Er gerät unter Beschuss und hat Splitter im Kopf
Steve aus Sachsen will Ehefrau Anna aus der Ukraine holen - jetzt liegt er im Krankenhaus

Russlands Krieg gegen die Ukraine und die Invasion in das Land haben viele Menschen überrascht und schicksalhafte Entwicklungen ausgelöst. Am Mittwoch machte sich Steve Meiling aus dem sächsischen Borna auf den Weg in die Ukraine, um seine frisch angetraute Ehefrau Anna aus Kiew herauszuholen. Als er sich schon fast am Ziel wähnte, geriet er unter Beschuss. Nun liegt er im Krankenhaus, Anna kann nicht zu ihm. RTL-Reporterin Janis Heinz hat mit ihr gesprochen.
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"Mein Mann sagte, ich werde dich und die Kinder abholen"

Die Lage in der Ukraine ist unübersichtlich. Dafür wirkt Anna erstaunlich gefasst, als sie per Video-Call mit RTL spricht und ihre Geschichte erzählt. Anna und Steve sind seit gut einem Monat verheiratet. Weil ihr Visum abgelaufen war, habe sie zurück in ihre ukrainische Heimat gemusst, um es erneuern zu lassen, erzählt sie. "Ich konnte nicht zu ihm kommen, weil ich noch einen Sprachtest beim Goethe-Institut machen musste." Der wird benötigt, damit sie eine Aufenthaltsgenehmigung zur Familienzusammenführung bekommen kann.
Wegen der sich zuspitzenden Lage in der Ukraine wurde der Test allerdings kurzfristig abgesagt. Kurz darauf eskaliert die Situation, erst wird die Ukraine bombardiert, dann marschieren russische Truppen in das Land ein.
Das ist der Moment, in dem Steve beschließt, das Schicksal in seine eigenen Hände zu nehmen. „Mein Mann sagte, ich werde dich und die Kinder abholen", sagt Anna. Die Kinder, das sind ihr Sohn sowie das Kind von Annas Schwester.
"Es waren nur noch 28 Kilometer bis nach Kiew. Dort ist er unter Beschuss geraten"

Etwa 1.500 Kilometer sind es von Borna bis nach Kiew. Der Feuerwehrmann aus Sachsen muss dafür einmal quer durch Polen und ein weites Stück durch die Ukraine. 16 Stunden dauert die Fahrt ungefähr. Er war schon fast am Ziel, als sie jäh endet. "Es waren nur noch 28 Kilometer bis nach Kiew. Dort ist er unter Beschuss geraten", berichtet Anna.
Die Umstände sind nicht genau zu klären, die Folgen indes gravierend. Steve Meiling wird verletzt, sein Auto und sein Handy sind weg, er kommt ins Krankenhaus der Stadt Borodjanka. Obwohl er kein Telefon mehr hat, schafft er es, via Facebook mit einer Bekannten Kontakt aufzunehmen. „Sie ist bei der Feuerwehr, so wie er. Und spricht deutsch", sagt Anna. "Sie hat mich angerufen und erzählt, was passiert ist. Ich war total geschockt, weil ich nichts machen konnte."
"Ich kann nichts tun, um ihm zu helfen"

Ihr erster Impuls: Ich muss zu ihm. Wegen der Kriegswirren geht das nicht. "Ich wäre so gern zu ihm gefahren, doch das ist in der Situation unrealistisch. Ich kann nichts tun, um ihm zu helfen", sagt sie traurig.
Immerhin hat Steve Glück im Unglück, denn ein Bekannter ist in der Nähe. Er besucht den 42-Jährigen regelmäßig und stellt den Kontakt zwischen Steve und Anna sicher. "Ich habe Steve kurz per Video gesehen und konnte auch mit seinem Arzt sprechen", erzählt uns Anna. Sie konnte sogar einem Moment mit ihrem Mann allein reden.
"Er hatte einen Splitter im Kopf, der musste entfernt werden. Jetzt muss er sich von der Operation erholen." Steve möchte die Klinik am liebsten sofort verlassen, doch dem habe der Arzt einen Riegel vorgeschoben. "Der Arzt hat gesagt, er muss noch einige Tage zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben." Wie es danach weitergeht, wissen im Moment weder der Sachse noch seine Ehefrau.
"Alle warten darauf, wie es weitergeht, niemand weiß es"
"Ich kann nicht sagen, wie es weitergeht, weil wir uns im Kriegsgebiet befinden, so Anna. Ihr wäre es am liebsten, wenn Steve nach der Entlassung übergangsweise zu seinem Bekannten nach Hause könnte. "Das wäre am einfachsten, um Kontakt mit meinem Mann zu halten", sagt sie.
Wann sich das Ehepaar wieder in die Arme schließen kann, ist nicht absehbar, obwohl sie gerade mal 80 Kilometer voneinander entfernt seien. Im Moment sei sie mit den Kindern in ebenso in Sicherheit wie ihr Mann. "Keiner weiß, wie es sich weiterentwickelt. Alle warten darauf, wie es weitergeht, niemand weiß es", sagt die 32-Jährige. Sie hofft, Steve schnell wiederzusehen. Zwei Tage muss er wohl noch im Krankenhaus bleiben.