Verstörende Aussagen des Angeklagten Sulaiman A. (26)

„Heute muss jemand sterben“ – Mörder von Polizist Rouven Laur (29) schildert Wahnsinnstat vor Gericht

Polizisten-Killer Sulaiman A. am Dienstag vor dem Oberlandesgericht Stuttgart.
Polizisten-Killer Sulaiman A. am Dienstag vor dem Oberlandesgericht Stuttgart.
RTL
von Lydia Gleich und Konrad Rampelt

Die Worte, die im Gerichtssaal fallen, sind kaum zu ertragen.
Seine Mutter Petra ist da. Seine Schwester Eve ist da. Sie sitzen im Saal, nur wenige Meter entfernt von dem Mann, der ihm das Leben nahm. Rouven Laur (29), Polizist, Kollege, Sohn, Bruder – ermordet am 31. Mai 2024 auf dem Mannheimer Marktplatz. Heute, am sechsten Prozesstag vor dem Oberlandesgericht Stuttgart, müssen sie sich anhören, wie Sulaiman A. (26) von der Wahnsinnstat erzählt.

„Wenn man jemanden töten will – warum eigentlich nicht den Stürzenberger”

Rouvens Mutter Petra, die Schwestern Fee und Eve, gehen am Dienstag in den Gerichtssaal.
Rouvens Mutter Petra (mitte) und Schwester Eve (rechts) gehen am Dienstag in den Gerichtssaal.
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Als Sulaiman A. den Saal betritt, fällt sein Auftreten sofort auf. Er trägt ein sauberes Hemd, weiße Schuhe, eine Brille. Sein langer schwarzer Bart und die ungeschnittenen Haare lassen ihn älter wirken. Auffällig: Er schaut niemanden direkt an.

Als er in Handschellen gefesselt zum Rednerpult geht, senkt er den Kopf. „Was wollen Sie wissen”, fragt er schließlich. Dann beginnt er seine Aussage, wagt es dabei jedoch nicht, die Angehörigen von Rouven Laur anzuschauen. Sein Blick bleibt gesenkt, die Hände gefaltet in den Schoß. Die Mutter des getöteten Polizisten beobachtet ihn still. Sie sagt nichts. Aber sie ist da.

Er beginnt zu erzählen, nennt die Tat „schrecklich”. Sein Leben habe sich seit dem Gaza-Krieg verändert, sagt er. Täglich habe er in Telegram-Kanälen Bilder toter Kinder gesehen. „Ich habe noch nie so viel geweint wie 2023/24.”

Dann lernte er online einen Mann namens „O. R.” kennen, einen mutmaßlich islamistischen Prediger, der ihn überzeugte, Ungläubige zu töten. Er habe ihn gefragt, ob es erlaubt sei, Ungläubige zu töten. Er habe „ein schlechtes Gewissen” gehabt, sich aber von „O. R.” die Absolution geholt. „Wenn man jemanden töten will – warum eigentlich nicht den Stürzenberger”, sagt er vor Gericht. Michael Stürzenberger ist ein islamkritischer Aktivist, der regelmäßig bei Demonstrationen auftritt.

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Polizist Rouven Laur starb bei der Messerattacke in Mannheim.
Der Polizist Rouven Laur wurde bei einem Messerangriff getötet. Jetzt spricht sein Mörder – und seine Aussagen machen fassungslos.
dpa/RTL

Mord auf dem Marktplatz in Mannheim

Am Abend vor der Tat habe er noch seine Tochter ins Bett gebracht. Am Morgen des 31. Januar verlässt Sulaiman A. dann sein Zuhause in Heppenheim (Hessen), nimmt ein altes Handy ohne SIM-Karte mit und versteckt sein Smartphone im Müllcontainer. In Mannheim angekommen, fährt er mit der Straßenbahn zum Marktplatz. Dort sieht er Stürzenberger und seine Unterstützer beim Aufbau eines Infostands. „Ich hatte ein unbeschreibliches Gefühl”, sagt er.

Der Angeklagte Sulaiman A. sitzt beim Prozessauftakt im Gerichtssaal. (Archivbild)
Der Angeklagte Sulaiman A. sitzt beim Prozessauftakt am 13. Februrar im Gerichtssaal. (Archivbild)
Marijan Murat/dpa

Als die Polizei kurzzeitig den Platz verlässt, zieht der Islamist ein 18 Zentimeter langes Jagdmesser und greift an. Es geht alles ganz schnell. Er sticht auf Stürzenberger ein. Als er sieht, dass er noch lebt, sticht er erneut zu. Zwei weitere Helfer fixieren daraufhin den Angeklagten, während sich die Polizeibeamten nähern. Doch im Tumult kann sich Sulaiman A. befreien und nimmt den Polizisten Rouven Laur ins Visier. „Heute muss jemand sterben“, habe er sich in diesem Moment gedacht, sagt er vor Gericht. Er trifft den Beamten „leider” wie er sagt, ins rechte Schulterblatt und am linken Ohr. Der Polizist fällt zu Boden, erliegt Tage später seinen Verletzungen. Ein anderer Polizist schießt den Attentäter schließlich nieder.

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Radikalisierung eines Islamisten – Spur führ nach Afghanistan

Doch dieser Mord begann nicht an jenem Tag in Mannheim. Sulaiman A. beschreibt, wie er durch Telegram in eine Parallelwelt geriet. Seine gesamte religiöse Bildung fand nur noch dort statt. Nach der Machtübernahme der Taliban begann er, sich mit ihren Ideologien zu beschäftigen, hörte ihre Reden. Er fand ihre Scharia-Gesetze richtig und unterstützte sie. Er konsumierte Gewaltvideos, die er angeblich nur archivierte. Doch dann tauchte O. R. auf. Ein Mann, der ihm sagte, dass das Töten von Ungläubigen nicht nur erlaubt, sondern auch geboten sei.

In einem Chat mit O. R. schreibt der Angeklagte: „Mit Gottes Willen töte ich diese Gottesfeinde.“ Der Richter hält sie ihm vor. Sulaiman A. behauptet, das nicht ernst gemeint zu haben. Doch er gibt zu: Sein Kopf fand die Nachricht gut, sein Herz nicht.

„Es tut mir leid”

Dann, nach minutenlangem Schweigen, streicht sich Sulaiman A. über die Stirn, atmet schwer und sagt leise: „Es tut mir leid. Ich dachte, ich träume alles.” Doch niemand im Saal glaubt ihm.

Er schildert seine Zeit im Krankenhaus, spricht über Schmerzen durch die Kugel, die er geschluckt habe, über seine Ängste im Gefängnis in Frankfurt und seine spätere Verlegung nach Stuttgart. Dort seien alle unfreundlich zu ihm gewesen. Aber er verstehe es – schließlich habe er einen Menschen getötet. Seitdem bete er viel, sagt er.

Sulaiman A. droht eine lebenslange Freiheitsstrafe mit besonderer Schwere der Schuld. Doch für die Familie von Rouven Laur wird es kein Urteil geben, das den Schmerz lindert. Sie hören zu, weil sie keine andere Wahl haben. Irgendwann wird für sie der Prozess vorbei sein. Doch der Schmerz, der sie seit Rouvens Tod begleitet, wird nie vorbei sein.