Das kann jeder Frau passieren

Letzte Hoffnung Notaufnahme! Wenn der Mittelschmerz zum Albtraum wird

Frau mit Bauchschmerzen auf dem Sofa
Unterleibsschmerzen können nicht nur während der Periode auftreten. (Symbolbild)
iStockphoto

von Dr. med. Judith Bildau

Nachts in der Notaufnahme. Ein junges Mädchen kommt von seiner Mutter gestützt, es hat starke Unterbauchschmerzen und weint. Die Mutter ist sehr besorgt. Schon den ganzen Tag hatte sich ihre Tochter über Schmerzen beklagt. Erst war es nur ein leichtes Ziehen. Im Tagesverlauf wurde es dann immer stärker. Beinahe entschuldigend sagt sie bei der Aufnahme: „Es tut mir leid, dass wir hier so aufschlagen, aber ich wusste wirklich nicht mehr, was ich tun sollte! Meine Tochter weint mittlerweile vor Schmerzen. Was ist das bloß?“

Stunden in der Notaufnahme

Ein Pfleger kommt mit einer Liege. Nachdem sich das Mädchen hingelegt hat, werden Blutdruck und Sauerstoffsättigung gemessen. Die Werte sind unauffällig. Eine Ärztin, die in der Chirurgie arbeitet, übernimmt und legt der Patientin einen venösen Zugang. Sie nimmt außerdem Blut ab und beginnt, Mutter und Tochter nach vorliegenden Erkrankungen, Medikamenteneinnahme und Voroperationen zu fragen. Sophia ist ein 16-Jähriges, gesundes Mädchen. Sie hat keine Allergien, nimmt keine Medikamente und ist insgesamt selten krank. Vor zwei Jahren wurde ihr der Blinddarm entfernt, da dieser entzündet war.

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Eine Ultraschalluntersuchung ergibt etwas freie Flüssigkeit im Unterbauch. Nach einiger Wartezeit sind die Blutergebnisse da: Sie sind unauffällig. Die Chirurgin ruft nun ihre gynäkologische Kollegin an.

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Hoffnung auf ein Leben ohne Schmerzen Endometriose-Forschung
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Die Zyklusanamnese gibt den entscheidenden Hinweis

Nachdem die Gynökologin Sophia auch noch einmal untersucht hat, setzt sie sich neben sie und sagt: „Lass‘ uns mal über deinen Zyklus sprechen!“ Sophia erzählt, dass sie relativ regelmäßig ihre Periode hat. Das erste Mal mit 13 Jahren. Unter Schmerzen leidet sie währenddessen nicht wirklich, sie hat nur manchmal etwas Kopfschmerzen. Das letzte Mal kam die Menstruation vor ungefähr zwei Wochen. Die Gynäkologin schaut sie an: „Du leidest gerade unter dem sogenannten Mittelschmerz. Der ist zwar sehr unangenehm, aber zum Glück nicht gefährlich.“

„Mittelschmerz“- was ist das eigentlich?

Um den Mittelschmerz verstehen zu können, macht es Sinn, sich noch einmal genau den weiblichen Zyklus anzuschauen. Diesen kann man in verschiedene Phasen einteilen. Die erste Phase ist die Menstruationsphase. Sie dauert bei jeder Frau unterschiedlich lang, im Schnitt aber ungefähr fünf Tage. Darauf folgt die Follikelphase, in der ein Follikel unter dem Einfluss des Stimulationshormons FSH heranwächst. Etwa in der Zyklusmitte kommt es durch den Anstieg des Hormons LH zum Eisprung, also zur Ovulation. Daran schließt sich die Lutealphase an, die mit einer erneuten Menstruationsblutung endet. Die Länge des Zyklus ist sehr individuell; bei den meisten Frauen schwankt sie zwischen 28 und 32 Tagen.

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Um den Eisprung herum, also etwa zwischen dem zehnten und 14.Zyklustag, merken viele Frauen ein leichtes Ziehen im Unterbauch. Meist ist es einseitig lokalisiert, je nachdem auf welcher Seite die Ovulation in diesem Monat stattfindet. Einige Frauen leiden jedoch nicht nur unter einem leichten Ziehen, sondern haben starke Unterbauchschmerzen, die sie kaum aushalten können. Manchmal werden die Schmerzen außerdem von einer leichten vaginalen Schmierblutung begleitet.

