Bunte Reifen für ein neues Leben

Christian kämpft mit Hula-Hoop gegen seine Depression

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Zuerst wurde bei Christian Uch Burnout diagnostiziert, doch es war nur die Spitze des Eisbergs!
RTL Nord

Dieser Kampf hört nie ganz auf!
Christian Uch aus Schüttorf ist ein aufgeschlossener, freundlicher Mann. Der 59-Jährige gibt ehrenamtlich Hula-Hoop-Kurse. Doch hinter ihm liegen schwierige Jahre, geprägt von Depressionen, Selbstverletzung und Verzweiflung. Ausgerechnet der Sport mit den bunten Reifen veränderte sein Leben.

Depression und Selbstverletzung

Aufgeregte Kinderstimmen hallen durch den Turnraum einer Schüttorfer Kindertagesstätte. Jedes der elf Kinder bekommt von Christian Uch einen Hula-Hoop, die bunten Reifen sind ab jetzt für 30 Minuten das Spielgerät der Kinder. Der Trainer erklärt den Kleinen, was er am Kopf trägt: ein Cochlea-Implantat, mit dem er hören kann. Nach mehreren Hörstürzen ist er auf dem linken Ohr taub. Eine Folge seiner Erkrankung. Was für die Kinder nicht zu sehen ist: Christian ist psychisch krank. Seit 15 Jahren kämpft er gegen Depressionen und Selbstverletzungen. Dabei helfen ihm stationäre und ambulante Therapien, aber auch Hula-Hoop.

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Christian Uch hat eine Hula-Hoop Trainerlizenz und gibt mittlerweile Kurse für Erwachsene und Kinder.
RTL Nord

Folgen einer traumatischen Kindheit

Es ist 2010, als Christian Uch plötzlich nicht mehr kann. Was zunächst als Burnout diagnostiziert wird, stellt sich später als viel tiefgreifender heraus: Christian hat eine komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (KPTBS), offenbar verursacht durch Erlebnisse in seiner Kindheit. „Mein Vater war sehr, sehr streng und ich konnte ihnen nie was recht machen. Und alles war nur immer niedergemacht. Du bist nichts. Du kannst nichts. Du bist nichts wert. Und wenn man schlechte Zensuren nach Hause gebracht hat, dann gab es Schläge”, erzählt der 59-Jährige im RTL-Interview. Seine Mutter habe ihm mit dem Kinderheim gedroht, wenn er nicht auf sie gehört habe. Mit diesen Erlebnissen und seiner daraus folgenden Unsicherheit hat Christian auch als Erwachsener noch zu kämpfen. Und trotzdem heiratet er, bekommt mit seiner Frau zwei Söhne, hat immer wieder wechselnde Jobs. Er sorgt für seine Familie, aber nicht für sich.

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Christian Uch wird magersüchtig

Die Traumata seiner Kindheit hinterlassen sichtbare Spuren: Christian erkrankt an Magersucht. Ihm selbst wird das erst richtig klar, als seine Frau mit ihm in eine Kinderabteilung zum Einkaufen geht und eine Therapeutin ihm deutlich macht, wie schlecht es um ihn steht. „Ich habe unter 60 Kilo gewogen, eine Zeit lang. Ich habe das nicht gesehen”, erzählt Christian rückblickend. Und er verletzt sich selbst. Doch seine Wunden und Narben versteckt der 59-Jährige auch jetzt noch unter langen Ärmeln und Hosenbeinen. Christian sagt von sich selbst, er sei heute stabil, auch wenn es immer wieder Rückfälle gäbe. „Und das kann so schnell wieder passieren. Man hat so ein Flashback, da muss man wirklich aufpassen”. Mehrere stationäre Therapien folgen, noch immer geht er wöchentlich zu einer Therapeutin. Und Christian hat eine Aufgabe für sich gefunden, die ihm beim Umgang mit seiner Krankheit hilft.

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Hula-Hoop lässt ihn wieder zum Kind werden

Durch Zufall entdeckt Christian 2016 Hula-Hoop für sich, weil seine Frau ihren neu gekauften Reifen nicht benutzt: „Dann habe ich das versucht und habe gemerkt: Oh, da ist ja was Tolles auch für mich”, beschreibt er sein erstes Mal Hula-Hoop. „Ich habe gemerkt, wenn ich negativ denke, fällt der Reifen. Also muss ich ja wieder aus dem Negativen ins Positive.” Aus einem Ausprobieren wird eine Leidenschaft, die Christian mit anderen teilen will. Er macht eine Trainer-Ausbildung, gibt Kurse für Erwachsene. Mittlerweile besucht er mehrmals die Woche Kindertagesstätten, bringt den Kindern dort Hula-Hoop bei und spielt mit ihnen passende Spiele. Einerseits die Depression, andererseits Spaß mit dem Hula-Hoop-Reifen. Was auf den ersten Blick nicht zusammenpasst, macht für Christian Sinn: „Ich habe ja in dem Sinne auch keine schöne Kindheit gehabt und ich glaube, ich kann jetzt wieder Kind sein. Ich kann jetzt so sein, wie ich gerne hätte sein wollen als Kind”. Besonders die ehrenamtliche Arbeit mit Kindern gibt ihm viel: „Ich sehe, dass ich was bewirke.” Das gibt Christian Selbstbewusstsein und Kraft, für seinen Kampf gegen seine Krankheit.

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Hier findet ihr Hilfe in schwierigen Situationen

Solltet ihr selbst Depressionen haben, suchtkrank oder von Suizidgedanken betroffen sein, sucht euch bitte umgehend Hilfe. Versucht, mit anderen Menschen darüber zu sprechen! Neben Freunde oder Verwandten gibt es auch die Möglichkeit, anonym mit anderen Menschen über eure Gedanken zu sprechen. Das geht telefonisch, im Chat, per Mail oder persönlich.

Wenn ihr schnell Hilfe braucht, dann findet ihr unter der kostenlosen Telefon-Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 Menschen, die euch Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.