Was meint ihr - arbeiten wir zu wenig?

Wirtschaftsbosse fordern mehr Arbeit!

von Laura Böhnert und Janina Röttger

Wenn wir den Sozialstaat retten wollen, müssen wir mehr arbeiten.
Das zumindest ist die Schlussfolgerung der großen Wirtschaftsbosse in Deutschland. Denn die Sozialkassen ächzen unter einer wachsenden Belastung.

„Die Arbeitszeit in Deutschland ist zu niedrig.“

In den Sozialversicherungen fehlen Milliardenbeiträge. Die Folgen sind steigende Beiträge für die Pflegeversicherung, Krankenkasse und Rentenbeiträge. Unterm Strich heißt das für Beschäftigte weniger Netto bleibt vom Bruttolohn übrig.

Für Arbeitgeberpräsident Dr. Rainer Dulger Grund genug für eine knallharte Forderung. Auf RTL-Anfrage teilt Dulger mit: „Der Staat muss verstärkt, die unterstützen, die arbeiten. Die Arbeitszeit in Deutschland ist zu niedrig. Das ist ein Problem für den gesamten Wirtschaftsstandort.“

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Auch andere Wirtschaftsbosse schließen sich der Forderung an. So zum Beispiel Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing.

Tarifabschlüsse tendieren derzeit zu weniger Wochenarbeitszeit

Dabei zeigen Studien des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), in Deutschland wird so viel gearbeitet wie noch nie. Allerdings, weil immer mehr Menschen in den Arbeitsmarkt eintreten. Die Wochenarbeitszeit der Einzelnen nimmt hingegen ab. Außerdem sind es vor allem Frauen, die in Teilzeitmodellen arbeiten. Grund dafür ist die Übernahme der sogenannten Care-Arbeit („Sorgearbeit“). Damit ist zum Beispiel die Pflege von Angehörigen und Kindern gemeint.

Dulger fordert daher eine weitere Entlastung: „Die Ampel muss Arbeit attraktiver machen. Dazu gehören niedrigere Lohnzusatzkosten, also mehr Netto vom Brutto. Dazu gehören auch mehr Kitas und Ganztagsschulen. Viele Menschen wollen Vollzeit arbeiten, können aber nicht, weil ihre Kinder nicht gut und ausreichend betreut werden.“

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Eine Absenkung der Wochenarbeitszeit wird derzeit von vielen Gewerkschaften gefordert. Es gibt prominente Beispiele dafür: So sorgte der Tarifabschluss zwischen der GDL und der Deutschen Bahn für Aufsehen. Vereinbart wurde eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Wer freiwillig mehr arbeitet, für den sind bis zu 14 Prozent mehr Lohn drin. Zudem forderte die IG Metall für die Stahlindustrie eine Arbeitszeit von 32 Wochenstunden und 8,5 Prozent mehr Lohn.

Söder sieht Arbeitnehmer in der Pflicht

Unterstützung für die Forderung der Wirtschaftsbosse kommt vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder. Im RTL-Interview macht er deutlich: „Glauben wir eigentlich ernsthaft, dass wir nur mit Teilzeit, nur mit Homeoffice und am Ende möglicherweise mit einer drei Tage Woche erfolgreich sein werden? Während die Welt hungrig ist? Wir müssen wieder mehr arbeiten, aber wir sollten dann die, die mehr arbeiten, auch deutlich besser steuerlich entlasten.“

Bei den Wirtschaftsbossen dürften solche Aussagen für Begeisterung sorgen.