Interview mit Soldat in eingekesseltem Stahlwerk

"Wir wollen sichergehen, dass die internationale Politik endlich ihren Job macht"

Illia Samoylenko, officer of headquarters of Azov Regiment aus dem Stahlwerk in Mariupol
Illia Samoylenko sitzt im eingekesselten Stahlwerk in Mariupol fest.
RTL

Nach wochenlangen Kämpfen hat Russland den Fall der ukrainische Hafenstadt Mariupol gemeldet. Doch im dortigen Stahlwerk sind noch immer ukrainische Zivilisten und Kämpfer eingeschlossen. Illia Samoylenko ist einer von ihnen. Immer wieder gelangen Videonachrichten von ihm an die Außenwelt. Im Skype-Interview mit RTL und ntv spricht er nun über die prekäre Situation im Stahlwerk.
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Samoylenko: Humanitärer Korridor muss errichtet werden

„Wir haben mindestens 1000 Zivilisten hier, die sich im Keller, in den Unterkünften, in den Bunkern verstecken. Wir versuchen, ihnen so viel wie möglich zu helfen“, berichtet der Kämpfer. „Wir können sie nicht alleine lassen. Das macht die Situation kompliziert.“ Die Vizechefin der ukrainischen Regierung hatte Russland zuvor bereits aufgefordert, für das Stahlwerk einen humanitären Korridor zu bilden.

Illia Samoylenko pflichtet dieser Aufforderung bei. Er richtet klare Worte an die Außenwelt: „Wir überleben nicht nur, wie verteidigen unser Territorium“. Sicher sei, dass die Soldaten nicht fliehen, nicht das Schlachtfeld verlassen werden. „Wir wollen nur sichergehen, dass die Zivilisten in Sicherheit gelangen. Wir wollen sichergehen, dass die internationalen Organisationen und die internationale Politik endlich ihren Job machen“, so Samoylenko. Mithilfe von Dritten müsse ein humanitärer Korridor errichtet werden, um die Zivilisten und die verwundeten Kämpfer zu evakuieren.

„Das, was hier in der Ukraine passiert, ist ein Genozid“

„Das, was hier in der Ukraine passiert, ist ein Genozid“, sagt Samoylenko. Mindestens 20.000 Zivilisten seien bislang allein in Mariupol getötet worden – und Russland versuche, die Beweise für die damit zusammenhängenden Verbrechen zu vertuschen.

Der Kämpfer ist nicht der einzige, der Russland des Völkermords bezichtigt. In den vergangenen Tagen und Wochen wurden solche Vorwürfe immer lauter – primär durch die ukrainische Regierung. Auch US-Präsident Biden hatte zuletzt das Wort Genozid im Zusammenhang mit den Geschehnissen in der Ukraine benutzt. "Ich habe es Völkermord genannt, denn es wird klarer und klarer, dass Putin einfach versucht, die Idee, überhaupt Ukrainer sein zu können, einfach auszuradieren", so Biden bei einem Besuch im US-Bundesstaat Iowa.

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Kämpfer ist Teil eines als rechtsextrem geltenden Regiments

Trotz der prekären Lage in Mariupol zeigt sich der Kämpfer im Interview zuversichtlich. „Trotz aller Widrigkeiten ist die Moral hoch“, berichtet Samoylenko. Er selbst sei sich zwar nicht sicher, ob er diese Situation überleben werde, doch er glaube zumindest daran.

Illia Samoylenko kämpft für das als ultranationalistisch bis rechtsextrem geltende Asow-Regiment an der Seite der ukrainischen Streitkräfte. Das Regiment gehört der ukrainischen Nationalgarde an und ist somit dem Innenministerium des Landes unterstellt. Die Miliz wurde nach ihrer Herkunftsregion am Asowschen Meer benannt und im Jahr 2014 von nationalistischen Politikern gegründet. Mehrere Freiwilligenmilizen, die damals an der Seite der ukrainischen Streitkräfte gegen die prorussischen Separatisten im Osten des Landes kämpften, schlossen sich dafür zusammen.

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