Sparkasse ohne Kameras und mit mangelhafter Alarmanlage

Prozess nach spektakulärem Millionen-Einbruch: Kunden streiten um Entschädigung

Haspa-Filiale in Norderstedt ist nach einem Einbruch abgesperrt
Die abgesperrte Haspa-Filiale in Norderstedt nach dem Millionenraub im August 2021.
RTL, RTL, RTL

Es war ein dreister Coup!
Unbekannte bohren sich durch die Decke in den Schließfachraum der Hamburger Sparkasse in Norderstedt (Schleswig-Holstein), brechen rund 650 Schließfächer auf – und der Alarm geht nicht los. Jetzt klagen die Haspa-Kunden auf Schadenersatz. Sie werfen der Sparkasse vor, dass sie – ohne Kameras und mit mangelhafter Alarmanlage ausgestattet –eine Mitschuld am Drama trage. Seit Mittwoch (19. April) läuft die Verhandlung vor dem Landgericht Hamburg.

Bankräuber noch nicht gefasst

Ein filmreifer, dreister Bankraub erschütterte im August 2021 viele Kunden der Hamburger Sparkasse in Norderstedt. Mit Hilfe eines großen Kernbohrers bohrten die unbekannten Täter ein 45 Zentimeter großes Loch und verschafften sich so Zugang von einer leerstehenden Wohnung über der Haspa-Filiale in deren Schließfachraum. In diesem Tresorraum sollen insgesamt 80 Millionen Euro gelagert sein. Ungestört plünderten sie an einem Wochenende mehr als die Hälfte der 1.200 Schließfächer. Überwachungskameras gab es dort nicht. Laut Haspa aus Gründen der Diskretion. So hantierten die Räuber unbeobachtet. Um ihren Raubzug dann noch weiter zu vertuschen, legten die Täter anschließend ein Feuer. Die Bankräuber sind bisher immer noch nicht gefasst.

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Alarmanlage im Tresorraum schlägt nicht an

Rechtsanwalt Jürgen Hennemann vertritt mehrere der betroffenen Kunden. Laut ihm sei ein einziger Bewegungsmelder für die Sicherung des Tresorraums nicht ausreichend. Dazu zeige ein weiteres Protokoll aus den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Kiel, dass auf eine Störmeldung des Bewegungsmelders, der abgeklebt worden sei und von den Tätern deaktiviert wurde, von Seiten der Haspa nicht angemessen reagiert wurde. „Sie wurde schlicht und ergreifend zur Kenntnis genommen", so Hennemann auf Anfrage von RTL. So kam es zu keinem Einsatz. Erst am Sonntagnachmittag gegen 15 Uhr habe ein Mitarbeiter der Bankfiliale den Einbruch zufällig festgestellt, weil Wasser aus dem Tresorraum floss, und die Polizei alarmiert.

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Jetzt klagen drei Bankkunden

Anwalt Hennemann geht von einer Gesamtschadenssumme in Höhe von rund 40 Millionen Euro insgesamt aus. Dagegen spricht die Haspa von einer Schadenshöhe von nur elf Millionen Euro. Tatsächlich sei aber die Haftung nach den Bedingungen des Geldinstituts auf nur 40.000 Euro je Schließfach begrenzt. Für die Kunden teilweise eine Katastrophe. "Ich hab gesagt: Das kann nicht sein!", erklärt Heiko Stahmer am Mittwoch vor Gericht im Interview mit RTL. Er hatte mehr als 120.000 Euro und weitere Wertgegenstände in seinem Schließfach und ergänzt: "Die vermeintlich sicherste Geldanlage meines Lebens ist schief gegangen.“ Zeuge Manfred Troyke ist Rentner. Er hatte 200.000 Euro im Schließfach sagt dazu: "Ich hatte das Schließfach gerade drei Monate gehabt. Und nur, weil die Haspa mich überredet hat, das Geld da einzuzahlen. Hätte ich das zuhause gehabt, dann wäre es jetzt noch da."

Sicherungssystem der Bank mangelhaft?

In der ersten mündlichen Verhandlung geht es um Klagen von drei Kunden, die insgesamt 150.000 Euro von der Sparkasse fordern. "Maßgeblich für den Schadenersatz ist eine vorliegende Pflichtversetzung, also die Pflicht, ob die Haspa hier die Pflicht zur tresormäßigen Sicherung erfüllt hat“, erklärt Gerichtssprecher Kai Wantzen auf Anfrage von RTL am Mittwoch. Seit 2014 habe es Einbrüche ähnlicher Art in Sparkassen gegen, so Hennemann während des Prozesses. „Vor diesem Hintergrund hätte die Haspa vermutlich mehr tun müssen, um den Tresorraum zu schützen", so Wantzen. Nach Angaben der Haspa waren die Sicherungssysteme des Tresorraums der Filiale in Norderstedt allerdings zum Zeitpunkt des Einbruchs dagegen auf dem aktuellen Stand der Technik. Ein Urteil wird am 14. Juni erwartet. Erst dann können die beraubten Schließfach-Besitzer auf einen angemessenen Schadenersatz hoffen. (dpa/nid)