Sie wollte einen Diebstahl melden, doch die Situation eskalierte
Prügelei auf Essener Polizeiwache: Mutter erhebt schwere Vorwürfe
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Loveth Agbonlahor wurde das Portemonnaie gestohlen
Eine 50 Jahre alte Frau aus Mülheim an der Ruhr erschien am 4. März in Essen auf einer Polizei-Wache, um anzuzeigen, dass ihr Portemonnaie gestohlen wurde. Doch die eigentlich völlig alltägliche Situation eskalierte. Ihre beiden Töchter im Teenageralter, sowie später auch ihre Söhne, kamen dazu. Alle fünf sagen nun, dass sie von den Polizeibeamten rassistisch behandelt und geschlagen worden seien. Bilder von den Verletzungen, die der Familie durch die Polizei zugefügt worden sein sollen - in unserem Video. Ein Poliziesprecher weist die Vorwürfe zurück und sagt, die Familie sei in der Polizeiwache aggressiv aufgetreten und habe Widerstand gegen die Beamten geleistet.
"Die Polizisten haben mich nicht ernst genommen"
Loveth Agbonlahor habe ein paar Kleidungsstücke in einem Geschäft in Essen umtauschen wollen, erzählt sie im RTL-Interview. An der Kasse bemerkte sie, dass ihr Rucksack offen stand und das Portemonnaie weg war. Die Verkäuferin schickte sie zu einer Polizeiwache in der Nachbarschaft. Dort habe man sie nicht ernst genommen, erzählt Loveth im Interview. Sie nannte auf Nachfrage den Beamten ihren Namen und erklärte, dass sie aus Nigeria stamme. „Und die fingen an, zu lachen“, erzählt sie.
Ihre Töchter kamen dann später dazu, um nachzusehen, ob alles in Ordnung sei. Aisha (17) hakte bei den Beamten nach, erzählt sie. Sie wollte wissen, was ihre Mutter jetzt noch tun könnte. Sie sei aber abgewimmelt worden. „Nehmen Sie mich ernst?“, habe sie gefragt, doch der angesprochene Polizeibeamte habe nur gelacht. Sie wollte dem Polizisten erklären, dass sie das nicht in Ordnung fand.
17-Jährige wurde von Polizeibeamten zu Boden gedrückt
Die drei Frauen wurden allerdings nach eigenen Angaben aus der Wache geschickt und Aisha gibt an, sie habe ihrer Mutter gesagt, dass sie das „bescheuert“ fände. „Und ich glaube, weil ich gesagt habe, 'das ist bescheuert', hat der sich halt aufgeregt“, vermutet sie. Der Polizist sei aufgestanden, habe sie gepackt und zu Boden gedrückt. „Meine Mutter hat geschrien“, erzählt die Schülerin. Ein Polizist habe zu ihr gesagt: „Sei froh, dass wir nicht in Amerika sind.“
Als sie sah, wie ihre Tochter behandelt wurde, fing sie an, um Hilfe zu schreien, sagt Loveth. „Ich war so schockiert, ich habe gezittert“, erzählt sie. Daraufhin sei sie ebenfalls zu Boden gedrückt worden. Sie habe ein Knie im Rücken und einen Schuh in ihrem Gesicht gespürt. „Ich konnte nicht atmen“. Jemand habe auch an ihrer Unterhose gezerrt und sie sei "die Dicke" genannt worden.
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Gibt es ein Handyvideo, das die Situation zeigt?
Die zweite Tochter Alifa stand zuerst unbeteiligt daneben, erzählt sie. „Ich hatte schon so eine Ahnung, dass es vielleicht eskalieren könnte“, sagt die 16-Jährige. Darum holte sie ihr Handy aus der Tasche und begann, die Situation zu filmen. Nachdem die Beamten auf ihre Schwester und ihre Mutter losgegangen seien, sei auch sie attackiert worden. „Ich wurde angegriffen, weil ich das Video gemacht habe“, erklärt Alifa.
