Ungeheuerliche Tat vor Gericht

Schädelbruch! Radfahrer (48) mit Absicht überfahren, weil Eberhard B. (68) in den Knast wollte?

Thorsten F. hatte Geburtstag und früher Feierabend gemacht. Am 11. Januar wurde er auf dem Heimweg Opfer eines Unfalls, der wohl keiner war. Er wurde zur Zielscheibe eines Mannes, der offenbar nur eines wollte: in den Knast. Das geht aus der Anklage der Staatsanwaltschaft wegen versuchten Mordes hervor.

Angeklagter hielt an, half dem Opfer aber nicht

Das Auto kam Thorsten F. in Döttlingen im Landkreis Oldenburg entgegen. F. war mit dem Fahrrad unterwegs, auf dem Weg vom Bahnhof nach Hause, um seinen Geburtstag zu feiern. Doch dort sollte er an diesem Tag nicht mehr ankommen. Der Pkw erfasste den 48-Jährigen frontal mit 80 km/h. Schädelbruch. Krankenhaus. Das Motiv des Fahrers ist unfassbar: Laut Staatsanwaltschaft hatte der einkommens- und wohnungslose Mann den Plan gefasst, ins Gefängnis zu gehen. Er habe sein Leben vom Steuerzahler finanzieren lassen wollen. Thorsten F.: ein Zufallsopfer.

Wegen dieser ungeheuerlichen Tat muss sich der 62-jährige Fahrer Eberhard B. seit heute vor dem Landgericht Oldenburg verantworten. Nach Überzeugung der Anklage hatte er den Radler gesehen, war aufs Gaspedal getreten, hatte seinen Wagen dann nach links auf den Radweg gezogen und Thorsten F. mit voller Absicht überfahren. Der Angeklagte habe zwar angehalten, dem Opfer jedoch nicht geholfen. Den Tod des Mannes habe er dabei billigend in Kauf genommen, so die Staatsanwaltschaft. Der Angeklagte schwieg am ersten Prozesstag zu den Vorwürfen.

Eberhard B. hat sich nie bei Opfer entschuldigt

Das Opfer selbst sagte am ersten Prozesstag vor Gericht aus. An den genauen Tathergang hat Thorsten F. keine Erinnerung. „Ich habe nur einen stumpfen Schlag gespürt, bin erst im Hubschrauber wach geworden,“ so der 48-Jährige aus Hatten. „Ich habe nichts kommen sehen oder gehört.“ Im Helikopter habe er noch nach dem vermeintlichen Unfallgegner gefragt, wollte wissen, ob dem Fahrer etwas passiert sei.

Zu diesem Zeitpunkt ahnte er noch nicht, dass der Mann ihn aus Kalkül und ganz bewusst über den Haufen gefahren hatte. Doch am Tatort gab es bereits erste Spuren, die darauf hindeuteten, dass es sich um einen vorsätzliche Crash handeln könnte. Der ebenfalls verletzte Fahrer wurde im Krankenhaus festgenommen, sitzt seither in Untersuchtungshaft. Noch am Abend hatte die Polizei Thorsten F. mitgeteilt, dass es kein Unfall war, sondern versuchter Mord. „Das hat mir den Boden weggezogen, das kann man nicht beschreiben", so der Zeuge. Der Angeklagte habe sich nie bei ihm entschuldigt.

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„Der Kopf war komplett offen, es war alles voller Blut"

Zwei Augenzeugen waren hinter Eberhard B. mit dem Auto hergefahren, sie haben die Tat aus nächster Nähe erlebt. „Dann fuhr das Auto auf einmal links rüber und dann auf dem Radweg", so Hans-Jürgen R. „Wir dachten erst, er hat einen Schlaganfall, aber dann fuhr er geradeaus weiter auf dem Fahrradweg und dann habe ich gesehen, wie ein Radfahrer mit einer Rolle, einem Salto, über das Auto geflogen ist."

Seiner Frau Karin T. sei sofort klar gewesen: „Das war Absicht", sagte sie vor Gericht aus. „Der Kopf war komplett offen, es war alles voller Blut." Der Fahrer habe apathisch vor sich hergestarrt. „Er saß ruhig im Auto, völlig unbeteiligt, keine Reaktion." Er sei nicht ausgestiegen, habe gesagt: „Ich brauche keine Hilfe, das ist nur der Schock."

Opfer ist in psychologischer Behandlung

Thorsten F. lag eine Woche im Klinikum Bremen Mitte. Er hatte ein Schädelhirntrauma, der Kopf musste geöffnet werden. Vier Tage später dann wurde er am Schlüsselbein operiert und hat nun eine Titanplatte im Kopf und eine in der Schulter, die Probleme mache und schmerze, sagte er aus. „Ich kann bis heute meinen linken Arm nicht bewegen, das macht mir sehr zu schaffen, da ich auch gerne zur Arbeit gehe. Ich habe auch noch ein Zittern in den Beinen." Die Ursache für das Zittern sei bis heute ungeklärt. „Ich habe wahnsinnige Angst, dass ich falle.“ Zudem plagen den Friedhofsgärtner Kopfschmerzen und Schlafprobleme. „Ich denke jeden Tag an den Unfall und bin in psychologischer Behandlung. Vielleicht kann ich das hiermit abschließen. Mir geht es einfach nicht gut.“

Wie RTL-Reporterin Carmen Gocht aus dem Gerichtssaal berichtet, nahm der Angeklagte Eberhard B. die Aussage seines Opfers ohne erkennbare Reaktion auf.

Wie verkorkst und perspektivlos muss ein Leben sein, um es freiwillig gegen eins hinter Gittern einzutauschen? Und das auch noch auf so brutale Art und Weise? Eine Sachverständige hat ein Gutachten über den Angeklagten erstellt. Sein beruflicher Werdegang wirkt auf den ersten Blick normal, ohne größere Brüche, doch im Elternhaus scheint es Probleme gegeben zu haben. Seine Mutter beschreibt der Angeklagte selbst als hochmanipulativ. Er habe nie gelernt, Konflikte auszuhalten und sich damit auseinanderzusetzen. Mutter und Vater hätten ihm permanent vorgehalten, ungeplant und nicht gewollt gewesen zu sein. Das sei belastend gewesen. Seit 1998 habe er keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern, wisse nicht einmal, ob sie noch leben.

Eberhard B. sei ein Messi, die Wohnung hoffnungslos zugemüllt. Nur ein Zugang zu WC und Dusche sei freigehalten worden. Er habe mehrere Kurzbeziehungen gehabt, habe aber nie mit einer Partnerin zusammengelebt. 2006 wurde bei ihm Burnout diagnostiziert, er wurde sechs Monate in einer Tagesklinik behandelt.