paulines Mutter lässt ausrichten: Sie als Eltern würden die Verantwortung an dem Tod ihrer Tochter tragen. Heute sehe sie als Mutter vieles in einem anderen Licht. Sie würden sich die größten denkbaren Vorwürfe machen, hätten die Gefährlichkeit der Situation nicht wahrgenommen. „Natürlich bewerte ich mein Verhalten im Nachhinein völlig anders.” Sie sei sehr traurig und fühle sich „Pauline gegenüber sehr schuldig”.

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Ihr Verteidiger spricht weiter in ihrem Namen: „Aus meiner Sicht waren wir eine ganz normale Familie.“ Pauline und ihre beiden älteren Geschwister wären der Mittelpunkt gewesen. Die Corona-Pandemie habe das Leben damals entscheidend verändert, vor allem die Einschränkungen in sozialen Beziehungen: „In der gesamten Zeit lebten wir sehr zurückgezogen.“ Pauline sei ein „modebewusstes Mädchen“ gewesen, aber sie habe auch an einer Angststörung gelitten und wollte nicht ins Krankenhaus. Heute wisse sie, dass es falsch war, Paulines Wunsch, nicht in die Klinik zu kommen, nachzukommen. „Sie hat selbstständig getrunken und auch immer wieder Salzstängchen gegessen!” Weiter heißt es in der Stellungnahme: „Ich kann gar nicht in Worten ausdrücken, wie leid mir alles tut.“

Knapp zwei Jahre nach dem Tod von Pauline (16) müssen sich ihre Eltern vor dem Landgericht Schweinfurt verantworten. Der Staatsanwalt wirft dem Ehepaar Sabrina und Werner D. vor, keine ärztliche Hilfe geholt zu haben.
Knapp zwei Jahre nach dem Tod von Pauline (16) müssen sich ihre Eltern vor dem Landgericht Schweinfurt verantworten.
Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Die Familie macht sich schwere Vorwürfe

Für Vater Werner D. spricht sein Anwalt: Er als Vater habe Schuld auf sich geladen und es gäbe keinen Tag, an dem er nicht an seine Tochter Pauline denke. „Ich erschrecke mich, was passiert ist. Ich hoffe, Pauline kann mir verzeihen.“ Und weiter: Es sei „das Schlimmste, was unserer Familie passieren konnte.“

Die Familie mache sich schwere Vorwürfe: „Wir haben uns bis zuletzt nicht vorstellen können, dass Pauline stirbt.“ Er trage Verantwortung am Tod der Tochter und habe eine verzerrte Einschätzung gehabt. Pauline war ein zierliches, sensibles Mädchen und wollte vehement nicht ins Krankenhaus. Die Corona-Zeit habe die Familie enorm eingeschränkt. Aber: „Ich hatte bis zuletzt gedacht, dass alles wieder gut wird.“ Heute sei ihm klar: „Ich hätte dafür sorgen müssen, dass Pauline, auch gegen ihren Willen, in einem Krankenhaus behandelt wird. “

Kripo-Beamter ist beim Anblick von Pauline geschockt

Ein Beamter der Kripo sagt vor Gericht aus. Für ihn war es ein schockierender Anblick. Pauline lag tot im Schlafzimmer der Eltern auf dem Boden. Im Bett der Mutter habe sie in den letzten Tagen übernachtet. Auf dem Nachtisch wäre Traubenzucker gewesen. Für den Beamten war ihr Anblick „erschreckend“. Sie sei wie ein Skelett gewesen. „Der Körper war komplett ausgezehrt, das kann nicht von heute auf morgen gewesen sein.“ Der Beamte habe den Eindruck gehabt, „dass die Eltern das selbst regeln wollten”.

Drei Verhandlungstage nimmt sich das Gericht Zeit, Paulines Tod aufzuklären. Am 26. November soll das Urteil fallen.