Kaum Kalorien, aber viele Nährstoffe
Superfood Quallen: Die Ernährung der Zukunft kommt aus dem Meer
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Qualle - das neue Superfood?
von Daniela Halm
Mit einer Tüte Quallenchips auf dem Sofa sitzen – können Sie sich das vorstellen? Meeresbiologen und Spitzenköche tüfteln bereits an der Zubereitung von Quallen, denn: Die Ernährung der Zukunft könnte aus dem Meer kommen. Die Qualle ist dafür ein perfekter Kandidat, sie ist sehr gesund und steckt voller Nährstoffe. Die Weltbevölkerung nimmt zu, Trinkwasser und Agrarflächen werden knapp, deshalb suchen Forscher im Meer nach neuen gesunden und nachhaltigen Nahrungsmitteln, die helfen können, die Welt zu ernähren.
Qualle lindert Gelenkbeschwerden
Als glibberige Plage am Strand, so kennen die meisten die Quallen. Doch in ihnen steckt vor allem Gesundes. Zwar bestehen Quallen zu 97% aus Wasser, aber die Trockenmasse hat es in sich. In Asien gilt die Qualle schon lange als Superfood, dort kommt sie als Suppe oder Salat auf den Teller. In Europa allerdings wird sie ihr schlechtes Image nicht los. Meeresbiologe Holger Kühnhold untersucht Quallen auf ihren Nährstoffgehalt und sieht sie als Top-Lebensmittel. Sie sind proteinreich, enthalten viele Mineralstoffe und mehrfach ungesättigte Fettsäuren und sind sehr kalorienarm. Zudem sagt man ihnen gesundheitsfördernde Wirkungen nach. „Quallen sollen laut traditioneller chinesischer Medizin Leiden wie zum Beispiel Gelenkbeschwerden lindern“, so Kühnhold, der am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen arbeitet.
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Das neue Superfood hat Biss
Und sie schmecken gar nicht glibberig, wie viele befürchten. Mit diesem Vorurteil möchte Kühnhold aufräumen. Er hat schon Quallensalat probiert und ist begeistert. „Von der Konsistenz her ist er ähnlich wie Krautsalat: weich, aber mit Biss“. Und der Geschmack sei leicht salzig, leicht fischig, etwa ähnlich einer Auster. Der Meeresbiologe weiß aber auch, dass es in Europa schwer werden wird, Qualle als Lebensmittel auf den Teller zu bringen. Deshalb experimentiert er gerade, um Qualle so anzubieten, dass auch europäische Konsumenten zugreifen würden. „Quallen können getrocknet aussehen wie gewöhnliche Chips“, so Kühnhold, „damit hätten die Menschen in Europa vermutlich weniger Berührungsängste. Auch Quallenpulver ist denkbar. Bevor solche Produkte eines Tages in Europa im Supermarkt stehen, müssen wir aber erstmal Neugier erzeugen“.
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Gesunder Snack: knusprige Quallenchips
Und auf genau diese Neugier setzt Kühnhold bei seinen Experimenten. Er stellt aus den Schirmen der Quallen und auch aus den Fangarmen Chips her, dazu müssen sie speziell getrocknet werden. Und wie schmeckt so ein Quallenchip? „Die sind ganz kross und zergehen so ein bisschen auf der Zunge, das sind sehr, sehr feine Chips“, so der Meeresbiologe, und ein wenig salzig seien sie auch. Allerdings sind nur die Chips aus den Quallenschirmen essbar, in den Fangarmen könnten noch Nesselgifte stecken, das müsse weiter untersucht werden. Bisher ist die Qualle laut aktueller europäischer „Novel Food“-Verordnung nicht als Lebensmittel anerkannt, eine weitere Hürde. Dabei könnte der Verzehr von Qualle noch ganz andere Probleme lösen.
Die Nahrung der Zukunft kommt aus dem Meer
Durch die immer weiter steigende Bevölkerung werden Ressourcen knapp, etwa Lebensmittel, fruchtbare Agrarflächen, Dünger und Trinkwasser. Im Jahr 2050 könnten schon 10 Milliarden Menschen auf der Erde leben, so die Prognose, wie kann man dann alle ernähren? Diese Frage stellen sich Forscher wie Kühnhold und suchen deshalb nach neuen Nahrungsquellen, die bisher kaum genutzt wurden und gleichzeitig nachhaltig sind. „Wir müssen den Konsum von Fleisch drastisch reduzieren“, so der Meeresbiologe, „da können Nahrungsmittel aus dem Meer für die grundlegende Proteinversorgung der Menschen ein sehr wichtiger Faktor sein“. Auch die Überfischung von Lachsen oder Thunfischen sei ein Problem, deshalb solle man nach anderen Quellen suchen, und das können die Quallen sein.
Qualle auch für Kosmetikprodukte
„Quallen profitieren von der momentanen Entwicklung: weniger Fische, wärmere Temperaturen, sauerstoffarme Zonen“, so Kühnhold, all das führe dazu, dass es in Zukunft mehr Quallen in den Meeren geben wird. „Die Frage ist also: Wie können wir das Überangebot an Quallen-Biomasse irgendwie zu unserem Vorteil nutzen?“ Die Qualle als Superfood sei eine Möglichkeit, aber die Meerestiere könnten neben Nährstoffen auch Kosmetikzusätze liefern. Bisher wurden die Quallen in der Forschung eher stiefmütterlich behandelt, das will Kühnhold ändern. Sein Spezialgebiet ist die Mangrovenqualle, sie hat einen besonderen Vorteil. Sie lässt sich gut in flachem Wasser halten und wächst schnell, allein durch Licht und Plankton.
Quallenrezepte vom Sternekoch
In vielen asiatischen Ländern gilt die Qualle bereits als gesunde Delikatesse, nun will man auch europaweit weg vom Ekel-Image und die Qualle auf den Teller bringen. In dem internationalen EU-Projekt „GoJelly“ untersuchen 15 Forschungsinstitute die Verarbeitung, Konservierung und Zubereitung der Nesseltiere. Der italienische Sternekoch Gennaro Esposito hat zusammen mit anderen Spitzenköchen ein Kochbuch mit Quallenrezepten herausgebracht. Da werden die Nesseltiere gegrillt oder als Carpaccio mit Büffelmozzarella serviert, Qualle mal ganz anders. In Europa könnte man das glibberige Meerestier in Zukunft nicht nur als Plage am Strand finden, sondern auch als Superfood auf der Speisekarte. Na dann, guten Appetit!