Mediziner sollen eine Hirnblutung nicht erkannt haben

Junge (14) stirbt nach Fahrradunfall - Haben seine Ärzte einen tödlichen Fehler gemacht?

06.06.2023, Niedersachsen, Verden: Der Angeklagte (l) steht vor Prozessbeginn mit seinem Anwalt Sebastian Vogel im Gerichtssaal. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten Arzt vor, im April 2018 in einem Krankenhaus in Rotenburg als behandelnder Arzt an einem 14-jährigen Patienten nach einem Fahrradunfall nicht die notwendige medizinische Behandlung durchgeführt zu haben. Der Mediziner soll eine bestehende Hirnblutung nicht erkannt haben. Der Jugendliche starb im Krankenhaus. Foto: Sina Schuldt/dpa - ACHTUNG: die Person wurde aus rechtlichen Gründen gepixelt +++ dpa-Bildfunk +++
Der Angeklagte (l.) steht vor Prozessbeginn mit seinem Anwalt Sebastian Vogel im Gerichtssaal.
ssd, dpa, Sina Schuldt
von Sarina Sprengelmeyer und Daniel Kandora

Ein 14-Jähriger stürzt in Rotenburg/Wümme mit seinem Fahrrad, verletzt sich am Kopf - und stirbt am nächsten Tag im Krankenhaus. Der schrecklich Verdacht: Die behandelnden Ärzte haben eine Hirnblutung nicht erkannt und tragen daher die Verantwortung für den Tod des Kindes. Der ehemalige Chefarzt der Kinderklinik muss sich dafür jetzt vor dem Landgericht Verden verantworten.

Ist Jens S. schuld am Tod eines Kindes?

Jens S. ist 53 Jahre alt, groß gewachsen und schlank. Am ersten Verhandlungstag trägt er einen geschmackvollen Anzug und ein weißes Hemd. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, den Tod eines Kindes verursacht zu haben. Im April 2018 war ein 14-Jähriger offenbar ohne Fremdeinwirkung mit dem Rad auf einem Gehweg gestürzt, einen Helm hatte er wohl nicht auf. Danach soll er Kopfschmerzen und Nasenbluten gehabt und sich mehrfach blutig erbrochen haben.

Der behandelnde Arzt hatte eine Gehirnerschüttung diagnostiziert und sich mit Jens S. telefonsich ausgetauscht. Um einer Hirnblutung auf die Spur zu kommen, wäre z.B. eine Computertomographie nötig gewesen – diese wurde aber offenbar nicht angeordnet!

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Ex-Chefarzt entschuldigt sich bei Familie

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„Das eigene Kind zu verlieren ist furchtbar“, entschuldigt sich Jens S. bei der Mutter des toten Kindes, die als Nebenklägerin vor Ort ist und sehr gefasst wirkt. „Und es tut mir für sie als Familie unendlich leid.“ Er selbst hätte seine eigenen Kinder nicht anders behandelt als den 14-jährigen Jungen. Anzeichen auf äußere oder innere Verletzungen hätten nicht vorgelegen. Der Mediziner war laut eigener Aussage auch bei den Wiederbelebungsversuchen des Jungen dabei.

Eigentlich deutet bereits früh an diesem ersten Prozesstag alles auf die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldzahlung hin. Die Staatsanwaltschaft fordert 25.000 Euro, Jens S. will aber nur 13.000 Euro zahlen. „Wir verstehen nicht, wieso Sie sich dieses Verfahren weiter antun wollen“, sagt der Vorsitzende Richter über das „Gefeilsche um die Höhe der Geldauflage.“ Später sagt Jens S. dann unmissverständlich: „Ich kämpfe für meinen Freispruch.“ Im August könnte dann ein Urteil fallen.

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Nach dem Unfall im April 2018 war Jens S. im Augst 2019 entlassen worden. Auch zwei Assistenzärzten wurde gekündigt, nachdem die Staatsanwaltschaft gegen alle drei Mediziner Anklage erhoben hatte. Der Vorwurf: Totschlag durch Unterlassen. Das wird später vom Landgericht Verden aber nicht zugelassen, der neue Vorwurf: Fahrlässige Tötung.

Gegen einen Arzt wurde das Verfahren gegen eine Zahlung von 12.000 Euro bereits eingestellt, der andere ist inzwischen verstorben. Jens S. arbeitet aktuell als Kinderarzt in Teilzeit. (mit dpa)

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