Flüchtlingsgipfel am Mittwoch
Streit über Flüchtlingshilfe: Die Fronten verhärten sich
Wenn es ums Geld geht, hört der Spaß auf ...
Es scheint, als könnten Bund und Länder beim Thema Flüchtlinge kaum weiter voneinander entfernt sein. Denn kurz vor dem Flüchtlingsgipfel am Mittwoch gibt es Reibereien – vor allem die Finanzierungsfrage sorgt im Vorfeld für reichlich Zündstoff.
Widerspruch in allen Punkten
Gestritten wird schon länger, nun wird der Tonfall aber deutlich schärfer. Es geht um Geld. Die Länder fordern mehr davon, der Bund möchte aber nicht zahlen. Deshalb erheben nun beide Seiten schwere Vorwürfe gegeneinander: Die Länder werfen der Bundesregierung vor, mit falschen Berechnungen zu arbeiten. Der Bund hält dagegen. Seiner Ansicht nach verwenden die Länder die zugewiesenen Gelder für andere Zwecke abseits der Flüchtlingshilfe.
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Vor dem Flüchtlingsgipfel am Mittwoch wird die Stimmung schlechter. Schon jetzt zeichnet sich ab, wie verhärtet die Fronten zwischen den Parteien sind. In der vergangenen Woche kursierte eine inoffizielle Stellungnahme der Bundesregierung durch das politische Berlin. Punkt für Punkt widersprechen die Finanzminister der Länder dem Schreiben mit einem 15-seitigen Papier.
Eine Frage der Zahlen
Eigentlich ist die Rechnung simpel: Mehr Geflüchtete erfordern einen höheren finanziellen Aufwand. Dem sieht sich der Bund ohnehin schon ausgesetzt, hieß es in dem inoffiziellen Schreiben. Zu weiterer finanzieller Hilfe sei er nicht mehr in der Lage. Die Bundesregierung verweist darauf, dass er bereits für 80 Prozent der Geflüchteten knapp 90 Prozent der Sozialleistungen übernehme. Im vergangenen Jahr wurden deshalb rund drei Milliarden Euro aufgewendet, für 2023 rechnet der Bund mit circa fünf Milliarden Euro.
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Der Vorwurf der Bundesländer: Kosten für Integration, Betreuung, Kitas und Schulen fließen nicht in die Berechnung ein. Außerdem habe der Bund seine Hilfen rechnerisch zurückgefahren – und das trotz steigender Flüchtlingszahlen. Allein im ersten Quartal liegen die Zahlen um 80 Prozent über dem Vorjahresniveau. Wesentliche finanzielle Entlastungen für Länder und Kommunen sind angeblich nicht geplant. Laut Grundgesetz sei die Finanzierung der Flüchtlinge Angelegenheit von Ländern und Kommunen. Finanzierungen seitens des Bundes seien in den vergangenen Jahren auf freiwilliger Basis erfolgt.
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Für das Jahr 2023 rechnet der Bund mit einer Finanzierung in Höhe von 15,6 Milliarden Euro. Die Landesfinanzminister machen eine ganz andere Rechnung auf: „Ein Großteil der Leistungen des Bundes sind befristet und fallen ab 2024 weg“, heißt es. Geregelt sei derzeit lediglich die jährliche Flüchtlingspauschale über 1,25 Milliarden Euro. Im Vergleich dazu hätten die Länder vom Bund in den Jahren 2022 und 2023 dafür 4,5 Milliarden beziehungsweise 2,8 Milliarden Euro erhalten. „Im Jahr 2016 betrug die Zahlung von Bund sogar 9,1 Milliarden Euro“, halten sie fest.
Länder fordern mehr Geld - Zuspruch von Grünen-Chefin

Ob Niedersachsen, Hessen oder Berlin – die Forderung, der Bund müsse seiner finanziellen Mitverantwortung nachkommen, wird in jedem Bundesland erhoben. Dafür verlangen sie die Rückkehr zur Fallpauschale pro Geflüchteten, die es bis 2021 gab. Allerdings müsse das Modell überarbeitet werden: Statt 670 Euro pro Monat müsse die Pauschale nun auf 1.000 Euro pro Monat erhöht werden. Zudem fordern die Länder die Kostenerstattung für Flüchtlingsunterkünfte und drängen auf eine Pauschale für unbegleitete minderjährige Geflüchtete.
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Grünenvorsitzende Ricarda Lang hat sich diesen Forderungen angeschlossen. In der „Stuttgarter Zeitung“ erklärte sie, die Kommunen hätten „im vergangenen Jahr Unglaubliches geleistet“. Daher fände sie es „falsch, wenn jetzt Bund und Länder gegenseitig aufeinander zeigen und jeweils betonen, was sie schon alles gemacht haben.“ Wichtig sei es laut Lang, vor Ort gute Lösungen zu kreieren. „Wenn dafür Unterstützung nötig ist, muss der Bund helfen, auch finanziell.“
Streitpunkt: Verteilung von Hilfesuchenden
Ein weiterer Knackpunkt, bei dem große Uneinigkeit herrscht: Die Verteilung von Hilfesuchenden. Der Vorstoß von Innenministerin Nancy Faeser (SPD), über bestimmte Asylverfahren in Asylzentren direkt an den EU-Außengrenzen zu entscheiden, sorgt für unterschiedliche Auffassungen. Berlins Regierender Bürgermeister begrüßt eine Unterscheidung zwischen der „notwendigen und ausdrücklich gewünschten Fachkräfteeinwanderung, Asylbewerbern und Schutzsuchenden sowie irregulärer Migration ohne Bleibeperspektive“.
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Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff, ebenfalls CDU, nimmt die Bundesregierung in die Pflicht. Sie müsse dafür sorgen, dass die Zuwanderung gesteuert wird, sagte er der „Bild am Sonntag“. Bayerns Regierungschef Markus Söder fordert, Herkunftsstaaten, die abgelehnte Asylbewerber nicht zurücknehmen, künftig die Hilfen zu kürzen. Es gibt also noch viele Streitthemen, über die am Mittwoch gesprochen werden muss. Doch selbst wenn auf nationaler Ebene Lösungen gefunden werden, bleibt die Debatte über schärfere Regeln innerhalb der EU. (dpa, rdr)
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