Bluttat in Aschaffenburg

Was wir über die Tat wissen – und was nicht

Was genau geschah, müssen nun die Ermittlungen zeigen.
Nach ersten Erkenntnissen soll ein Mann eine Kindergartengruppe in einem Park gezielt und unvermittelt mit einem Küchenmesser angegriffen haben.
Daniel Löb/dpa

Die Tat schockiert und macht einfach nur fassungslos!
„Unvermittelt und gezielt“greift er Menschen angegriffen. Ein zweijähriger Junge und ein 41 Jahre alter Mann sterben. Drei weitere Menschen werden schwer verletzt, darunter ein zweijähriges Mädchen. Die Polizei ermittelt mit Hochdruck. Doch viele Fragen sind noch offen.

Wie ist der Stand der Ermittlungen und was ist über den Täter bekannt?

Nach ersten Erkenntnissen soll ein Mann eine Kindergartengruppe in einem Park gezielt und unvermittelt mit einem Küchenmesser angegriffen haben. Ein 41 Jahre alter Passant soll eingeschritten sein und vom Täter verletzt worden sein. Er starb später an seinen Verletzungen.

Der mutmaßliche Täter: Ein 28 Jahre alter Afghane, er wurde wenige Minuten nach der Tat festgenommen und soll im Laufe des Tages einem Ermittlungsrichter vorgeführt werden, der über die Frage einer Unterbringung in einer Psychiatrie oder Untersuchungshaft entscheiden soll. Noch ist das allerdings nicht passiert (Stand: 13.10 Uhr). „Eine Vernehmung des Beschuldigten hat bislang nicht stattgefunden”, teilte die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg mit. „Es ist davon auszugehen, dass zur Vernehmung des Beschuldigten ein Dolmetscher hinzugezogen wird.”

Der Verdächtige wird voraussichtlich am Nachmittag einer Ermittlungsrichterin am Amtsgericht vorgeführt. Diese entscheidet darüber, ob der Mann in Untersuchungshaft kommt oder einstweilig in einer Psychiatrie untergebracht wird – dies könnte erfolgen, wenn von einer Schuldunfähigkeit des Mannes zur Tatzeit ausgegangen wird.

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Worauf konzentrieren sich die Ermittler jetzt?

„Es ist alles noch im Fluss“, sagte ein Polizeisprecher am Morgen. Man trage nun alle Informationen zusammen, sowohl zum Zustand der drei Schwerverletzten als auch zum Leben des mutmaßlichen Täters. „Das klären wir gerade ab.“ Über Familienstand oder etwa Beruf des 28-Jährigen ist noch nichts an die Öffentlichkeit gedrungen. Er wohnte zuletzt in einer Asylunterkunft in der Region.

Zudem muss der Tatablauf rekonstruiert werden – mithilfe gesicherter Spuren vom Tatort, von Zeugen sowie Bild- und Videomaterial, das Unbeteiligte womöglich vom Geschehen gemacht haben.

Die drei Schwerverletzten – ein zweijähriges Mädchen aus Syrien, ein 72-jähriger Mann und eine 59 Jahre alte Erzieherin – waren nach der Tat in ein Krankenhaus gekommen. Sie befinden sich nach wie vor in einem Krankenhaus. „Sie sind aber alle außer Lebensgefahr”, sagte ein Polizeisprecher.

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Warum war der Täter noch in Deutschland?

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nannte dafür mehrere mögliche Gründe. Zum einen sei ein sogenanntes Dublin-Verfahren bei dem 28-Jährigen nicht rechtzeitig abgeschlossen worden. Dieses Verfahren ist Teil des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) und dient der Klärung der Frage, welcher europäische Staat für den Asylantrag eines Schutzsuchenden zuständig ist. In den meisten Fällen ist dies der Staat, in dem der Geflüchtete zuerst EU-Boden betreten hat.

Erst vor einigen Wochen, Anfang Dezember, habe der Mann dann selbst den Behörden – auch schriftlich – angekündigt, freiwillig nach Afghanistan zurückreisen zu wollen, sagte Herrmann. Er wolle sich beim Generalkonsulat Afghanistans um die nötigen Papiere kümmern. Durch diesen Schritt sei sein Asylverfahren beendet worden, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) habe ihn zur Ausreise aufgefordert. Damit war er ausreisepflichtig.

