Vor Gericht kommt Schreckliches ans LichtEmilia (4) stirbt nach Narkose beim Zahnarzt – was dem Pfusch-Arzt noch vorgeworfen wird

von Felix Breiner und Patricia Kiel

Sie hatte so große Angst vor dem Zahnarzt…
Emilia (4) verletzt sich beim Spielen an den Zähnen. Weil sie große Angst vor dem Zahnarzt hat, gehen ihre Eltern zu einem Spezialisten, der auch Narkosen anbietet. Doch der Termin verläuft dramatisch, Emilia stirbt. Es scheint zudem, als wäre sie nicht das einzige Opfer des Skandal-Anästhesisten. Die erschreckenden Details aus dem Prozess.

Ein Reporter vor der Kamera.
RTL-Reporter Felix Breiner hat den Prozess am Landgericht in Frankfurt am Main beobachtet.
RTL

Kronberg: Mehrere Kinder nach Gruppen-Betäubung in Lebensgefahr

Anästhesist Dr. W. (67) steht seit heute (19. August) vor dem Frankfurter Landgericht. Angeklagt ist er in sechs Fällen wegen Körperverletzung. Bei Emilia geht es um Körperverletzung mit Todesfolge. Der Angeklagte wird von Zahnärzten normalerweise für ambulante Betäubungen gebucht. So auch am 28. September 2021 von einem Arzt aus Kronberg.

Der Prozess könnte sich lange hinziehen, denn schon jetzt wird deutlich: Der Arzt hat offenbar nicht das erste Mal schlampig gearbeitet und Menschenleben gefährdet. Vier Zeugen sind zur ersten Verhandlung vor Gericht geladen. Alles Eltern geschädigter Kinder. Aufmerksam verfolgt Dr. W. die Aussagen und macht sich Notizen. RTL beobachtet den Prozess.

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Für Zahnbehandlungen hatte ein Anästhesist mehrere Kinder narkotisiert. Ein Mädchen starb, die anderen erkrankten schwer. Im Frankfurter Landgericht begann der Prozess gegen ihn. (Archivbild)
Der Prozess findet vor dem Landgericht in Frankfurt am Main statt. Ein Urteil wird für Ende September erwartet.
Helmut Fricke/dpa

Es ist der 28. September 2021: In der Zahnarztpraxis von Dr. B. in Kronberg ist man unter anderem auf junge Angstpatienten spezialisiert. Hier werden extra Behandlungen unter Narkose angeboten. Auch an diesem Tag befinden sich gleich mehrere Kinder für eine Gruppen-Betäubung in der Praxis, darunter auch Emilia. Doch es kommt zur Tragödie. Der Narkose-Arzt bereitet die Betäubung nicht fachgerecht zu, heißt es im Prozess. Emilia stirbt infolgedessen, vier weitere Kinder werden schwerst verletzt.

Blutvergiftung durch verunreinigtes Narkosemittel

Zeugen schildern dem Gericht die unglaublichen Zustände während der Behandlung. So soll Dr. W. die eigentlich sterilen Flaschen mit dem Narkosemittel Propophol mehrfach verwendet haben. Auch sterile Einmalspritzen soll der 67-Jährige häufiger verwendet haben. Der Angeklagte bestreitet diese Vorwürfe vehement. Die Gefahr, dass dadurch Bakterien verbreitet werden, ist groß. Und das Risiko bestätigt sich.

Auch habe der Angeklagte wenig gefühlvoll gearbeitet. Ein Vater, dessen Tochter wegen Dr. W. 21 Tage im Krankenhaus liegen musste, beschreibt ihn als „kalt“. „Wenn ein Kind vor der Spritze Angst hat, muss ein Arzt mehr Gefühl zeigen“, schildert Familienvater Nikolcho Gruev RTL. Seine Tochter Anna-Marie überlebt zwar, doch könnten ihre Organe geschädigt worden sein, so der Vater. „Wir leben in Angst, immer noch“, sagt Nikolcho Gruev.

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Kinder landen mit Organversagen in Klinik

Andere Eltern beschreiben während des Prozesses die dramatischen Folgen dieser skandalösen Behandlungen. Noch Tage nach dem Arztbesuch klagt ein Kind über Übel- und Schläfrigkeit. Später kommt es zu einem septischen Schock und Organversagen. Das Kind kommt auf die Intensivstation und wird von einer Maschine beatmet. Drei weitere Kinder sollen das Narkosemittel aus derselben Flasche erhalten haben. Auch sie erleiden einen septischen Schock und landen im Krankenhaus.

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Emilia soll sogar die doppelte Menge der Arznei erhalten haben, heißt es vor Gericht. Als sie aus der Narkose erwacht, rast ihr Herz, doch der Arzt betäubt sie erneut, wieder mit der gleichen Flasche. Emilia schwebt zu dem Zeitpunkt bereits in akuter Lebensgefahr und fängt an, Blut zu spucken. Unfassbar: Um Emilias Leben zu retten, spritzt Dr. W. ihr drei Jahre abgelaufenes Adrenalin. Erst viel zu spät wird ein Notarzt alarmiert. Auch er kann Emilia nicht mehr retten, sie stirbt.

Die zuständige Große Strafkammer hat sieben Verhandlungstage eingeplant, mit einem Urteil wird Ende September gerechnet. Während des Prozesses wird bekannt: Dr. W. ist bereits wegen eines ähnlichen Falls von vor zwei Jahren vorbestraft. Inzwischen sei ihm vorläufig die Arzt-Zulassung entzogen worden, so die Staatsanwaltschaft. Dr. W. hat sich vor Gericht bei den Eltern der Kinder entschuldigt. Angenommen hat sie niemand. Der Prozess wird am 22. August fortgesetzt.