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Eine eindeutige wissenschaftliche Erklärung fehlt bislang

Die Ursache, warum die Zeit des Eisprungs so unangenehm sein kann, ist bislang nicht eindeutig geklärt. Verschiedene Gründe dafür werden diskutiert. Eine mögliche Erklärung ist, dass der Follikel, der schließlich „aufplatzt“, um die Eizelle freizugeben, kurz vor der Ovulation so groß ist, dass er, ähnlich wie eine Eierstockzyste, Schmerzen verursacht. Auch das Aufplatzen an sich und der damit verbundene Flüssigkeitsaustritt aus dem Follikel können ursächlich sein. Die Flüssigkeit verbleibt übrigens in der Regel noch ein paar Tage und reizt mitunter das Bauchfell, sodass die Beschwerden einige Zeit andauern können. Immer wieder wird auch vermutet, dass die Bewegungen der Eileiter, die die Eizelle Richtung Gebärmutter bewegen, diese Art der Beschwerden verursachen könnten.

Kurzum: Eine eindeutige wissenschaftliche Erklärung fehlt bislang, nichtsdestotrotz leiden viele Mädchen und Frauen unter dem Mittelschmerz.

Fun Fact: Auch in englischsprachigen Ländern wie in den USA hat sich die deutsche Bezeichnung Mittelschmerz durchgesetzt. Der Begriff Ovulation Pain ist dagegen nicht so geläufig.

Und was hilft?

Vielen Betroffenen hilft es schon einmal sehr, zu wissen, was da gerade in ihrem Körper vor sich geht. Einigen Frauen fällt es wie Schuppen von den Augen, wenn sie erfahren, warum es ihnen so schlecht geht. Schließlich haben sie ähnliche Beschwerden beinahe jeden Monat im gleichen Zeitraum, nämlich dann, wenn der Eisprung naht oder gerade stattgefunden hat.

In der Regel helfen beim Mittelschmerz akut ähnliche Maßnahmen, die man auch bei Menstruationsschmerzen anwenden kann:

  • Wärme, zum Beispiel eine Wärmflasche oder ein warmes Bad
  • Entspannungsübungen
  • zusätzliche Magnesiumzufuhr
  • bei starken Beschwerden Schmerzmittel

Sophia und ihre Mutter sind erst einmal sehr beruhigt, dass es keine ernsthafte Erkrankung ist, die die Schmerzen verursacht. Das Mädchen erhält ein Schmerzmittel durch die Vene und ein Rezept für Schmerztabletten, die es bei Bedarf in den nächsten Tagen zu Hause einnehmen kann. Nachdem es ihr besser geht, wird sie mit einem Brief für ihren Frauenarzt entlassen.

Gynäkologin Dr. med. Judith Bildau
Gynäkologin Dr. med. Judith Bildau erklärt, was es mit dem Mittelschmerz auf sich hat.
Dr. med. Judith Bildau

Pille als „ultima ratio“

Leider passiert in den nächsten Monaten immer wieder das Gleiche: Rund um den Eisprung hat Sophia starke Unterbauchschmerzen. Sie kann nicht zur Schule gehen, sondern liegt stattdessen mit einer Wärmflasche im Bett. Sie vereinbart noch einmal einen Termin bei ihrem Frauenarzt. Da sie nun auch ihren ersten Freund hat, rät der ihr dazu, ein hormonelles Verhütungsmittel zu verwenden. Bislang haben sie und ihr Freund mit Kondom verhütet- und waren damit eigentlich ganz zufrieden. „Warum soll ich denn jetzt die Pille nehmen?“ fragt Sophia deshalb. Die Erklärung leuchtet ihr ein: Durch ein hormonelles Kontrazeptivum, egal, ob Pille, Pflaster oder Vaginalring, wird der Eisprung unterdrückt. Die typischen Beschwerden rund um die Ovulation bleiben deshalb aus. Nachdem ihr Frauenarzt ihr die verschiedenen hormonellen Möglichkeiten erklärt hat, entscheidet sie sich für den Vaginalring. Als sie sich nach einigen Monaten zur Kontrolluntersuchung vorstellt, geht es ihr gut.

Lese-Tipp: Periodenunterwäsche - Expertin verrät den größten Fehler

Wichtig: Bei starken Unterbauschmerzen sollte immer auch an eine Blinddarmentzündung gedacht werden! Bei chronischen, also über Monate anhaltende Unterbauschmerzen, bitte auch immer an das mögliche Vorliegen einer Endometriose denken!