Merz (CDU) schockt mit Aussage im Bundestag
Gibt es in Deutschland wirklich täglich Gruppenvergewaltigungen durch Asylsuchende?
Polit-Zoff im Bundestag!
CDU-Chef Friedrich Merz sorgt mit einer drastischen Behauptung zur Kriminalität von Asylsuchenden für Empörung. Seine Aussage: Es gibt in Deutschland „täglich Gruppenvergewaltigungen aus dem Milieu der Asylbewerber heraus.” Darauf folgen lautstarke Zwischenrufe von SPD, Grünen und Linke (siehe Video oben). Doch stimmt die Aussage? Was sagen die offiziellen Zahlen?
Faktencheck: Was ist dran an Merz’ Behauptung?
Das Bundesinnenministerium hatte die Zahlen zu Gruppenvergewaltigungen auf eine Kleine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion im Juni 2024 veröffentlicht. Sie beruhen auf der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS).
Demnach sei es 2023 zu 761 sogenannten Gruppenvergewaltigungen gekommen. Das sind mehr als zwei pro Tag. Nach 789 im Vorjahr und 677 im Jahr 2021. Laut PKS betrug der Anteil der „nichtdeutschen Tatverdächtigen” in den Jahren 2019 und 2022 jeweils 50 Prozent, während er im Jahr 2020 bei 46 Prozent lag, im Jahr 2021 bei 47 Prozent und im Jahr 2023 bei 48 Prozent.
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So ist zumindest die Zahl von „täglich Gruppenvergewaltigungen” von Friedrich Merz erklärbar. Wenn für die Hälfte der Gruppenvergewaltigungen Ausländer verantwortlich sein sollen, dann entspricht das statistisch betrachtet einer Gruppenvergewaltigung am Tag. Merz weist also auf ein reales Problem hin.
Merz vermischt Ausländer mit Asylsuchenden
Allerdings verwässern mehrere Dinge die Trennschärfe dieser Statistik: Zum einen wurden diese Straftaten nicht alleinstehend gezählt, sondern sind eine Kombination aus zwei weiteren Statistiken, dem Straftatenschlüssel „Vergewaltigung Paragraf 177 Absätze 6, 7, 8 Strafgesetzbuch” kombiniert mit dem Filter „Tatverdächtige alleinhandelnd: nein”.
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Demnach ist nicht klar zu erkennen, ob alle diese Fälle tatsächlich eine Gruppenvergewaltigung waren oder ob es neben dem Haupt- auch Mittäter gab, die die Tat beispielsweise gedeckt oder vertuscht haben. Dies dürfte die Statistik allerdings nicht massiv beeinflussen.
Zudem beruft sich die PKS grundsätzlich auf den Stand bei Ende der polizeilichen Ermittlungen, also nicht Täter, sondern Tatverdächtige. Die Bundesregierung betont: „Straftaten werden zum Teil von der Polizei, insbesondere wegen des unterschiedlichen Ermittlungsstandes, anders bewertet als von der Staatsanwaltschaft oder den Gerichten.” Somit könnten also auch Fälle in die Statistik fließen, die vor Gericht beispielsweise zu einem Freispruch führen.
Eine weitere Schwierigkeit bei Merz’ Aussage: Er spricht von „täglichen Gruppenvergewaltigungen aus dem Milieu der Asylbewerber.” Er meint damit offenbar Menschen, die einmal als Flüchtlinge nach Deutschland kamen. Allerdings gibt es dafür keine bundesweiten Zahlen. Zahlen aus Bayern legen aber nahe, dass seine Darstellung – mindestens – überzogen ist.
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So waren laut Polizei im Jahr 2023 in Bayern 45 aller Verdächtigen bei Gruppenvergewaltigungen deutsch, 51 waren Ausländer: zwölf Syrer, sieben Rumänen, vier Iraker, die anderen verteilen sich auf weitere Staaten. 21 der Tatverdächtigen hat die Polizei als „Zuwanderer” erfasst. Darunter fallen alle Flüchtlinge mit unterschiedlichem Schutzstatus: zum Beispiel Asylsuchende, Asylberechtigte, Geduldete oder Menschen, die sich illegal in Deutschland aufhalten. Das berichtete der Bayerische Rundfunk.
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Merz’ Aussage ist nicht belegbar
Die anderen Ausländer sind zum Beispiel Arbeitsmigranten, auch aus der EU, anerkannte Asylsuchende oder Touristen. In Bayern stammt also nicht die Hälfte der Tatverdächtigen aus dem „Milieu der Asylbewerber”, sondern rund ein Viertel.
Sollte sich Merz bei seiner Aussage auf die PKS berufen, vermischt er – wissentlich oder unwissentlich – nichtdeutsche Tatverdächtige (also Ausländer) und Asylsuchende. Merz weist also auf ein vorhandenes Problem hin, der genaue Vorwurf an Asylsuchenden ist dagegen zumindest nicht belegbar.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien zuerst auf stern.de