Was Betroffene wirklich tun könnenWechseljahre - wenn das Herz aus dem Takt gerät

Die Wechseljhare – für viele Frauen ein unschönes Thema. Zu den typischen Begleiterscheinungen gehören Stimmungsschwankungen, Hitzewellen und Gewichtszunahme. Aber es gibt auch andere Symptome, die nicht als typisch angesehen werden und deshalb nicht erkannt. Einige Patientinnen sind völlig verzweifelt und wissen anfangs nicht mehr weiter. So auch in diesem Fall.
„Ich erkenne mich überhaupt nicht mehr wieder"
Meine Patientin, 49 Jahre alt, sitzt völlig verzweifelt vor mir. Ihr laufen die Tränen übers Gesicht und sie schluchzt. „Ich erkenne mich überhaupt nicht mehr wieder. Ich weiß nicht mehr, was ich noch tun soll.“ Seit einigen Wochen ist sie nun bereits krankgeschrieben. Begonnen hatte alles bei der Arbeit. Völlig aus dem Nichts spürte sie auf einmal, dass ihr Herz anfing zu rasen. Zwischendurch fühlte es sich beinahe so an, als ob es kurz stehen bleiben würde, so sagt sie.
Die Hände meiner Patientin waren schweißnass und zittrig. Ein Gefühl von Panik stieg in ihr auf. Sie ging an die frische Luft und wartete, dass der Spuk aufhörte. Das tat er auch nach einiger Zeit, doch der Schreck steckte ihr noch Stunden späten in den Knochen.
Lese-Tipp: Sind Sie schon in den Wechseljahren? Machen Sie den Test!
Ihre Hausärztin schrieb am Nachmittag ein EKG. Es zeigten sich keinerlei Auffälligkeiten. Vielleicht brauche sie einfach mal etwas Ruhe, erklärte ihr die Ärztin einfühlsam. Das hielt meine Patientin durchaus für möglich. Die letzten Wochen waren stressig gewesen. Hinzu schlief sie seit einigen Monaten sehr schlecht, lag stundenlang wach. Sie nahm sich fest vor, es ab sofort etwas langsamer anzugehen.
Ein normaler Alltag ist nicht mehr möglich
Als sie einige Tage später abends im Bett lag und ein Buch las, passierte es wieder: Ihr Herz stolperte unruhig in ihrer Brust. Sie versuchte, sich selbst zu beruhigen, was ihr kaum gelang. Am nächsten Tag überwies ihre Hausärztin sie zu einem Kardiologen, der ein Herzultraschall, ein Langzeit- und ein Belastungs-EKG durchführte. Bis auf ein paar kleine und unregelmäßige Extraschläge, auch Extrasystolen genannt, sei alles in Ordnung. Sie sei „herzgesund“. Die Beruhigung meiner Patientin hielt nur kurz an, denn immer wieder geriet ihr Herz nun aus dem Takt. Ein normaler Alltag war nun nicht mehr möglich. Mittlerweile schwang bei allem, was sie tat, die Angst mit, dass eine „Attacke“, wie sie es nannte, auftreten könne. Ihre Hausärztin schrieb sie krank, doch besser ging es ihr nicht. Nun sitzt sie vor mir in meinem Sprechzimmer und wundert sich, dass ich über das, was sie mir erzählt, so überhaupt nicht erstaunt bin.
Lese-Tipp: Hilfe, die Hormone spielen verrückt! Warum Sie keine Panik vor den Wechseljahren haben müssen
Ein Hormonstatus schafft Klarheit
Ich frage sie zunächst nach ihrem Zyklus. Der hatte sich im letzten Jahr stark verändert. Innerhalb der letzten zwei Monate hatte sie gar keine Blutung mehr gehabt. „Vermutlich bin ich in den Wechseljahren“, sagt sie. „Das ist das richtige Stichwort!“, antwortete ich. Nach einer gründlichen gynäkologischen Untersuchung nehmen wir Blut ab, um eine Hormonanalyse durchzuführen. Nach ein paar Tagen haben wir das Ergebnis: Der Östrogenspiegel, genauer gesagt das 17-ß-Estradiol, meiner Patientin ist erniedrigt. Das Hormon Progesteron ist kaum mehr nachweisbar in ihrem Blut.
