Wohnungsgesellschaften in Berlin und Brandenburg machen Nägel mit KöpfenNur noch 17 Grad: Berliner Vermieter riegeln Heizung ab

Mit Stacheldraht umwickeltes Heizungsthermostat, Symbolfoto Heizkosten und Gaskrise *** Heating thermostat wrapped with barbed wire, symbol photo heating costs and gas crisis
Ob der eine oder die andere das eigene Heizungsthermostat mit Stacheldraht umwickelt? Ein Symbolfoto, das den Ernst der Lage der aktuellen Energiekrise deutlich macht.
www.imago-images.de, IMAGO/Christian Ohde, IMAGO/Christian Ohde
von Konrad Rampelt

Die Energiepreise explodieren, ab Oktober kommt die Gasumlage. Dass die Deutschen in diesem Winter zusammenrücken müssen, erklärt Wirtschaftsminister Habeck zur Zeit im Minutentakt. Nun machen die Berliner Wohnungsbaugesellschaften Nägel mit Köpfen, planen in der Nacht nur noch 17 Grad Celsius zur Verfügung zu stellen, am Tage sollen es 20 Grad Celsius sein. Das berichtet am Donnerstag der „Tagesspiegel.“ Auch private Vermieter planen in der Hauptstadt Absenkungen mit dem Ziel in dieser Krise weiter Energie einzusparen.

Gas-Krise: Ab 23 Uhr nur noch maximal 17 Grad in der Wohnung

So planen die in Berlin ansässigen Wohnungsbaugesellschaften in der kommenden Heizperiode die Raumtemperatur zu begrenzen. Das bestätigte der Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen (BBU) dem „Tagesspiegel“. „Die nach herrschender Rechtsprechung geschuldete Raumtemperatur liegt in Wohnräumen in der Regel zwischen 17 und 20 Grad“, sagte ein Sprecher des Verbands dem Blatt. Innerhalb dieser Parameter würden die städtischen Wohnungsbaugesellschaften die Leistung der Heizanlage in ihren Wohn- und Bürogebäude bereits anpassen. Konkret hieße das für mehr als 300.000 Wohnungen eine Begrenzug auf 17 Grad Celsisus in der Nacht und 20 Grad Celsius am Tag, wie der BBU im Tagesspiegel klarstellte.

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Wie der „Tagesspiegel“ weiter berichtet, planen auch private Wohnungsunternehmen, die Mitglied im BBU sind, eine Absenkung der Heiztemperatur. Die Mitglieder des Verbands bewirtschaften etwa 1,1 Millionen Wohnungen in Berlin und Brandenburg.

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Vonovia kündigte Senkung der Nachttemperatur bereits im Juli an

Bereits im Juni hatte Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia angekündigt, zur Verringerung des Gasverbrauchs die Heizungstemperatur der Gas-Zentralheizungen in der Nacht abzusenken. Die Leistung werde zwischen 23 und 6 Uhr auf 17 Grad Raumtemperatur reduziert, teilte das Unternehmen mit. Tagsüber werde wie gewohnt geheizt. Auch die Warmwasserversorgung sei von diesem Schritt nicht betroffen. Hier gebe es keine Einschränkungen beim Duschen oder Baden. In einem Mieteraushang betonte Vonovia, das Unternehmen wolle mit diesem Schritt als verantwortungsvoller Vermieter dazu beitragen, Gas einzusparen und die Heizkosten zu begrenzen. Durch die Nachtabsenkung würden bis zu acht Prozent des Heizaufwands eingespart. Vonovia besitzt mehr als 550.000 Wohnungen in Deutschland, Schweden und Österreich. Hinzu kommen rund 72.500 verwaltete Wohnungen.

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Das sagt der Mieterbund zur geplanten Absenkung der Temperatur

Gesetzliche Vorgaben, wie warm eine Wohnung sein muss, gibt es in Deutschland jedoch nicht. Doch es gibt etliche Gerichtsurteile, die sagen, dass Wohnräume tagsüber mindestens 20 bis 22 Grad Celsius Raumtemperatur erreichen müssen, eine Nachtabsenkung sei demnach zulässig und wird von den meisten Gerichten bei 17 bis 18 Grad Celsius als zulässig erachtet.

