„Kann ich Opi im Gefängnis besuchen?“
Wie Pelicot-Tochter Caroline ihrem Sohn (6) von den Horrortaten seines Großvaters erzählte

Wie soll man sowas einem Kind erklären?
Zehn Jahre lang betäubte Dominique Pelicot seine Ehefrau heimlich, um sie nachts von fremden Männern vergewaltigen zu lassen. Als er festgenommen wird, muss Tochter Caroline Darian ihrem kleinen Sohn plötzlich beibringen, dass er seinen Opa nicht mehr wiedersehen kann.
Pelicot-Tochter muss ihrem Sohn sagen: „Opi hat etwas sehr Schlimmes gemacht”
In ihrem Buch „Und ich werde dich nie wieder Papa nennen“, das am 16. Januar 2025 auch auf Deutsch erscheint, beschreibt sie den Moment. Im November 2020 setzt sie sich mit dem sechs Jahre alten Tom aufs Sofa, um ihm zu erklären, was los ist. Sie selbst weiß auch erst seit ein paar Tagen, was ihrem Vater vorgeworfen wird. Und sie weiß, dass Toms ältere Cousins schon Bescheid wissen.
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Damit er es nicht von ihnen erfahren muss, erklärt sie ihrem Kind: „Du hast vielleicht mitbekommen, dass ich wegen Opa traurig bin. Ich werde alles tun, damit es mir besser geht. Aber die Sache ist, Tom, dass dein Opi etwas sehr Schlimmes gemacht hat. Er hat gelogen und deiner Omi wehgetan.“
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Dominique Pelicot und sein Enkel hatten ein gutes Verhältnis
Dann erklärt sie dem Grundschüler, was ein Gefängnis ist und dass sein Großvater dort nun einsitzt. „Kann ich Opi im Gefängnis besuchen? Oder ihm Bilder malen und ihm schicken?“, habe ihr Sohn sofort gefragt, erinnert sie sich in ihrem Buch. Tom will auch wissen, ob ihr ihr Vater nicht fehlen werde, wenn sie ihn nicht mehr sehen könne.
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Nach dem Gespräch möchte ihr Sohn allein sein, beschreibt Caroline Darian. Sie lässt ihn in sein Zimmer gehen. Als sie ein paar Minuten später nach ihm sieht, liegt Tom auf seinem Bett. „Sein Gesicht ist tränenüberströmt, und er blickt zur Decke. Er weint lautlos, wie ein Erwachsener“, schildert die Pelicot-Tochter in ihrem Buch. „Ich nehme es meinem Vater sehr übel, dass er ihm das antut“, erklärt sie. Ihr Sohn habe psychologische Hilfe gebraucht, um zu verarbeiten, was mit seiner Familie passiert ist.
Caroline Darian nannte ihren Sohn Dominique nach ihrem Vater
In den Tagen, bevor der Junge von dem Drama erfährt, schaut er noch mit seinem Vater zusammen Fußball. Caroline erzählt, dass der Großvater und ihr Sohn ein Ritual hatten. Vor einem Spiel hätten sie sich immer gegenseitig angerufen, um zu tippen, wie es ausgeht. „Diesmal bemerkt mein Sohn bloß: ‚Papa, sag Opa, dass ich für Olympique Marseille bin.‘“ Ihr Mann Pierre sei vor Schmerz erstarrt und habe seinem Schwiegervater danach eine wütende Nachricht geschickt, obwohl er wusste, dass der schon im Gefängnis saß und den Text nie lesen würde.
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Caroline Darian erzählt in dem Buch auch, dass sie Tom bei seiner Geburt nach ihrem Vater benannt hat. Sein dritter Vorname sei Dominique gewesen. Als sie erfährt, was für ein Mensch ihr Vater in Wahrheit ist, lässt sie den Namen des Kindes im Familienregister ändern. Inzwischen heißt Tom mit drittem Namen David – wie ihr großer Bruder.
Dominique Pelicot wird 2020 festgenommen, nachdem er mehrere Frauen im Supermarkt unter dem Rock gefilmt hatte. Auf seinem Computer finden die Ermittler dann unzählige Aufnahmen der nächtlichen Vergewaltigungen im Ehebett der Pelicots. Im Dezember 2024 werden Pelicot und 50 weitere Mitangeklagte vom Gericht in Avignon schuldig gesprochen und verurteilt.
Solltet ihr unter sexueller Gewalt leiden, finden ihr Hilfe unter der kosten-losen Hotline 08000 – 116 016 oder unter www.hilfetelefon.de.