Gespräche von russischen Soldaten abgehört

"Niemand hat uns gesagt, dass wir in den Krieg ziehen!"

News Bilder des Tages Russland, eingezogene Reservisten in Tschita in Transbaikalien Russia Ukraine Military Operation Partial Mobilisation 8281122 23.09.2022 A man conscripted for military service during partial mobilization hugs a young woman outside a military commissariat in Chita, Zabaikalsky Krai region, Russia. Russian President Vladimir Putin on September 21 signed a decree on the partial mobilization amid the military operation in Ukraine. Evgeny Yepanchintsev / Sputnik Chita Zabaikalsky Krai Russia PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: xEvgenyxYepanchintsevx
Ein eingezogene Reservist verabschiedet sich.
www.imago-images.de, IMAGO/SNA, IMAGO/Evgeny Yepanchintsev

Militärische Rückschläge, taktische Fehler, fehlendes Equipment – die Moral der russischen Soldaten, die im Krieg in der Ukraine kämpfen ist niedrig. Zu Anfang des Krieges war Russland noch davon ausgegangen, die Ukraine und deren Hauptstadt Kiew innerhalb weniger Tage einzunehmen. Mittlerweile läuft die von Machthaber Putin bezeichnete „militärische Operation“ schon über sieben Monate.
Der Frust der russischen Soldaten lässt sich jetzt gut anhand von abgefangenen Telefongesprächen russischer Soldaten aus dem Kriegseinsatz ablesen, die die „New York Times“ gesammelt hat.
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Private Gespräche geben Ausschluss

Telefongespräche mit der Mutter, mit der Partnerin oder mit Freunden – ihre Gedanken und Beobachtungen, aber vor allem ihrem Frust machen russische Soldaten im Kriegseinsatz in persönlichen Gesprächen Luft. Die ukrainische Regierung hat einige dieser Telefongespräche abgefangen, die Zeitung New York Times hat die Gespräche ausgewertet und mithilfe von russischen Telefonnummern mit Messaging-Apps und Social-Media-Profilen abglichen, um Soldaten und Familienmitglieder zu identifizieren.

Der Umgang mit dem Beschuss von ukrainischen Zivilisten, die Einstellung zum Krieg und zur Armee und die militärischen Verluste – eine Auswahl der abgefangen Gespräche lesen Sie unten.

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"Dieser Krieg ist die dümmste Entscheidung, die unsere Regierung je getroffen hat!"

Wenige Tage nach Kriegsbeginn und nach dem ersten Angriff auf Kiew, scheint den russischen Soldaten der Ernst der Lage bewusst zu werden. Das genaue Ausmaß ihres Einsatzes scheint den Soldaten im Vorhinein auch nicht klar gewesen zu sein:

Sergey (zu seiner Freundin): „Sie wollen die Leute im Fernsehen verarschen. Sie sagen, das hier sei kein Krieg, sondern eine Spezialoperation. Aber in Wahrheit ist es ein verfickter Krieg.“

Sergey (Anruf bei seiner Mutter): „Niemand hat uns gesagt, dass wir in den Krieg ziehen. Sie haben uns erst einen Tag vorher gewarnt Mama, dieser Krieg ist die dümmste Entscheidung, die unsere Regierung je getroffen hat.“

Nikita (Anruf bei einem Freund): „Wir sollten nur zwei oder drei Tage Übungen machen. Wir wurden verdammt nochmal reingelegt wie kleine Kinder.“

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Russischer Soldat: Die Soldaten wurden zur Schlachtbank geschickt

Auch mit den hohen personellen Verlusten scheinen die russischen Soldaten nicht gerechnet zu haben und das schon nach nur etwa drei Wochen Krieg:

Nikita (zu seiner Mutter): „60 Prozent unserer Einheit sind nicht mehr da.“

Yegor (zu einem Verwandten): „Aus meinem Regiment sind ein Drittel der Leute tot.“

Sergey: „Es waren 400 Fallschirmjäger. Nur 38 von ihnen haben überlebt. Weil unsere Kommandeure die Soldaten zur Schlachtbank geschickt haben.“

Sergey (zu seiner Mutter): „Mama, ich habe hier nicht einen Nazi gesehen. Dieser Krieg fußt auf einer falschen Annahme. Niemand braucht den. Die Menschen hier leben ein normales Leben. Wie in Russland.“

„Wir haben den Befehl jeden zu töten, den wir sehen.“

06.04.2022, Ukraine, Butscha: Ein ukrainischer Soldat steht neben zerstörten russischen Panzer in Butscha am Stadtrand von Kiew. Foto: Felipe Dana/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Ukraine-Krieg - Butscha
FD pte pat, dpa, Felipe Dana

Die Bilder von Kriegsverbrechen und toten Zivilisten sind bei vielen immer noch in den Köpfen. Was die russischen Soldaten dazu veranlasst hat, ukrainische Zivilisten zu töten und wie sie mit der Situation umgehen, lesen Sie hier:

Sergey: „Wir haben den Befehl jeden zu töten, den wir sehen.“

Sergey (zu seiner Freundin): „Drei Männer liefen an unserem Lager vorbei. Wir haben sie festgenommen, ausgezogen und ihre Klamotten kontrolliert. Dann mussten wir eine Entscheidung treffen, ob wir sie laufen lassen. Wenn wir sie hätten gehen lassen, hätten sie unsere Position verraten können. Also entschieden wir, sie im Wald zu erschießen.“
- „Habt ihr sie erschossen?“
- „Ja, natürlich.“
- „Warum habt ihr sie nicht gefangen genommen?“
- „Dann hätten wir sie versorgen müssen. Und wir haben nicht mal genug Essen für uns selbst.“

Sergey (zu seiner Mutter): „Im Wald ist das Hauptquartier unserer Division. Ich bin dort hin gelaufen und sah einen See aus Leichen. Zivilisten. Ein See. Ich habe noch nie so viele Leichen in meinem Leben gesehen. Ich konnte nicht mal sehen, wo dieser See endet.“

"Sie wollen mich nicht gehen lassen."

Die Einstellung zur russischen Armee und der Angst, was passiert, sollte man sich weigern zu kämpfen, lässt sich gut anhand dieser Gespräche erahnen:

Soldat ohne Namen: „Ich haue ab. Wenn ich nach Hause komme, erzähle ich dir alles. Es ist kompletter Bullshit. Ich werde nie wieder in diese Scheiße zurückgehen.“

Vlad: „Wenn ich heimkomme, kündige ich. Scheiß auf die Armee!“

Vadim (zu seiner Freundin): „Ich gehe, verdammt noch mal. Ich nehme einen zivilen Job an. Und mein Sohn geht niemals zur Armee, 100-prozentig. Sag ihm, er soll Arzt werden.“

Sergey (zu seiner Freundin): „Sie wollen mich nicht gehen lassen. Sie erlauben es den Männern nicht, zu kündigen. Sie sagen, wenn du das tust, dann kommst du für fünf Jahre ins Gefängnis.“

Aleksandr (zu seiner Freundin): „Ich weiß nicht, was passiert, wenn ich nicht kämpfe. Sie könnten uns ins Gefängnis stecken. Hier sind so viele, die sich weigern zu kämpfen.“

(khe)

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