Eine Polizistin habe ihr das Handy abgenommen – sie habe es bis heute nicht wiederbekommen. „Wenn du mir dein Passwort nicht gibst, schlage ich dir in die Fresse“, hätte die Polizistin gedroht. Doch sie habe sich geweigert. Auf RTL-Nachfrage erklärte ein Essener Polizeisprecher, dass ihm keine Informationen über ein Handyvideo vorlägen. Kurz darauf wurden die drei Frauen von der Polizei vor die Tür gesetzt. „Mein Auge war blau, komplett dick“, erzählt Aisha. „Meine Schwester hat geblutet aus dem Mund, meine Mutter hat geblutet aus dem Mund.“
Auch Loveth Agbonlahors Söhne kamen nach Essen
Am Bahnhof kamen Loveth auch noch ihre beiden Söhne entgegen, die nach dem Rechten sehen wollten. „So habe ich meine Mutter noch nie in meinem Leben gesehen“, erzählt der 25-Jährige Aisosa. Er hatte seine Mutter angerufen, doch an ihrer Stelle ging eine Polizistin an das Handy. Seine Mutter habe im Hintergrund um Hilfe geschrien, darum machte er sich sofort mit seinem Bruder auf den Weg nach Essen.
Die jungen Männer gingen in die Polizeiwache, doch die Beamten wollten ihnen die Tür nicht öffnen. Darum habe er geklopft und daran gerüttelt, erklärt Aisosa. „Die haben mich ignoriert. Ich sehe, wie die alle so am PC schreiben, lachen“, berichtet er im Interview. „Die haben mich überhaupt nicht ernst genommen“. Irgendwann seien die Beamten dann doch herausgekommen und hätten sofort angefangen, mit Schlagstöcken auf ihn und seinen Bruder einzuprügeln. Die jungen Männer ergriffen die Flucht.
Aisosa Agbonlahor wurde vorläufig festgenommen
Er sei von den Beamten verfolgt worden, erzählt der 25-Jährige. Sie hätten ihn mit Pfefferspray gestoppt, mit Handschellen gefesselt und er sei „Verbrecher“ genannt worden. Ihm wurde ein Fuß auf den Rücken gedrückt, ein anderer gegen den Kopf. „In diesem Moment hatte ich keine Luft“, erzählt er. Er habe das auch gesagt, den Beamten sei das aber egal gewesen. Für einem Moment habe er das Bewusstsein verloren. „Das war für mich Rassismus.“
Die Polizei nahm ihn vorläufig fest und brachte ihn wieder auf die Wache. „Es war so schwer zu atmen“, erinnert sich Aisosa. „Meine Hände haben gezittert, mein Körper hat gezittert.“ Die Polizisten wollten, dass er sich Blut und Pfefferspray von Gesicht und Händen wäscht, aber er habe kein Gefühl mehr in den Händen gehabt. „Ich dachte, ich würde sterben“, erzählt der junge Mann. Alle hätten ihn ausgelacht und erst nach einer ganzen Weile entschieden, ihm einen Krankenwagen zu rufen.
Polizei Essen weißt Rassismus-Vorwürfe zurück
Thomas Weise, Sprecher der Polizei Essen, bestätigte im RTL-Interview, dass es eine Auseinandersetzung auf der Polizeiwache gab, nachdem eine Frau eine Anzeige aufgegeben habe. Die Frau und ihre Begleiterinnen hätten „recht aggressiv massiv den Wachbetrieb dort gestört“, erklärt er und wurden aufgefordert, das Gebäude zu verlassen. Dem seien die Frauen nicht nachgekommen. „Und dann ist es dazu gekommen, dass es auch eine Widerstandshandlung und Beleidigungen gegen die Polizisten gab“, sagt er.
Später seien noch zwei Männer aufgetaucht, die „in der Wache sehr lautstark ihren Unmut kundgetan“ hätten. Die beiden „haben rumgeschrien, haben vor Glasscheiben geschlagen“, erzählt er. Auch sie hätten Widerstand gegen die Beamten geleistet, woraufhin eine Person in der Essener Innenstadt festgenommen worden sei. Der Mann sei bei der Festnahme leicht verletzt worden. „Er hat über Schmerzen geklagt, deswegen haben wir einen Rettungswagen verständigt“, erklärt Weise.
„Wir als Polizeipräsidium Essen verwehren uns gegen die Vorwürfe, rassistisch motiviert Gewalt anzuwenden. Das machen wir in Essen nicht“, sagt der Polizeisprecher. Aus Neutralitätsgründen hätten aber die Kollegen der Bochumer Polizei die Ermittlungen übernommen. Die betroffenen Beamten seien weiter im Dienst.