Aufsichtsbehörden: Immer größere Gefahr für Kinder durch Personalmangel

Schock-Umfrage: Gewalt in Kitas nimmt drastisch zu

ARCHIV - 18.04.2016, Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf: Spielzeug liegt in einer Kindertagesstätte auf dem Boden. (zu dpa «Nachbarn klagen gegen Kita - Gemeindetag: Im Normalfall kaum Chancen») Foto: Monika Skolimowska/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Spielzeug in einer Kita (Motivbild)
skm lof wa gfh dav sja fux amr s, dpa, Monika Skolimowska

Wenn Kinder zum Essen gezwungen, vor der gesamten Gruppe bloßgestellt werden oder Erzieherinnen und Erzieher in der Kita zu hart zupacken, ist das seelische beziehungsweise körperliche Gewalt. Und die ist in solchen Einrichtungen oft ein Tabuthema. Jetzt wurde bekannt, dass die Zahl der gemeldeten Fälle in Bayern dramatisch zugenommen hat. Das geht aus einer Umfrage des Bayerischen Rundfunks unter 76 Aufsichtsbehörden von Kindertagesstätten und Krippen hervor. RTL hatte bereits im Sommer eine Umfrage durchgeführt, die ähnlich schockierende Ergebnisse zu Tage brachte. Was sind die Gründe dafür?

Gewalt in Kitas: Deutlich mehr Verdachtsfälle gemeldet

Von den 76 angefragten Aufsichtsbehörden nahmen nach Informationen des Bayerischen Rundfunks 59 an der Umfrage teil. Sie zählten bis Anfang Dezember 232 Verdachtsfälle – rund 100 mehr als im vergangenen Jahr.

Vor allem Verstöße gegen die Aufsichtspflicht stachen demnach heraus. Sie haben sich mit 57 Fällen 2022 mehr als verdoppelt. 2021 waren es noch 24 Fälle. Auch die Meldungen zu seelischer Gewalt (2021:16, 2022: 32 Fälle) sowie zu körperlicher Gewalt sind der Umfrage zufolge angestiegen (2021: 43 Fälle, 2022: 59 Fälle).

Bei diesen Zahlen muss allerdings von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden. Denn zehn der 59 Kita-Aufsichten gaben an, Verdachtsmeldungen nicht statistisch zu erfassen. Außerdem – das zeigte auch umfangreiche RTL-Recherchen vor einigen Monaten – werden längst nicht alle Fälle gemeldet.

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Misshandlungen in Kitas - ein deutschlandweites Problem

Zusätzlich zu den Aufsichtsbehörden befragte der Bayerische Rundfunk mehr als 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kitas. Von ihnen gaben nur zwei an, noch KEINE seelische oder körperliche Gewalt gegen Kinder in ihren Einrichtungen erlebt zu haben.

Da Krippen und Kitas in Deutschland auf kommunaler Ebene organisiert sind, ist es schwierig, Daten zu erhalten, die bundesweit vergleichbar sind. Die aktuelle Umfrage bezieht sich nur auf Bayern. Experten sehen in der zunehmenden Gewalt allerdings ein deutschlandweites Problem und führen es vor allem auf den Personalmangel zurück.

Josefine Barbaric, Vorsitzende des Kinderschutzvereins „Nein, lass das!", erklärte kürzlich im RTL-Interview: „Die Überforderung, Belastung von erwachsenen Personen, gerade auch von pädagogischen Fachkräften, kann eben auch zur Bedrohung für Kinder werden. Wenn wir einen Bereich haben, der seit Jahren stiefmütterlich – auch aus dem politischen Raum – behandelt wird [...], dann ist klar: Wir haben hier ein ernstzunehmendes Problem. Und darüber muss gesprochen werden.“

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Bundesweites Kita-Gesetz soll Missstände ändern

Zudem wird immer wieder angeprangert, dass zu viele Hilfskräfte bei der Betreuung im Einsatz sind, die nicht ausreichend geschult sind, grenzüberschreitendes Verhalten zu erkennen und zu vermeiden. Der Bundestag hat angesichts der Missstände nach wochenlangen Debatten Anfang Dezember das Kita-Gesetz auf den Weg gebracht. Bei ihren Investitionen sollen sich die Länder künftig vor allem auf die Qualität der Betreuung konzentrieren.

In den kommenden zwei Jahren stellt der Bund den Ländern dafür fast vier Milliarden Euro zur Verfügung. Sie sollen das Geld größtenteils dafür nutzen, um Handlungsfelder von vorrangiger Bedeutung voranzubringen: Dazu gehören etwa die Förderung von frühkindlicher Bildung, guter Ernährung oder sprachlicher Entwicklung. (sbl, mit dpa)

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