Nur in zwei Nationen wird noch weniger geleistet
Deutschland arbeitet viel weniger als andere Industrieländer

1.036 Stunden im Jahr!
So viel haben die Deutschen im Schnitt 2023 gearbeitet. Das geht aus einer neuen Studie des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) hervor. Damit liegen wir im Vergleich zu anderen Wirtschaftsnationen ziemlich weit hinten. Woanders leisten die Menschen über 300 Arbeitsstunden mehr im Jahr.
Nur Frankreich und Belgien arbeiten noch weniger
Von allen 38 Mitgliedsstaaten der OECD-Gruppe, zu der die wirtschaftsstarken Nationen gehören, landete Deutschland auf dem drittletzten Platz. Die am 18. Mai veröffentlichte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass nur in Frankreich (1.027 Arbeitsstunden) und Belgien (1.021 Arbeitsstunden) noch weniger gearbeitet wird als bei uns. Am meisten wurde demnach in Neuseeland gearbeitet (rund 1.402 Arbeitsstunden), gefolgt von Tschechien (rund 1.326 Stunden) und Israel (rund 1.312 Stunden). Bild am Sonntag berichtete zuerst.
Der neue Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat wiederholt gefordert, die Bürgerinnen und Bürger müssten mehr arbeiten. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) richtete in diesem Zusammenhang am Wochenende einen Appell an die Arbeitgeber: Diese müssten bessere Arbeitsbedingungen anbieten, um insbesondere die Erwerbstätigkeit von Frauen zu steigern.
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Deutsche müssten laut Experten mehr arbeiten
Dabei arbeiteten die Deutschen 2023 mehr als noch vor zehn Jahren: 2013 waren es rund 1.013 Arbeitsstunden je Einwohner im Erwerbsalter. „Im Vergleich zu den 1970er-Jahren arbeiten wir weniger, aber seit der Wiedervereinigung arbeiten wir tendenziell immer etwas mehr”, sagte IW-Arbeitsmarkt-Experte und Studien-Autor Holger Schäfer der Bild am Sonntag.
In anderen europäischen Ländern sei die Arbeitszeit in den vergangenen zehn Jahren aber deutlich mehr gewachsen als in Deutschland, heißt es in der Studie. In Spanien sei die Zahl der Pro-Kopf-Arbeitsstunden von 2013 bis 2023 um 15 Prozent gestiegen, in Griechenland um 21 Prozent, in Polen sogar um 23 Prozent. In Deutschland war es nur ein Plus von zwei Prozent. Nötig sei aber, „die individuelle Arbeitszeit in Deutschland zu erhöhen”, schrieb das IW in der Studie.
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Arbeitsministerin will, dass Mütter mehr arbeiten
Bundesarbeitsministerin Bas wies darauf hin, dass mehr Erwerbstätigkeit von Frauen zu mehr geleisteten Arbeitsstunden führen könne. Hier seien die Arbeitgeber gefragt: „Die Arbeitgeber müssen die Arbeitswelt so gestalten, dass mehr Mütter in Vollzeit arbeiten können”, sagte die SPD-Politikerin der Bild am Sonntag.
Bas will die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden in Deutschland vor allem durch mehr Berufstätigkeit von Müttern steigern. „Jede zusätzliche Arbeitskraft und jede zusätzliche Arbeitsstunde bringt uns voran”, sagte die Ministerin. Doch in Deutschland gebe es Frauen, „die unfreiwillig in der Teilzeitfalle sitzen”. Sie wollten mehr arbeiten, könnten es aber nicht wegen fehlender Kinderbetreuung oder familienfeindlicher Arbeitsmodelle.

Weniger Teilzeit, später in Rente
Auch das IW empfiehlt in seiner Studie, dass Menschen in Teilzeitberufen mehr arbeiten. 2023 arbeiteten hierzulande rund 30 Prozent der Erwerbstätigen in Teilzeit, in Italien waren es laut IW rund 18 Prozent, in Polen nur sechs Prozent.
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Ein Grund liege darin, dass der steile Steuertarif bei mittleren Einkommen Mehrarbeit in vielen Fällen unattraktiv mache, kritisierte das IW. Zudem arbeiteten zu wenige Deutsche bis zum regulären Renteneintrittsalter. Wolle die Politik, dass in Deutschland wieder mehr gearbeitet wird, müsse sie „Fehlanreize wie die Rente mit 63 wieder abschaffen”, forderte das IW. (jgr, mit afp)