Pferd bricht in Palma zusammen

Kutscher erzählt neue Version der Geschichte

Ein Kutschpferd bricht in der Innenstadt von Palma unter der gnadenlosen Mittags-Sonne zusammen – das Video zum Vorfall schockte vor Kurzem Tierschützer und Öffentlichkeit. Der Stadtrat der Inselhauptstadt beschloss nach dem Vorfall laut „Mallorca Zeitung“, Pferdekutschen ab 2024 komplett zu verbieten. Nun hat sich der Kutscher zu Wort gemeldet und eine ganz andere Version der Geschichte erzählt.

Kutscher: "Frau mit einem Kinderwagen hat mich geschnitten"

Das Video war vor rund anderthalb Wochen durch die Medien gegangen und hatte große Empörung ausgelöst. Zu sehen ist der Hengst Camarón des Molí, der vor einer Kutsche am Boden liegt. An dem Tag galt für Mallorca eine Hitzewarnung. Auch die Reaktion der Fahrgäste, die einfach sitzenblieben, und der Kutscher, der an dem Pferd zerrte, wurden kritisiert.

Nach dem Vorfall hatte das Rathaus von Palma die Touristenattraktion ab 2024 verboten. Bis das verbot greift, gelten zudem Einschränkungen. So dürfen die Gespanne ab der Hitzewarnstufe Gelb (also ab 36 Grad Celsius) nicht mehr fahren. Diese Regelung könnte laut „Mallorca Zeitung“ noch im August 2022 eintreten.

Jetzt hat die Zeitung mit dem Kutscher aus dem Schockvideo gesprochen. Venancio Vargas schildert den Vorfall ganz anders. „Eine Frau mit einem Kinderwagen hat mich geschnitten. Eines der zwei Pferde kam ins Stolpern und stieß das andere um. Wenige Sekunden danach konnte es schon wieder aufstehen. Doch ehe das zu sehen ist, endet das Video. Man will uns in ein schlechtes Licht rücken.“

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Camarón des Molí angeblich wieder fit

Sein Vater Manuel Vargas ist empört über das Kutschverbot und die damit verbundenen Anfeindungen. „Ständig werden unsere Tiere untersucht, täglich kommt die Reiterstaffel der Polizei vorbei. Dennoch werfen Tierschützer uns vor, dass wir Gesetzlose sind und die Lage völlig außer Kontrolle sei.“ Er habe der „Mallorca Zeitung“ Videos gezeigt, in denen Passanten die Kutscher und Passagiere wüst beschimpfen. Von Tierquälerei könne keine Rede sein. „Es gibt Pferde, die in der Wüste leben. Wir parken die Kutschen im Schatten und fahren im Sommer nur durch enge Gassen, in denen kaum Sonne scheint“, sagt Vargas, der weiter behauptet: „Die Kutschpferde in Palma haben noch nie einen Hitzschlag erlitten.“

Nach dem Unfall hatte das Rathaus eine Untersuchung eingeleitet und die Kutsche vorübergehend aus dem Verkehr gezogen, wie aus einer Pressemitteilung hervorgeht. Vargas bemängelt, dass er darüber nicht informiert worden sei. „Wir haben alles nur aus den Zeitungen erfahren.“ Camarón des Molí sei inzwischen beim Gesundheitscheck gewesen. „Pferd o.k.“ habe auf dem unterschriebenen Dokument gestanden, das die Zeitung dem Bericht zufolge nach der Untersuchung einsehen konnte. Damit könne der Hengst seinen Kutschdienst wieder aufnehmen.

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Kutschenverbot auf Mallorca: Droht den Pferden nun der Tod?

Doch die Zukunft der Kutscher und ihrer Pferde auf Mallorca ist ungewiss. Ab 2024 soll die Touristenattraktion verboten sein. Die Betreiber können das nicht verstehen – auch, weil sie die Tiere so vor dem Schlachter retten würden. Denn bei den Pferden handele es sich meist um ehemalige Rennpferde oder solche, die sich Privatbesitzer nicht mehr leisten konnten. Statt sie zu töten, würden sie vor die Kutsche gespannt, argumentiert Vargas, der sich als Pressesprecher seiner Zunft versteht. Er selbst habe auf diese Weise „bestimmt 50 bis 60“ Pferde vor dem Schlachter bewahrt.

Genau dieses Schicksal drohe nun den Kutschpferden, sollte das Verbot tatsächlich in Kraft treten. „Von uns kann es sich niemand leisten, die Pferde einfach auf der Weide zu halten“, sagt Vargas. Er schätze dem Artikel zufolge, dass es in Palma an die 24 Pferdekutschen gebe, die den Lebensunterhalt von bis zu 60 Familien sichern würden. Er selbst habe 150 Euro pro Tag verloren, weil das Rathaus seine Kutsche nach dem Sturz stillgelegt hatte.

Zudem beklagte er sich über Rassismus gegen Kutscher, bei denen es sich in der Regel um Roma handele. „Wir sind ständig die Sündenböcke. Die Leute auf der Straße reden unseren Kunden – meist Deutschen und Engländern – ein, dass wir sie bestehlen würden.“ (cwa)