„All das, was sich in diesem Rahmen bewegt, ist schon jetzt rechtlich ok, weil die Rechtsprechung entsprechend ist“, erklärt Dr. Jutta Hartmann vom Deutschen Mieterbund im RTL-Interview. „Wenn jetzt Wohnungsunternehmen oder Vermieter meinen, sie wollen unter diese festgelegten Mindesttemperaturen gehen, halten wir das für rechtlich unzulässig. Dann könnte der Mieter seine Rechte geltend machen, also beispielsweise die Miete mindern.“ Soweit sei es noch nicht, doch sollten die Mindesttemperaturen noch weiter fallen, unterhalb der geltenden Rechtsprechung, sei dieses Vorgehen sozial ungerecht. „Wenn so etwas passiert, könnte man von einer Bevormundung sprechen“, so Hartmann.

Doch ist es echt notwendig, dass Immobilienkonzerne, die in den letzten Jahren Milliardengewinne abgeschöpft haben und entsprechende Dividenden ausbezahlt haben, wirklich die Heizungen abriegeln? Nein, sagt Dr. Jutta Hartmann vom Deutschen Mieterbund. „Wir sehen keine Notwendigkeit, da Mieterinnen und Mieter natürlich sparen wollen. Das bekommen wir in etlichen Beratungen mit. Das Thema ist also angekommen“, sagt Hartmann zu RTL. Man dürfe nicht vergessen, dass die Menschen die Heizkosten zu hundert Prozent tragen. Was verheizt wird, muss auch bezahlt werden. Insofern sei es immer im Interesse der Mieterinnen und Mieter Heizenergie zu sparen.

Außerdem: „Jeder Mensch hat ein unterschiedliches Wärmebedürfnis und Empfinden. Ältere und kranke Menschen brauchen sicherlich ein paar Grad wärmer in der Wohnung als junge und fitte Menschen. Dass man da jetzt einfach pauschal sagt, wir wenden das auf alle an und die Menschen sollen sich einen Pullover anziehen, halten wir für den absolut falschen Weg. Das sollte den Mieterinnen und Mietern auch eben hier überlassen werden, wie viel Grad sie benötigen um sich in ihrer Wohnung wohl zu fühlen“, so Hartmann weiter.

Dass ausgerechnet die Wohnungsunternehmen, die gerade in Krisen-Zeiten Milliardengewinne gemacht haben und die Dividenden so hoch sind wie nie, meinen, auf dem Rücken der Mieterinnen und Mieter sparen zu müssen, sei „wirklich grenzwertig.“

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Dr. Jutta Hartmann, Pressesprecherin Deutscher Mieterbund
Dr. Jutta Hartmann vom Deutschen Mieterbund
Deutscher Mieterbund

Deutscher Mieterbund: Hydraulischer Abgleich und Heizungs-Check viel zielführender beim Energiesparen

Anstatt so vehement vorzupreschen und die Temperaturen zu regulieren, könnten außerdem viel wichtigere Maßnahmen ergriffen werden, die das Heizen und Energiesparen wesentlich effizienter machen, als die Thermostate bei einer gewissen Temperatur abzuriegeln. So wurde am Mittwoch im Bundeskabinett eine Verordnung beschlossen, die unter anderem vorsieht, dass Vermieterinnen und Vermieter verpflichtet werden, einen hydraulischen Abgleich zu machen oder einen verbindlichen Heizungs-Check. „Solche Maßnahmen wären natürlich viel zielführender um tatsächlich Energie einzusparen in dem die Heizung effektiv arbeiten und die Heizung ideal eingestellt werden, damit die Wohnungen ordentlich warm werden und dafür so wenig Energie wie nötig gebraucht wird“, erklärt Jutta Hartmann. Dazu sei jedoch dieser Abgleich notwendig. „Die Vermieterschaft könnte erst mal die Heizung auf Vordermann bringen, damit da Energie eingespart wird, statt davon zu sprechen Mieterinnen und Mieter im Kalten sitzen zu lassen.“

RTL-Finanzexpertin Susanne Althoff erklärt: DAS müssen sie jetzt über die Gasumlage wissen

Für Mieterinnnen und Mieter in diesem Land bedeutet eine Reduktion der Temperatur konkret, dass es durch die geplante Absenkung der Heizenergie künftig länger dauern dürfte, bis ein Raum die gewünschte Temperatur erreicht. Und im Umkehrschluss auch, dass die maximal mögliche Raumtemperatur entsprechend sinkt.

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