Ob es eine Frist gab, in der er Deutschland hätte verlassen müssen, blieb aber unklar – ebenso wie die Frage, welche Rolle seine offenbar andauernde psychiatrische Behandlung beim Zeitpunkt der Ausreise spielte. Klar ist: Der 28-Jährige blieb trotz seiner Ankündigung bis zum Angriff im Park in Deutschland. Ob es ihm gelungen war, die erforderlichen Reisedokumente zu erhalten, ist bislang nicht bekannt.

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Was ist über das Motiv bekannt?

Fest steht noch nichts. Doch die Ermittler gehen vor allem dem Verdacht nach, dass eine psychische Erkrankung des Mannes die Ursache gewesen sein könnte. Der Mann war vor dem Angriff laut Herrmann mindestens dreimal wegen Gewalttaten auffällig geworden. Jedes Mal sei er zur psychiatrischen Behandlung eingewiesen, später aber wieder entlassen worden. Bei einer Durchsuchung seiner Unterkunft hätten Ermittler zudem Medikamente zur Behandlung psychischer Krankheiten gefunden. Hinweise auf ein islamistisches Motiv fanden die Ermittler laut Herrmann dagegen nicht.

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Was bedeutet die Tat für den Wahlkampf?

Es ist gut möglich, dass so eine schreckliche Tat einen Monat vor der Bundestagswahl auch politische Fragen aufwirft und vor allem den Parteien hilft, die im Wahlkampf eine Reduzierung der Migration und mehr Abschiebungen versprechen. Zumal viele Wähler noch unter dem Eindruck der Todesfahrt von Magdeburg stehen.

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Dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) noch am Abend die Chefs des Verfassungsschutzes, des Bundeskriminalamts und der Bundespolizei ins Kanzleramt beorderte, ist in jedem Fall ungewöhnlich.

Die nächste Bundesregierung wird – unabhängig von der sich neu bildenden Koalition – sicher Probleme angehen müssen, die seit Jahren ungelöst sind: Weshalb scheitern Dublin-Überstellungen auch in Staaten, die sich bei der Übernahme kooperativ zeigen? Wie kann sichergestellt werden, dass der Datenaustausch und die behördlichen Maßnahmen funktionieren, wenn es um Menschen geht, die mit Drohungen und Gewalttaten auffallen, aber nicht als Extremisten beobachtet werden? Ist die föderale Arbeitsteilung zwischen dem Bamf, den Behörden der Länder und den Ausländerbehörden vor Ort noch zeitgemäß, wenn es um die Bearbeitung von schwierigen oder eiligen Fällen geht?

Was will die Union ändern?

Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) kündigt für den Fall seiner Wahl zum Kanzler an, am ersten Tag im Amt das Bundesinnenministerium anzuweisen, alle deutschen Grenzen dauerhaft zu kontrollieren und alle Versuche der unerlaubten Einreise zurückzuweisen. Das gelte ausdrücklich auch für Menschen mit Schutzanspruch.

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Die Bundespolizei, die regelmäßig Ausreisepflichtige an den Grenzen und in Bahnhöfen und Flughäfen aufgreife, müsse das Recht zum Beantragen von Haftbefehlen erhalten. Wenn Ausreisepflichtige aufgegriffen werden, dürften sie nicht mehr auf freien Fuß kommen, sondern müssten in Ausreisegewahrsam oder Ausreisehaft genommen und so schnell wie möglich abgeschoben werden.

Im Schengen-Raum sind Binnengrenzkontrollen eigentlich nicht vorgesehen. Sie können aber zeitlich begrenzt angeordnet werden. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat dies für alle deutschen Landesgrenzen im vergangenen Jahr bereits getan und auch schon angekündigt, die Kontrollen verlängern zu wollen.

RTL-Sondersendung: Tödlicher Messerangriff in Aschenburg – was muss sich jetzt ändern?

RTL Aktuell sendet am Donnerstag (23. Januar) von 20:15 bis 20:30 Uhr eine Sondersendung zum Messerangriff in Aschaffenburg. Wir fassen den Tag und den Stand der Ermittlungen zusammen. Außerdem schalten wir zu Politikern und sprechen mit Experten, um die Frage zu klären, ob die Behörden (vorhandene) Gesetze konsequenter umsetzten müssten, oder ob die Politik nachjustieren sollte. (jow/dpa)