„Die Last dieses Verbrechens erdrückt mich“
Pelicot-Tochter Caroline erinnert sich an Schockmoment

Es ist 20.25 Uhr am 2. November 2020, als Caroline Darian „die letzten Sekunden eines normalen Lebens“ erlebt.
In ihrem Buch „Und ich werde dich nie wieder Papa nennen“, das am 16. Januar 2025 auch auf Deutsch erscheint, berichtet die Tochter von Dominique und Gisèle Pelicot von dem Tag, an dem sie erfährt, dass ihr Vater festgenommen wurde und was ihm vorgeworfen wird. „In einer Sekunde ist mein Leben auf schwindelerregende Weise ins Wanken geraten“, erinnert sie sich im Vorwort.
Caroline Darian bricht im Haus ihrer Eltern zusammen
Der Mann, den sie 42 Jahre lang für einen liebenden Vater gehalten hat, ist plötzlich ein Sexualstraftäter. Ihre Mutter ruft an und erzählt ihr, dass Dominique Pelicot festgenommen wurde, weil er seine Ehefrau jahrelang betäubt hat, um sie von fremden Männern vergewaltigen zu lassen. „Manchmal habe ich das Gefühl, in einem endlosen Albtraum gefangen zu sein. Ich wünschte, ich könnte aufwachen“, beschreibt sie in dem Buch.
Gisèle Pelicot will damals so schnell wie möglich aus dem Haus heraus, in dem sich ein Großteil der Vergewaltigungen abspielte. Während Caroline ihrer Mutter hilft, ihre Sachen zu, geht es ihr psychisch immer schlechter. Sie bricht zusammen und traut sich nachts nicht mehr allein in ihrem Zimmer zu schlafen. Denn auch von ihr werden mehrere Fotos auf dem Computer ihres Vaters gefunden.
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Caroline Darian glaubt, dass Dominique Pelicot auch sie vergewaltigt haben könnte
Bis heute weiß die Tochter nicht genau, was ihr Vater mit ihr gemacht hat. Vor Gericht stritt Dominique Pelicot ab, Caroline betäubt und vergewaltigt zu haben. Doch das glaubt sie ihrem Vater nicht. „Inzwischen bin ich überzeugt davon, dass er seine Schlafmittelcocktails auch an mir ausprobiert hat“, schreibt die Tochter in ihrem Buch.
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Sie berichtet auch von einer Befragung bei einer Ermittlungsrichterin, der sie sich an mehrere Notoperationen im Jahr 2019 erinnert. Damals habe sie eine Verletzung im Intimbereich gehabt, die weder sie selbst noch die Chirurgen erklären konnten. Monatelang sei die Wunde nicht richtig verheilt und sie habe starke Schmerzen gehabt. Caroline fürchtet, dass es einen Zusammenhang mit den nächtlichen Aktivitäten ihres Vaters geben könnte. Beweise finden die Ermittler dafür aber nicht. Sie wird wohl für immer im Ungewissen bleiben, was ihr Vater mit ihr gemacht hat.

Pelicot-Tochter muss in psychiatrische Notaufnahme
Wenige Tage nach der Horrornachricht ihrer Mutter muss Caroline sich in eine psychiatrische Notaufnahme begeben, erzählt sie. Weil es ihr so schlecht geht, bekommt sie ein Beruhigungsmittel verabreicht. Doch das macht die Situation nur schlimmer für sie. „Wenn ich hier nicht wegkomme, wird mein Vater aufkreuzen, wird mich beobachten, mich anfassen, als sei ich sein Spielzeug, wird Fotos machen und wer weiß, Männer kommen lassen“, beschreibt Caroline das Gefühl, das sie plötzlich überkommt. Sie muss den Ärzten erklären, dass das Trauma, das sie erlitten hat, mit dem Ruhigstellen durch Tabletten verknüpft ist.
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Sie berichtet, dass sie nachts plötzlich Angst hat, dass fremde Männer ins Haus kommen könnten. Denn die Polizei findet auch Aufnahmen der betäubten Gisèle, die in Carolines Haus entstanden sind, während die mit ihrer Familie im Urlaub ist. Das eigene Schlafzimmer fühlt sich plötzlich nicht mehr sicher an. Sie hat Angst vor der Dunkelheit, und Angst vor Männern, berichtet Caroline.
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Gleichzeitig fühlt sie sich schuldig, weil sie ihren Vater geliebt hat, obwohl er zu so schrecklichen Taten fähig war. Und sie hat ein schlechtes Gewissen, weil sie nicht früher erkannt hat, was mit ihrer Mutter los ist. „Ich fühle mich schrecklich allein und winzig klein, die Last dieses Verbrechens erdrückt mich.“
Dominique Pelicot wird wegen Vergewaltigung verurteilt
Dominique Pelicot wird 2020 festgenommen, nachdem er mehrere Frauen im Supermarkt unter dem Rock gefilmt hatte. Auf seinem Computer finden die Ermittler dann unzählige Aufnahmen der nächtlichen Vergewaltigungen im Ehebett der Pelicots. Im Dezember 2024 werden Pelicot und 50 weitere Mitangeklagte vom Gericht in Avignon schuldig gesprochen und verurteilt.
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Mit dem Buch, das im Verlag Kiepenheuer & Witsch erscheint, versucht Caroline Darian ihr Trauma aufzuarbeiten. „Es ist eine dichte, kalte Dunkelheit, die mein Vater mir vererbt hat“, erklärt sie. „Mit dem Schreiben dieses Buches habe ich sie nicht zu vertreiben vermocht, aber ich konnte sie erforschen, um weniger Angst vor ihr zu haben.“
Solltet ihr unter sexueller Gewalt leiden, findet ihr Hilfe unter der kostenlosen Hotline 08000 – 116 016 oder unter www.hilfetelefon.de.