Hier tauchte Daniela Klette unter
Ich war in der Wohnung der Ex-RAF-Terroristin

„Sie war sehr nett, unauffällig und freundlich“.
Das sagen Nachbarn über die Frau, die bis vor Kurzem noch eine der meistgesuchten Ex-Terroristinnen Deutschlands war. Sie war „immer mit ihrem Hund unterwegs, hat nett gegrüßt“. Eine Daniela Klette kannte man bis vor Kurzem hier im Kreuzberger Kiez nicht. Höchstens aus den Nachrichten. Eine Frau mit den müden Augen, die des Öfteren mit dem Rad die Straße entlangfuhr, hieß Claudia Ivone. Einer von Klettes vielen Decknamen.
20 Jahre lang konnte Daniela Klette anonym leben
Die Anonymität der Großstadt, die 66-Jährige hat sie sich zu Nutze gemacht. 20 Jahre konnte sie dadurch hier unerkannt im Untergrund leben.
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Es ist Montagnachmittag, als ich erneut vor dem 18-Parteienhaus in Kreuzberg stehe. Im Café schräg gegenüber genießen Anwohner die ersten Sonnenstrahlen des Jahres, Kinder spielen auf der Straße. Daniela Klette sitzt währenddessen in Einzelhaft in der JVA in Vechta, am nächsten Tag beginnt ihr Prozess.

Nachmieterin von Daniela Klette ist bereits eingezogen
Mit dem runtergekommenen Aufzug fahre ich in die fünfte Etage und klingle an der Tür, an der im Februar 2024 Polizeibeamte standen. Eine junge Frau aus der Ukraine macht auf, und als ich mich vorstelle, weiß sie sofort, worum es geht: „Ich kann Ihnen nichts sagen – ich verstehe die Aufregung nicht.“ Ich bin nicht die erste Reporterin, die es bei ihr versucht. Trotzdem lässt sie mich nach einem kurzen Gespräch in die Wohnung.

In der Einzimmer-Wohnung riecht es immer noch leicht nach frischer Farbe. Nach Klettes Festnahme ist hier renoviert worden. Ein großer Raum, eine abgetrennte Schlafecke und eine kleine Küche. Die Wohnung erinnert an eine Studentenbude. Schwer vorstellbar, was hier alles gelagert wurde: über 200.000 Euro Bargeld, Perücken, Gold und ein ganzes Arsenal an Waffen. Sogar eine Panzerfaustattrappe sollen die Beamten bei der Durchsuchung gefunden haben. Direkt neben der Haustür ist das kleine Badezimmer. Hier schrieb sie noch schnell eine Nachricht an ihren Komplizen Burkhard Garweg –„Sie haben mich.“, ehe sie die Simkarte die Toilette runterspülte. Mit Erfolg – der 56-jährige konnte fliehen.
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Fotos, die gefunden wurden, zeigen – auch er war in der Wohnung zu Besuch. Die beiden wohnten nicht weit auseinander. Nur knapp fünf Kilometer entfernt, in einem alternativen linken Kiez in Friedrichshain soll er auf einem Bauwagengelände unter dem Namen Martin gewohnt haben.
Burkhard Garweg? RAF? Kennen wir nicht
Für meine Recherche war ich auch hier unterwegs – wollte mir einen Eindruck verschaffen. Als ich dort ankomme, steigt schon von außen dichter Rauch hoch und verpestet die halbe Nachbarschaft. Auf dem Gelände versucht ein abgemagerter Mann mit seiner Tochter auf dem Boden ein Feuer zu entzünden. Der Anblick ist so unbehaglich wie skurril. So wie der Rest des Geländes. Alte Bauwägen, kleine Fenster, verziert mit Lichterketten und seltsamen Figuren. Hier und da kläfft ein Hund. Der Ort fühlt sich an wie eine Mischung aus vergessenem Jahrmarkt und Schrottplatz. Auf dem Weg raus treffe ich einen Mann in den 60ern. Er sagt, er sei „DJ“. Von Daniela Klette oder der Roten Armee Fraktion (RAF) hat er noch nie gehört. Er schaut mich argwöhnisch an. Ich gehe lieber.
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Mich wundert es überhaupt nicht, dass sowohl Klette als auch Garweg hier jahrzehntelang untertauchen konnten. Wer in Berlin lebt, blendet zwangsläufig Teile seiner Umgebung aus. Sei es das komische Gelände von gegenüber, von dem es ab und zu mal qualmt (dann mach ich halt Fenster zu) oder die ruhige Nachbarin von nebenan. In der Anonymität und Hektik der Hauptstadt finden auch untergetauchte mutmaßliche Terroristen ihren Platz. Kopfgeld hin oder her.