Im Video: Hilft Intervallfasten gegen die Beschwerden?
Der Einfluss des Hormons Estradiol auf das Herz
Meine Patientin befand sich also tatsächlich in den Wechseljahren, in der Perimenopause. Was ich auf Grund der Beschwerden und der Zyklusanamnese bereits geahnt hatte, konnte nun mit einer Hormonanalyse bestätigt werden. „Irgendwie bin ich gar nicht auf die Idee gekommen, in den Wechseljahren zu sein, ich habe ja gar keine Hitzewallungen! Und was haben die Wechseljahre mit meinem Herzen zu tun?“, fragt sie mich. Ich erkläre es ihr.
Nach wie vor glauben viele, dass das Hauptsymptom der Perimenopause das klassische Schwitzen sei. Dass das Symptombild aber viel bunter ist, haben – leider - auch viele meiner Kollegen und Kolleginnen nicht auf dem Schirm. So können in der Zeit des Wechsels unter anderem Kopfschmerzen, Gelenk- und Muskelschmerzen, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Schwindel, Schlafstörungen etc. auftreten - und eben Herzrhythmusstörungen. So leiden etwa 40 Prozent aller Frauen zwischen 45 und 54 Jahren unter Herzrasen und/ oder Herzstolpern.
Ihre Meinung interessiert uns!
Die Ergebnisse dieser Umfrage sind nicht repräsentativ.
Typisch für die Wechseljahre sind Hormonschwankungen
Estradiol ist ein sehr wichtiges Hormon für die Gesundheit des Herz-Kreislaufsystems. Es sorgt unter anderem dafür, dass sich die Blutgefäße entspannen und der Blutdruck sinkt. Fällt der Hormonspiegel ab, so verengen sich die Gefäße. Typisch für die Wechseljahre sind wiederum Hormonschwankungen, die dazu führen, dass auch die Herzkranzgefäße zwischen Weitstellung und Engstellung wechseln. Viele Frauen bemerken dies als Herzstolpern oder -flattern und sind verständlicherweise sehr beunruhigt.
Lese-Tipp: Revolution der Wechseljahre? Medikament gegen Hitzewallungen zugelassen
Obwohl diese Form des Herzstolperns ungefährlich ist, ist es sehr wichtig, die Beschwerden einmal kardiologisch abklären und eine ernsthafte Herzerkrankung ausschließen zu lassen.

Und das hilft wirklich!
Meine Patientin wirkt sehr erleichtert. Sie ist froh, endlich eine Ursache für ihre Beschwerden gefunden zu haben. Wir sprechen darüber, worauf sie nun achten sollte, um ihre Symptome zu lindern.
Sie sollte:
nicht zu viel Kaffee trinken
außerdem auf Nikotin und Alkohol verzichten
auf ausreichend Ruhepausen und ein niedriges Stresslevel achten
regelmäßig Bewegung und Sporteinheiten in ihren Alltag einbauen
auf eine gesunde Ernährung setzen
Ich kläre sie außerdem über die Möglichkeit einer bioidentischen Hormonersatztherapie auf. Hierbei werden die fehlenden Hormone mit natürlichen, das heißt mit körpereigenen, Hormonen ersetzt. Meine Patientin entscheidet sich sofort, damit beginnen zu wollen. Ich verschreibe ihr deshalb ein Estradiolgel, das sie ab sofort morgens auf ihren Unterarm aufträgt, und Progesteronkapseln, die sie abends vor dem Schlafengehen einnimmt. Als sie nach einigen Wochen wegen eines Kontrolltermins zu mir kommt, ist sie beschwerdefrei. Sowohl das Herzrasen- und stolpern, als auch die Schlafstörungen sind nicht mehr vorhanden.